Unbefleckt Empfangene

Unbefleckt Empfangene
Francisco de Zurbarán (1598–1664): „Unbefleckte Empfängnis“

Die Unbefleckte Empfängnis (lat. immaculata conceptio) ist ein römisch-katholisches Glaubensdogma, das von der Jungfrauengeburt zu unterscheiden ist. Ein eigenes kirchliches Fest, das der Erwählung Marias im Mutterleib gedenkt, lässt sich seit dem 9. Jahrhundert nachweisen. Nach der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis soll die Gottesmutter Maria von jedem Makel der Erbsünde bewahrt, jedoch auf natürliche Weise von ihrer Mutter empfangen und geboren worden sein. Damit habe Gott Maria vom allerersten Augenblick ihres Lebens an vor der Macht der Sünde bewahrt.

Inhaltsverzeichnis

Päpstliche Bulle

Papst Pius IX. verkündete am 8. Dezember 1854 in seiner dogmatischen Bulle (auch Päpstliche Bulle) Ineffabilis Deus („Der unbegreifliche Gott“):

„Zu Ehren der Heiligen und Ungeteilten Dreifaltigkeit, zu Schmuck und Zierde der jungfräulichen Gottesmutter, zur Erhöhung des katholischen Glaubens und zur Mehrung der christlichen Religion, in der Autorität unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und der Unseren erklären, verkünden und definieren Wir: Die Lehre, dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadenprivileg des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erretters des Menschengeschlechtes, von jedem Schaden der Erbsünde unversehrt bewahrt wurde, ist von Gott geoffenbart und darum von allen Gläubigen fest und beständig zu glauben.“

Ein weiterer Konnex dieser Glaubensaussage besteht darin, dass Maria – im Unterschied zu allen anderen Menschen – am Ende ihres Lebens keiner Läuterung mehr bedürfe, da diese bereits im Moment ihrer Empfängnis stattgefunden habe und Maria auch sonst während ihres Lebens keine persönlichen Sünden begangen habe. Dies wurde 1950 im Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel mitausgesagt.

Zusätzliche Bedeutung gewann das Dogma der Unbefleckten Empfängnis in der katholischen Kirche durch die Marienerscheinungen von Lourdes. Hier soll im Jahr 1858 Bernadette Soubirous mehrfach Erscheinungen einer weiß gekleideten Frau (die Mutter Gottes) gehabt haben. Die von Bernadette beschriebene „schöne weiße Dame“ offenbarte sich als die „unbefleckte Empfängnis“.

Historische Kontroverse innerhalb der katholischen Kirche

Die Immaculata Conceptio war wegen der ungeklärten dogmatischen Situation Gegenstand eines theologischen Streites im Spätmittelalter, der aus der Lehre über die Erbsünde entstand. Ein Problem bereitete die Frage, wie Maria am Erlösungswerk teilnehmen konnte, da sie doch wie alle anderen Menschen unter den Bedingungen der Erbsünde lebte. Um diese Konsequenz auszuschließen, kann man entweder eine göttliche Reinigung (Heiligung) Marias, „Sanctificatio Mariae“, von der Erbsünde annehmen, wie dies von den Dominikanern bis ins 19. Jahrhundert vertreten wurde, oder man muss davon ausgehen, dass Maria „ohne Sünde“ empfangen worden ist, wie dies von den Franziskanern gelehrt wurde.

Schon am Anfang des Ordens der Franziskaner, nämlich im Jahre 1263, hatte das Generalkapitel des Ordens zu Pisa unter Leitung des heiligen Bonaventura das Fest der Unbefleckten Empfängnis unter die Ordensfeste aufgenommen. Besonders heftig wurde der Streit im 15. Jahrhundert ausgetragen, involviert waren hier u. a. die Universität Paris, das Konzil von Basel und die Könige von Aragón. Die theologische Lösung für das Problem wurde von Johannes Duns Scotus, „doctor subtilis“, ausgearbeitet. Nach seiner Theorie wurde Maria von Empfängnis an von der Erbsünde befreit, aber durch die Verdienste Jesu – nur im Voraus. Er beglaubigt seine Doktrin mit dem Spruch von Pseudo-Anselmus: „Decuit, potuit, ergo fecit“ (Es ziemte sich, er [Gott] konnte es, daher machte er [es]). Die gültige Lehre, die davon abgeleitet ist, definierte erst die Bulle Ineffabilis Deus des seligen Papstes Pius IX. Aber schon das Konzil von Trient (1554–1563) nimmt bei seinen Aussagen über die Erbsünde die heilige Jungfrau Maria ausdrücklich aus. [1]

Prominente Gegner der Immaculata-Lehre waren im Mittelalter Bernhard von Clairvaux, Albertus Magnus und Thomas von Aquin, der Franziskaner(!) Bonaventura sowie die Päpste Johannes XXII. und Benedikt XII.; die meisten Päpste verhielten sich in dieser Frage neutral, was noch im Spätmittelalter von den Immakulisten beklagt wurde, bis mit Sixtus IV. ein Franziskaner auf den Papstthron gelangte, der zwar in den Auseinandersetzungen um den „Libellus de veritate conceptionis Beatae Virginis Gloriosae“ von 1476/1477 die Position der Dominikaner zurückwies, zugleich jedoch eine eindeutige Stellungnahme zugunsten der franziskanischen Position in der Konstitution „Cum praeexcelsa“ vermied.

