Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen

Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen

Der Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen (UFJ) war eine vom US-amerikanischen Nachrichtendienst unterstützte deutsche Menschenrechtsorganisation, die sich der Aufdeckung rechtsstaatswidriger Verhältnisse in der DDR widmete. Der Vereinssitz war in Berlin-Zehlendorf in der Limastraße 29; im selben Berliner Stadtteil befanden sich auch die Auswertungsstellen der US-Nachrichtendienste in der Clayallee. Eine Erfassungsstelle des UFJ gab es im Notaufnahmelager Marienfelde. In Frankfurt am Main verfügte er über eine Außenstelle.

Der UFJ wurde im Herbst 1949 gegründet. Er sammelte systematisch Zeugenaussagen zu Menschenrechtsverletzungen in der DDR und erteilte davon Betroffenen rechtliche Unterstützung. Unter anderem wurden Gewerbetreibende aus der DDR in Enteignungsfragen beraten. Im Radiosender RIAS wurden in regelmäßigen Abständen vom UFJ zusammengestellte Listen mutmaßlicher Stasi-Spitzel verlesen.

Ab 1950 gab der UFJ Informationsbriefe, ab 1952 Dokumentationen und ab 1953 regelmäßige Berichte über Menschenrechtsverletzungen heraus. Seit 1961 veröffentlichte er das Lexikon SBZ-Biografie. Der UFJ führte eine Belastetendatei über DDR-Funktionäre. Die Datei umfasste nach zehn Jahren UFJ-Tätigkeit 1959 rund 115.000 Personen.

Für DDR-Bürger erschienen Rechtsratschläge, DDR-Anwalts- und Rechtsbeistandsverzeichnisse und Zeitungen, die heimlich in die DDR geschmuggelt wurden. Auch durch Ballonaktionen, Plakate und Graffiti machte der UFJ in der DDR auf sich aufmerksam. Die SED sollte sich "auf Schritt und Tritt beobachtet fühlen und wissen, dass das Recht nicht tot ist", so ein UfJ-Mitarbeiter. In den 1950er Jahren wurden auch Kindesentführungen aus der DDR vom UfJ organisiert.

Das DDR-Ministerium für Staatssicherheit denunzierte den UFJ als Diversions- und Spionage-Organisation, reagierte mit Infiltration, Menschenraub und Schauprozessen. Großes Aufsehen erregte der Fall des UFJ-Mitarbeiters Walter Linse aus Berlin-Lichterfelde. Er wurde im Juli 1952 nach Ost-Berlin entführt und 1953 im Moskauer Butyrka-Gefängnis erschossen.

Der UFJ wurde zunächst von der CIA finanziert, dann aber zunehmend und ab 1960 ausschließlich aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesamtdeutsche Fragen. 1969 wurde die Eigenständigkeit des UFJ beendet und die Organisation in das Gesamtdeutsche Institut des Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen überführt.

Leiter des UFJ war ab 1949 der Rechtsanwalt Horst Erdmann, der den Decknamen „Dr. Theo Friedenau“ führte. Er musste im Juli 1958 wegen unberechtigter Titelführung und verschwiegener HJ-Verstrickungen zurücktreten. Sein Nachfolger wurde das frühere NSDAP-Mitglied Walther Rosenthal.

Publikationen des UFJ

Der UFJ gab einen Pressedienst heraus sowie zwei Periodika:

  • Monatlich erschien ab 1957 die Zeitschrift „Deutsche Fragen“ (die vorher „Aus der Zone des Unrechts“ hieß).
  • Ebenfalls ab 1957 erschien die rechtswissenschaftliche Zeitschrift „Recht in Ost und West, Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme“ (später „für innerdeutsche Rechtsprobleme“) die von Götz Schlicht herausgegeben wurde.

Literatur

  • Frank Hagemann: Der Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen 1949 bis 1969. Lang, Frankfurt a.M. u.a. 1994, ISBN 3-631-47716-3
  • Siegfried Mampel: Der Untergrundkampf des Ministeriums für Staatssicherheit gegen den Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen in Berlin (West). Der Berliner Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, Berlin 1999, ISBN 3-934085-06-7, (Online, PDF, 4,7 MB)
  • Friedrich-Wilhelm Schlomann: Mit Flugblättern und Anklageschriften gegen das SED-System : die Tätigkeit der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) und des Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen der Sowjetzone (UfJ). Der Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Schwerin 1998

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