- Battle of Agincourt
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Schlacht von Agincourt Teil von: Hundertjähriger Krieg
Zeitgenössische DarstellungDatum 25. Oktober 1415 Ort Azincourt (früher Agincourt), Frankreich Ausgang Englischer Sieg Konfliktparteien England Frankreich Befehlshaber Heinrich V. Jean II. Le Maingre, Charles I. d'Albret Truppenstärke ca. 6.000, davon 5.000 Bogenschützen (neue Erkenntnisse s. Text) ca. 11.000 Infanterie, 12.000 Kavallerie und 4.000 Bogen- und Armbrustschützen (neue Erkenntnisse s. Text) Verluste 1.600 Gefallene 10.000 Gefallene, 1.500 Gefangene Schlachten des Hundertjährigen Krieges (1337–1453) 1337–1360Cadzand – Ärmelkanal – Sluis – Saint-Omer – Auberoche – Caen – Blanchetaque – Crécy – Calais – Neville’s Cross – Les Espagnols sur Mer – Maupertuis
1369–1389Nájera – Montiel – La Rochelle
1415–1453Azincourt – Rouen – Baugé – Meaux – Cravant – Verneuil – Orléans – Jargeau – Meung-sur-Loire – Beaugency – Patay – Compiègne – Gerbevoy – Formigny – CastillonDie Schlacht von Azincourt (frz.: Bataille d'Azincourt, engl.: Battle of Agincourt) fand am 25. Oktober 1415, am Tag des Heiligen Crispian, bei Arras im nordfranzösischen Département Pas-de-Calais statt. Die Truppen von König Heinrich V. von England kämpften gegen das Heer von König Karl VI. von Frankreich, verschiedener französischer Edelherren und der Armagnacs. Es war einer der größten militärischen Siege der Engländer über die Franzosen während des Hundertjährigen Kriegs.
Fast 600 Jahre lang war man der Überzeugung gewesen, dass das englisch-walisische Heer den französischen Truppen zahlenmäßig und an Ausrüstung und Ausrüstungsqualität weit unterlegen war. Neueste Forschungen der britischen Professorin Anne Curry belegen jedoch, dass dem nicht bzw. nur sehr bedingt so war.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Der erst seit zwei Jahren regierende englische König Heinrich V. beanspruchte als Angehöriger des Hauses Anjou-Plantagenet auch den französischen Thron und erneuerte damit den Hundertjährigen Krieg. Um seine Stellung auf dem Thron zu festigen, versuchte Heinrich V. von innerenglischen Auseinandersetzungen abzulenken, z. B. den Adelsaufständen im Norden, die sein Vorgänger Heinrich IV. nur mit Mühe hatte unterdrücken können, und dem Bürgerkrieg, der durch die Verfolgung der Anhänger John Wyclifs, den Lollarden, ausgelöst worden war. Systematisch warb Heinrich V. deshalb vorwiegend ein professionelles Heer von erfahrenen, von ihm direkt bezahlten, gut ausgerüsteten und ergebenen Soldaten an, die, anders als die feudalen Ritterheere, bei Gefangennahme nicht auf Auslösung hoffen konnten. Von Southampton kommend landete er am 14. August 1415 in Harfleur, Département Seine-Maritime, in der Normandie.
Auf französischer Seite stand ihm der geisteskranke König Karl VI. gegenüber. Unter seinen Reichsverwesern waren der Herzog von Burgund, Johann Ohnefurcht, und der Herzog von Orléans, Charles de Valois, duc d’Orléans, die mit ihren Parteien der Cabochiens (= Pariser Zünfte) und der Armagnacs einen Machtkampf austrugen, der die französische Seite im Krieg gegen die Engländer nahezu paralysierte. Kein französisches Entsatzheer kam der belagerten Stadt Harfleur zu Hilfe, die am 22. September kapitulierte. Zwar fand nach dem Fall Harfleurs eine Mobilmachung der Lehnsheere in den französischen Provinzen statt, aber die Heere der Herzöge von Orléans und Burgund hätten sich vermutlich auf ihrem Marsch an die Front gegenseitig bekämpft, wenn die beiden Herzöge ihnen vorangeschritten wären. So blieb das Heer des burgundischen Herzogs Johann Ohnefurcht zurück und der Connétable, Charles I. d'Albret, ein kluger junger Ritter, kommandierte die französische Streitmacht. Dieser hatte aus dem Studium der vorangegangenen Kämpfe mit den englischen Expeditionsheeren in Crécy 1346 und Poitiers 1356 die verheerende Wirkung der Langbogenschützen fürchten gelernt. Deshalb versuchte er die direkte Konfrontation der beiden Heere möglichst lange herauszuzögern, entgegen dem Wunsch der französischen Ritter, an ihrer Spitze der Herzog von Alençon, die wegen der Aussicht auf Ruhm und Ehre bei der vierfachen Überlegenheit einer schnellstmöglichen Konfrontation entgegenfieberten.
