- Uranwirtschaft
-
Unter Uranwirtschaft werden sämtliche wirtschaftliche Aktivitäten verstanden, die von der Verarbeitung des Uranerzes zu einem verwertbaren Produkt über den Handel mit Uranprodukten bis zu seiner industriellen und militärischen Verwendung reichen. Die wirtschaftlichen Aktivitäten sind wegen der hohen Bedeutung für die Energieversorgung und für die Macht- und Sicherheitsfragen der Staaten in hohem Maße von politischen Einflüssen geprägt.
Inhaltsverzeichnis
Uranabbau
Der Uranabbau wird als Front End der Atomindustrie bezeichnet. Er kann als Tagebau, unterirdischen Abbau oder Lösungsbergbau erfolgen. Gelegentlich wird Uran auch als Nebenprodukt anderer Bodenschätze (z.B. Kupfer) gewonnen. Die derzeitige Jahresförderung beträgt etwa 44.000 Tonnen Uran (2008).[1]
Verarbeitung
Nach der Förderung wird das Uranerz in Mühlen zerkleinert, welche sich aus Kostengründen oft in der Nähe der Minen befinden. Dort werden die großen uranerzhaltigen Steinblöcke zu feinem Sand zermahlen, der zum Herauslösen des Urans mit Wasser und Chemikalien vermengt wird. Nach der chemischen Behandlung bleibt so genannter Yellowcake zurück, ein gelbes Feststoffkonzentrat, das zwischen 70 und 80 % Triuranoctoxid (U3O8) enthält.
Anreicherung
Uran kommt in der Natur als Gemisch dreier Isotope vor: 234U, 235U und 238U. Der Anteil des spaltbaren Isotops 235U beträgt nur 0,7 % und muss für die Nutzung in einem Leichtwasserreaktor durch Anreicherung erhöht werden. Zur Anreicherung wird gasförmiges Uranhexafluorid (UF6) entweder in Gaszentrifugen oder durch Gasdiffusion in eine leichtere und eine schwerere Fraktion getrennt. Der benötigte Anreicherungsgrad hängt vom Reaktortyp ab und liegt meist zwischen 2 und 5 %. Schwerwasserreaktoren wie der CANDU-Reaktor benötigen hingegen keine Anreicherung sondern verarbeiten Uran in natürlicher Isotopenzusammensetzung. Für den Bau effektiver Kernwaffen ist ein Anreicherungsgrad von mindestens 85 % nötig.
Anwendung
Uran wird heutzutage fast ausschließlich als Oxid in Kernkraftwerken für die Energiegewinnung verwendet. In Zeiten des Kalten Krieges wurde ein erheblicher Teil zu Kernwaffen verarbeitet; derzeit wird ein Teil des Kraftwerksbrennstoffes aus der Abrüstung dieser Waffen gewonnen.
Wegen seiner besonders hohen Dichte wird abgereichertes Uran als Gegengewicht in Flugzeugen[2] und zur Herstellung von panzerbrechender Uranmunition[3] verwendet.
Weltmarktpreis
Der Weltmarkt für Uran war und ist neben den kommerziellen Marktteilnehmern sehr stark durch staatliche Akteure geprägt, die zur Zeit des Kalten Krieges einen Teil der Nachfrage stellten und seit dessen Ende im Rahmen begrenzter Abrüstung als Verkäufer auftreten. Ein Großteil des Marktvolumens ist über langfristige Lieferverträge abgedeckt, nur ein sehr geringer Teil des jährlichen Bedarfs wird über den Spotmarkt umgesetzt, der deswegen anfällig für Preisschwankungen ist. So führten Produktionsausfälle in wichtigen Minen im Sommer 2007 zu einem Allzeithoch von 350 US-$/kg Uran, inzwischen ist der Uranpreis jedoch wieder bis auf 135 US-$/kg zurückgegangen (Stand: Juli 2009).
Konventionelle Uranvorräte
Unter konventionellen Uranvorräten versteht man Lagerstätten metallischen Erzes, aus denen Uran als Hauptprodukt oder als wichtiges Nebenprodukt gewonnen werden kann. Zur Zeit fallen alle Uranproduzenten in diese Kategorie. Bei der Beurteilung der verfügbaren Vorräte wird zwischen gesicherten Reserven, vermuteten Ressourcen und spekulativen Ressourcen unterschieden. Im Laufe des Jahres 2008 wurden 778.000 t Uran als neue Reserven und vermutete Ressourcen durch Explorationsunternehmen bekanntgegeben.[4]
Gesicherte Reserven
Von der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und der OECD Nuclear Energy Agency werden im so genannten Red Book[5] die nachgewiesenen (reasonably assured resources, RAR) und zu Kosten von bis zu 130 US-$/kg förderbaren Reserven für das Jahr 2007 mit 3,3 Mio. Tonnen angegeben (für eine kritische Würdigung der IAEO-Zahlen siehe Energy Watch Group[6]).
