Uhrenanlage

Uhrenanlage
Anlage mit drei synchron geschalteten Hauptuhren, die von 1956 bis 1994 zentral sämtliche Bahnhofsuhren in Südbayern steuerte

Eine Uhren- oder Zeitdienstanlage ist eine Einrichtung, die für gleiche Zeitanzeigen an verschiedenen Orten sorgt.

Inhaltsverzeichnis

Verwendung

Uhrenanlagen werden häufig in größeren Betrieben oder öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Krankenhäusern, Bahnhöfen oder Flughäfen installiert. Speziell die deutschen Eisenbahnen haben lange Zeit riesige synchronisierte Netze betrieben, in denen die Bahnhofsuhren nur geringfügige Abweichungen hatten.

Komponenten

Eine Uhrenanlage besteht neben der Stromversorgung immer aus der Hauptuhr oder Mutteruhr und den von ihr gesteuerten Nebenuhren oder Tochteruhren. Von einer Nebenuhr bis hin zu landesweit betrieben Uhrenanlagen sind alle Zwischenstufen möglich. Eine Uhrenanlage kann mit zusätzlichen Signaleinrichtungen versehen sein. Signalempfänger solcher Anlagen können auch Stech- und Stempeluhren, Frankieranlagen, Fahrkartenentwerter oder eine elektronische Zeitansage sein. Meist sind auch Schaltausgänge für die Ansteuerung von zu bestimmten Zeiten auszulösenden Vorgängen, wie beispielsweise eines Pausengongs, vorhanden.

Als Zeitgeber können gegebenenfalls zwei oder mehrere Hauptuhren sich gegenseitig im Gleichlauf erhalten. Es ist auch möglich, elektromechanische Hauptuhren von einer übergeordneten Zeitsignalquelle aus fernzusteuern. Bei Stromausfall speichert eine Nachlaufeinrichtung die Information über die Anzahl der nicht an die Nebenuhren ausgesendeten Impulse, um sie bei wieder vorhandener Spannung selbsttätig nachzustellen. Auf eine Nachlaufeinrichtung kann insbesondere bei batteriebetriebenen oder mit Notstromversorgung ausgestatteten Anlagen verzichtet werden.

Nebenuhren

Nebenuhr auf einem Bahnsteig
Lavet-Schrittmotor einer Nebenuhr
(T&N um 1960)

Die Nebenuhren beinhalten in der Regel lediglich einen Lavet-Schrittmotor, welcher von den Signalimpulsen der Hauptuhr weitergestellt wird. Die an derselben Hauptuhr angeschlossenen Nebenuhren zeigen, zumindest solange im Netz keine technischen Probleme entstehen, immer alle die gleiche Zeit an. Auch Korrekturen, wie die Sommer- oder Winterzeitumstellung, sind zentral und damit einfach machbar. Der Unterhalt der Anlage ist erheblich günstiger als bei einer großen Anzahl selbständiger Einzeluhren.

Ein weiteres Verfahren sind freilaufende, mit einem Synchronmotor aus der Netzspannung betriebene Nebenuhren, die z. B. minütlich mit der Hauptuhr synchronisiert werden, indem deren kontinuierlich laufender Sekundenzeiger (Schleichende Sekunde) bis zur definierten Freigabe durch einen Impuls der Hauptuhr in 12-Uhr-Stellung anhält. Dazu muss der Zeiger während der Zeit zwischen den Freigabeimpulsen etwas schneller laufen als die wahre Zeit. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die Antriebsleistung der Uhr nicht über die Steuerleitung übertragen werden muss.

Geschichte

Hauptuhr (Normaluhr) mit Nebenuhren (1903)

In Deutschland kamen erste Uhrenanlagen Ende des 19. Jahrhunderts zum Einsatz, nachdem das Deutsche Reich im Jahr 1893 die Mitteleuropäische Zeit auf Drängen der Eisenbahngesellschaften eingeführt hatte. Zuvor mussten bei den Fahrplänen der Eisenbahnen mehr als 60 lokale Zeitordnungen einzelner Regionen und Städte berücksichtigt werden. Die Eisenbahn gilt daher als Initiatorin einer Vereinheitlichung der Zeitgebung in Deutschland.

Nach dem Zweiten Weltkrieg baute die Deutsche Bundesbahn ein Netzwerk auf, an dessen Netzknoten sich jeweils eine Hauptuhr mit Verbindungen zu weiteren Hauptuhren befand. Jeweils um Mitternacht wurde der bundesweite Zeitangleich von der Zentraluhr des Deutschen Hydrographischen Instituts in Hamburg vorgenommen. Nach Angaben der Deutschen Bahn fungieren derzeit 2.500 ihrer insgesamt 17.000 Uhren als Hauptuhren. Sie sind als Funkuhren ausgeführt und empfangen das Signal des Zeitzeichensenders DCF77.

Mit der weiten Verbreitung preisgünstiger Funkuhren sind die Uhrenanlagen im Rückzug begriffen. Speziell große Systeme wie die der Bahnen werden in kleine örtliche Zellen zerlegt, bei denen die Zeitsignale nicht mehr von einer Uhrenzentrale kommen; sie werden über den Sender DCF77 von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig synchronisiert, bzw. über vergleichbare Zeitdienste anderer Länder (BEV Wien, HBG-Sender Neuchâtel, OMA Prag). Häufig kommen auch funkgesteuerte Einzeluhren zur Anwendung. Da in vielen Gebäuden allerdings kein DCF77-Signal empfangen werden kann, werden die Uhrenanlagen auch in Zukunft nicht vollständig von Funkuhren verdrängt werden.

Bedeutende Hersteller

Der Uhrmacher und Unternehmer Carl Theodor Wagner besaß ein Patent zum Betrieb von Nebenuhren. Seine Firma produzierte auch für Siemens & Halske (später Siemens AG) und Standard Elektrik Lorenz (SEL), die auch Uhrenanlagen vertrieben und herstellten. Ein weiterer großer Name im Uhrenanlagenbau ist Telefonbau und Normalzeit (T&N oder Telenorma jetzt Bosch Sicherheitssysteme). In der DDR wurden Uhrenanlagen unter dem Warenzeichen Messe RFT bzw. Elfema (Elektrofeinmechanik Mittweida) vertrieben. Alle diese Firmen sind nicht mehr existent oder bauen keine Uhrenanlagen mehr.

Die Firma Bürk lieferte noch bis in die 1990er Jahre Uhren z. B. für die Deutsche Bahn. Sie ist heute ein Teil der Schweizer Mobatime. In Tschechien produziert Elektročas (Nachfolger von Pragotron) Uhrenanlagen. Zwei große Hersteller von Uhrenanlagen verblieben in Deutschland: Das mittelständische Unternehmen JUNDES Kaiser Zeitmesstechnik (früher Jauch und Schmid), das schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts Spezialuhren herstellt, und die Robert Bosch GmbH.

Weblinks


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