Mariä Empfängnis als Fest der katholischen Kirche

Die römisch-katholische Kirche begeht in der Adventszeit, neun Monate vor dem Fest der Geburt Mariens (8. September), am 8. Dezember ein Fest, das diese Glaubensaussage feiert. Der vollständige Titel des Festes lautet: „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. Der deutsche Festkalender spricht auch von „Mariä Erwählung“. Das Fest ging aus dem ursprünglichen Fest „Mariä Empfängnis“ hervor, das als solches noch von der anglikanischen Kirche gefeiert wird. Die orthodoxe Kirche feiert Mariä Empfängnis am 9. Dezember, hat aber wegen ihres nicht-augustinischen Verständnisses der Erbsünde keine speziellen Lehren darüber.

Das Fest der Unbefleckten Empfängnis am 8. Dezember bezieht sich also nicht auf die Glaubenslehre, dass Jesus durch Maria jungfräulich empfangen und geboren worden sei. Maria selbst hatte einen leiblichen Vater, Joachim (bzw. Jojakim), verheiratet mit Anna bzw. Hannah.

Mariä Empfängnis als gesetzlicher Feiertag

In Österreich, Liechtenstein und den katholisch geprägten Kantonen der Schweiz (siehe Feiertage in der Schweiz) sowie in Argentinien, Spanien, Portugal, Italien und Malta ist Mariä Empfängnis ein gesetzlicher Feiertag.

In Österreich wird der 8. Dezember seit dem 17. Jahrhundert gefeiert. 1646 verkündete Kaiser Ferdinand III. im Dreißigjährigen Krieg die "Weihe Österreichs an die unbefleckt Empfangene".[2] Wegen der vorweihnachtlichen Einkaufszeit, in die dieser Feiertag fällt, war die Schließung der Geschäfte umstritten. Seit 1995 ist es durch eine Änderung des Gesetzes über die Ladenschlusszeiten möglich, auch an diesem Tag in vielen Läden und Kaufhäusern einzukaufen. Im Jahr 2008 hielt aber die Ladenkette BILLA an diesem Tag ihre Filialen wieder geschlossen.[3]

Nach der Partikularnorm für Deutschland ist die Immaculata conceptio kein gebotener Feiertag. In Bayern war dieser Tag bis einschließlich 1969 ein staatlich geschützter kirchlicher Feiertag gemäß § 2 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 des Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage (FTG) vom 15. Dezember 1949 (GVBl 1950 S. 41), ohne als gesetzlicher Feiertag gemäß § 1 FTG anerkannt gewesen zu sein.

Rezeption außerhalb der katholischen Kirche

Martin Luther bekannte zumindest in den ersten Jahren der Reformation, der Immaculata-Lehre anzuhängen. In einer gehaltenen Predigt legte er seinen Hörern noch 1520 dar, dass Maria in keinem Augenblick ihres Lebens mit der Erbsünde in Berührung gekommen sei. Als Mutter Christi habe sie Gott mit höchster Heiligkeit und Reinheit ausgezeichnet.[4]

Anders als die auf die Bibel gestützte Lehre von der Jungfrauengeburt wird die nicht direkt aus der Bibel ableitbare Lehre von der unbefleckten Empfängnis jedoch im Allgemeinen weder von evangelischen noch von orthodoxen oder altkatholischen Christen geteilt.

Kritische Sozialhistoriker sehen die dogmatisierte Immaculata-Lehre als Ausdruck krasser Frauendiskriminierung und als Manifest absolutistischer Kirchenpolitik, das jedweder biblischen Begründung entbehre. Kritische Kirchenhistoriker deuten das Dogma als Indikator einer restaurativen, ultramontan ausgerichteten Theologie und Frömmigkeit.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. DH 1400 DH 1425s
  2. Radio Vatikan Österreich: Eine Art "Staatsfeiertag" (vom 8. Dezember 2004)
  3. OÖ Nachrichten 8. Dezember: Billa bleibt wieder geschlossen (vom 26. November 2008)
  4. zur Debatte: Unbefleckt empfangen – Zur Theologie und Politisierung einer marianischen Glaubenslehre - Prof. Dr. Klaus Schreiner Heft 7 / 2008

Weblinks


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