Vermutete Ressourcen
Zusätzlich führt das Red Book vermutete Ressourcen (inferred resources) in Höhe von 2,1 Mio. Tonnen förderbares Uran (bei Förderkosten von bis zu 130 US-$/kg) auf, deren Existenz nach Betrachtung direkter geologischer Hinweise wahrscheinlich ist.[5]
Unentdeckte Ressourcen
Weiterhin wird im Red Book der Urangehalt noch nicht entdeckter aber erwarteter Lagerstätten (prognosticated resources) zu 2,8 Mio. Tonnen und der Urangehalt möglicherweise existierender Lagerstätten (speculative resources) zu 4,8 Mio. Tonnen (jeweils förderbar zu max. 130 US-$/kg) angegeben.[5] Dazu kommen potentiell existente Lagerstätten von 3,0 Mio. Tonnen Uran ohne Angabe von Förderkosten, für die nicht sichergestellt ist, dass sie sich wirtschaftlich bzw. mit positiver Gesamtenergiebilanz fördern lassen.[7]
Im Gegensatz zu gesicherten Reserven und vermuteten Ressourcen wird hier im Red Book nicht der förderbare Urananteil sondern das Gesamtvorkommen zitiert. Bei der Interpretation den Daten muss daher berücksichtigt werden, dass sich – wie auch bei anderen Bodenschätzen – nicht der gesamte Urangehalt einer Lagerstätte wirtschaftlich gewinnen lässt: Je nach Art des Abbaus verbleiben ungefähr 10–30 % des Urans ungenutzt.
Unkonventionelle Uranvorräte
Die Ausbeutung unkonventioneller Lagerstätten ist zur Zeit nicht wirtschaftlich, in der Regel weil die Urankonzentration darin zu niedrig ist. Darunter fallen zum Beispiel Uranvorkommen in Schwarzschiefer, Phosphatgestein oder in Braunkohle. Auch die Gewinnung von Uranoxid aus radioaktiven Kohleaschen als Abfallprodukt von Kohlekraftwerken wird geprüft und wurde erfolgreich erprobt.[8]
Für die Ressourcen aus unkonventionellen Erzen gibt es laut Red Book stark unterschiedliche Schätzungen zwischen 7 und 22 Mio. Tonnen, jeweils ohne Angabe von Förderkosten.[5]
Nachdem im Meerwasser etwa 4 Mrd. Tonnen Uran gelöst sind (Gehalt 3,3 µg/l)[9] wird auch an Methoden zur Extraktion von Uran (und anderer Schwermetalle) aus Meerwasser geforscht. Bislang ist jedoch kein Verfahren bekannt, das bei heutigen Marktpreisen wirtschaftlich wäre. (Publikationen von H. Nobukawa geben zum Beispiel Kosten von 310 US-$/kg (1994)[10] bzw. 390 US-$/kg (2001)[11] an, während im Red Book 700 US-$/kg zitiert werden.[5])
Die weltweit jährlich für die Stromerzeugung verwendete Kohle enthält unter anderem etwa 10.000 t Uran und 25.000 t Thorium, die entweder in die Umwelt gelangen oder sich in Kraftwerksasche und Filterstäuben anreichern. Vereinzelt gibt es daher schon Bestrebungen, Uran aus Kraftwerksasche zu gewinnen.[12]
Reichweite der Uranvorräte
Ein Abschätzen der Reichweite bekannter Vorräte ist schwierig, da Uran im Gegensatz zu fossilen Energieträgern keinen eindeutig definierbaren Heizwert besitzt. Die extrahierbare Energie pro Gewichtseinheit ist stark vom Brennstoffkreislauf, dem benutzten Reaktortyp und der Kernbeladungsstrategie abhängig. Diese Eigenheit wird im unterschiedlichen Uranverbrauch einzelner Länder ersichtlich: So wird in Frankreich, das teilweise wiederaufgearbeitete MOX-Brennelemente einsetzt, laut Red Book[5] mit 59 MWh fast doppelt so viel Strom pro kg Natur-Uran erzeugt wie in den USA (34 MWh/kg Natur-Uran). Bei einem Uranpreis von 113 US-Dollar pro Pfund (2007) entsprach das einem Kostenanteil von 0,55 Eurocent pro erzeugter kWh Strom[13].
Legt man der Berechnung der Reichweite die gesicherten und die vermuteten Vorräte zu Grunde, so stehen dem jährlichen Verbrauch von 67.000 Tonnen Vorräte von 5,5 Mio. Tonnen gegenüber, was zu einer rechnerischen Reichweite von ungefähr 80 Jahren führt. Allerdings wird nach Red Book[5] von einer Steigerung des Uranverbrauchs auf 94.000–122.000 Tonnen bis zum Jahr 2030 ausgegangen, so dass sich die Reichweite entsprechend verringert.
Durch Einsatz von Brutreaktoren ließe sich theoretisch die Energieausnutzung und damit die Reichweite um bis zu Faktor 30–100 steigern.[14] Allerdings ist diese Technik schwer beherrschbar, so dass – obwohl in einigen Ländern einzelne Anlagen in Betrieb sind oder waren – bislang nicht nachgewiesen werden konnte, dass schnelle Brüter wirtschaftlich und sicher betrieben werden können.
Unabhängig von der Frage der Reichweite der Vorräte besteht die Möglichkeit, dass aufgrund begrenzter jährlicher Fördermengen bereits vor dem vollständigen Ausschöpfen der Vorräte Versorgungsengpässe eintreten. Von dem jährlichen Verbrauch von 67.000 Tonnen werden momentan lediglich etwa 40.000 Tonnen durch laufenden Uranabbau gedeckt, der Rest stammt aus staatlichen oder kommerziellen Lagerbeständen, aus der Aufarbeitung von Tailings oder abgebrannten Brennelementen und aus der Abrüstung.[5] Es wird davon ausgegangen, dass diese sogenannten sekundären Quellen insbesondere ab 2013 eine geringere Rolle spielen werden, und somit der Uranbergbau vor der Herausforderung steht, innerhalb relativ kurzer Zeit die jährliche Fördermenge deutlich zu erhöhen.[5]
Radioaktiver Abfall
Bei der Energiegewinnung in Kernreaktoren entstehen radioaktive Abfälle, die dauerhaft von der Biosphäre abgeschlossen werden müssen. Weder in Deutschland noch einem andern Land existiert bislang ein zugelassenes Endlager für hochradioaktiven Abfall.
Das bei der Abtrennung des Uranminerals aus dem rohen Uranerz als Schlamm zurückbleibende Begleitgestein (sog. Tailing) enthält neben Belastung durch Schwermetalle auch noch den Großteil der natürlichen Radioaktivität des Erzes. Zur Vermeidung von Umweltkontamination ist deswegen eine sachgemäße Lagerung unerlässlich.
Kritik
Die in der Verwertungskette der Uranwirtschaft entstehenden radioaktiven und chemischen Emissionen stoßen gemeinsam mit dem Risiko nuklearer Unfälle in der deutschen Öffentlichkeit auf breite Kritik, die sich in Anti-Atomkraft-Bewegungen sammelt und die den Atomausstieg bewirkt hat. International werden aufgrund der absehbaren Energiekrise infolge des Mangels an fossilen Brennstoffen wieder verstärkt Kernkraftwerke gebaut, vor allem in China und Russland.
Ökologische Probleme
Uranabbau ohne ausreichende Umweltschutzvorkehrungen führt regelmäßig zu großflächigen Umweltzerstörungen. Nachlässig angelegte Abraumteiche haben in der Vergangenheit mehrfach durch Sickerwasser oder Dammbruch zu chemischen (durch im Abraum enthaltene Schwermetalle oder zur Laugung verwendete Zyanide) und radioaktiven Belastungen von Grundwasser, Flüssen und Seen geführt.[15][16][17] In mehreren Fällen wurden dabei Indigene Völker radioaktiver Strahlung in gefährlichen Dosen ausgesetzt und durch die Verseuchung ihrer angestammten Ökosystemen der Lebensgrundlage beraubt.[18][19]
Ein konkretes Beispiel für Langzeitfolgen des Uranabbaus sind die ehemaligen Bergwerksstandorte im Osten Deutschlands. Seit 1990 werden die in der DDR-Zeit verursachten Umweltschäden mit einem Gesamtetat von 6,2 Milliarden Euro durch die Wismut GmbH saniert.[20]
Gesundheitliche Risiken
Arbeiter in kerntechnischen Anlagen und im Uranbergbau sowie deren Anrainer sind selbst bei Einhaltung strenger Strahlenschutzvorschriften einem erhöhten Strahlenrisiko ausgesetzt. Ein größeres Problem stellen jedoch Fälle dar, in denen entweder keine wirksamen Vorschriften existieren oder Betriebe sich über solche hinwegsetzen, wie zum Beispiel für Uranium City dokumentiert ist.[19][21]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ World Nuclear Association.
- ↑ U.S. Nuclear Regulatory Commission, Systematic Radilogical Assessment of Exemption for Source and Byproduct Materials, Abschnitt 3.17, S. 531–533.
- ↑ Uni Oldenburg: Informationen über Uran-Munition.
- ↑ P. Laznicka: Metal Resources Announced in 2008: Do they replenish the mined-out tonnages? SEG Newsletter, April 2009, The Society of Economic Geologists, Seite 23.
- ↑ a b c d e f g h i OECD Nuclear Energy Agency und Internationale Atomenergieorganisation: Uranium 2007: Resources, Production and Demand. OECD Publishing, 4. Juni 2008, ISBN 9789264047686 (http://browse.oecdbookshop.org/oecd/pdfs/browseit/6608031E.PDF, abgerufen am 7. Juli 2009).
- ↑ Uranium 2005, Hintergrundpapier der Energy Watch Group: Uranium Resources and Nuclear Energy. (engl.).
- ↑ Marcela Bilek, et. al.; Centre for Integrated Sustainability Analysis, University of Sydney, Australien (Hrsg.): Life-Cycle Energy Balance and Greenhous Gas Emissions of Nuclear Energy in Australia. 3. November 2006 (http://www.isa.org.usyd.edu.au/publications/documents/ISA_Nuclear_Report.pdf).
- ↑ von World Nuclear News.
- ↑ atomenergie.ch: Uran im Meerwasser.
- ↑ Bericht der US Regierung.
- ↑ Hisashi Nobukawa, et al.: A Barge-Type System for Extracting Uranium from Seawater Using Pump Units. In: Bulletin of the Society of Sea Water Science. 55, Nr. 3, Japan 2001, ISSN 0369-4550, S. 166–174 (http://sciencelinks.jp/j-east/article/200115/000020011501A0585208.php).
- ↑ http://www.world-nuclear.org/info/inf30.html
- ↑ J. Schindler, W. Zittel: Beitrag der Urankosten zu den Stromerzeugungskosten der Kernkraftwerke. Abgerufen am 28. März 2011.
- ↑ Daniel Lübbert, Felix Lange: Uran als Kernbrennstoff: Vorräte und Reichweite. In: Infobrief WF VIII G. 06, Nr. 069, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, 27. März 2006 (http://www.bundestag.de/wissen/analysen/2006/Uran_als_Kernbrennstoff-Vorraete_und_Reichweite.pdf).
- ↑ Uwe Peters: Radioaktivität kennt keine Reservatsgrenzen, in: Pogrom, Nr. 135, 1987, Gesellschaft für bedrohte Völker, Hannover.
- ↑ Reinhard Trink: Solange radioaktive Flüsse fließen - Uranabbau in den Black Hills (Süd Dakota), in: Pogrom, Nr. 135, 1987, Gesellschaft für bedrohte Völker, Hannover.
- ↑ Renate Domnick: Gold, das niemand braucht, in: Incomindios Newsletter, Nr. 78, April 1997.
- ↑ Peter Bosshard: Uranium does not fall from Heaven, in: Erklärung von Bern, 1990, Zürich.
- ↑ a b Peter H. Eichstaedt: If you poison us - Uranium and Native Americans. 1994, Red Crane Books, Santa Fee. ISBN 1-878610-40-6.
- ↑ Leupold, D., Paul., M., 2007. Das Referenzprojekt Wismut: Sanierung und Revitalisierung von Uranerzbergbau-Standorten in Sachsen und Thüringen. In: Proceedings des Internationalen Bergbausymposiums Wismut 2007 - Stilllegung und Revitalisierung von Bergbaustandorten zur nachhaltigen Regionalentwicklung. Wismut GmbH, Seite 21 bis 30.
- ↑ Oswald Iten: Uranium City: Sackgasse für Kanadas Indianer, in: Keine Gnade für die Indianer - Überlebenskampf von Alaska bis Bolivien. 1992, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich. ISBN 3-85823-353-6.
Literatur
- Peter H. Eichstaedt: If you poison us - Uranium and Native Americans. 1994, Red Crane Books, Santa Fee. ISBN 1-878610-40-6
Weblinks
- Peter Diehl: Reichweite der Uran-Vorräte der Welt. Greenpeace Deutschland, Berlin, Januar 2006.
- www.eh.doe.gov - Uranium Miners Resources - Establishment of Data-Based Criteria for Radon-Associated Lung Cancer
- BMWi: Uran reicht für 200 Jahre
- BMU: (Uran) Vorräte reichen beim gegenwärtigen Jahresverbrauch noch etwa 65 Jahre
- Aktuelle Informationen zum Uranmarkt
- Uran - der dreckige Atombrennstoff
Kategorien:- Uranbergbau
- Energiewirtschaft
- Kernbrennstofftechnik
Wikimedia Foundation.