Das englische Expeditionsheer war durch den erstaunlicherweise wochenlangen Kampf um Harfleur geschwächt. Viele englische Soldaten waren verletzt worden. Heinrich V. hatte Verletzte und Beute mit den wenigen verbliebenen Schiffen nach England zurückgeschickt. Mit diesem von Tag zu Tag durch eine Ruhrepidemie stärker geschwächten Heer zog Heinrich V. nach Calais (seit 1347 die letzte Bastion der englischen Krone in Nordfrankreich), wo er sich auf die kommenden Kampfhandlungen vorbereiten wollte. Entlang der Somme hatten französische Truppen die Brücken rechtzeitig besetzt, so dass die englische Streitmacht auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Somme zu überqueren, immer größere Wege zurücklegen musste. Als sie schließlich eine unverteidigte Brücke fanden, bezog das französische Heer auf einer Anhöhe bei Maisoncelle in Sichtweite der Engländer Stellung.
Verlauf und Ergebnis
In der Schlacht stand den etwa 1000 Rittern und etwa 5000 Bogenschützen der Engländer ein Heer von ca. 25.000 Mann der Franzosen gegenüber. Erstmals in der Geschichte gelang es hier englischen Fußtruppen, den Angriff schwerer Reiterei durch den massiven Einsatz von Langbogenschützen vor den eigenen Reihen weitgehend zu zerschlagen. Englische Langbogenschützen waren in der Lage, bis zu 10 Pfeile in der Minute zu verschießen. Zwar hielten, nach neuestem Forschungsstand, die Rüstungen der französischen Ritter den englischen Pfeilen stand – ihre Pferde aber nicht. Der Pfeilhagel auf die französische Reiterei war im Stande, die schlechter als die Reiter geschützten Pferde zu töten oder zu verletzen. Die Pfeilspitzen waren zudem aus relativ weichen Metalllegierungen die sich beim Aufprall zum Teil stark deformierten. Eine Wiederverwertbarkeit durch den Feind war so nahezu ausgeschlossen. Ein von einem Langbogen geschossener Pfeil konnte noch auf 200 Meter einen Ritter treffen. Panisch flüchteten verletzte Pferde in die Reihen des französischen Heeres und trampelten die Nachrückenden nieder. Die Engländer hatten sich taktisch gut zwischen zwei Wäldern positioniert, wodurch ein geplanter Flankenangriff der französischen Kavallerie nicht stattfinden konnte. Zudem waren durch die Eile auf französischer Seite die Armbrust- und Bogenschützen in den hinteren Reihen positioniert worden, wodurch sie nicht effektiv eingesetzt werden konnten. Weiterhin zahlte sich beim Aufeinandertreffen der Heere aus, dass die englischen Soldaten Berufssoldaten waren und nicht zurückwichen. Viele der französischen Edelleute, aus denen sich die schwere Reiterei hauptsächlich rekrutierte, starben auf dem Schlachtfeld. Allein in den ersten zwei Stunden der Schlacht starben mindestens 5.000 französische Ritter. Unter ihnen waren 3 Herzöge, 5 Grafen und 90 Barone (siehe unten). Da diese Edelleute auch wichtige politische, administrative und wirtschaftliche Funktionen im Land ausübten, war dieser Verlust ein noch härterer Schlag für Frankreich.
Als Heinrich V. in Folge eines französischen Angriffs auf sein Lager, der wohl schon einige Tage zuvor von den Franzosen geplant worden war und vom ortsansässigen Kleinadel durchgeführt wurde, eine Niederlage befürchtete, befahl er die Ermordung gefangener französischer Ritter und Soldaten bis auf einige wenige Edelleute. Zunächst weigerten sich die englischen Bogenschützen, da jeder Gefangene ihnen ein sicheres Lösegeld versprach. Erst als der englische König einen ausdrücklichen Befehl aussprach, wurden den Gefangenen die Kehlen durchgeschnitten oder sie wurden einfach in Scheunen gesperrt und diese dann angezündet.
Militärisch war Frankreich so nachhaltig geschlagen, dass der englische Regent Heinrich V. seine Kriegsziele in den Folgejahren durchsetzen konnte, Caen besetzte und schließlich fünf Jahre später der französischen Krone den Vertrag von Troyes (1420) aufzwang, durch den er die französische Prinzessin Katharina von Valois heiratete und sich zum Nachfolger des französischen Königs Karl VI. machte.
Das Ausmaß der Niederlage Frankreichs führte auch zu einer Neuausrichtung der burgundischen Politik, die 1420 im Vertrag von Troyes zum Tragen kam. Der König von England wurde von den Burgundern als König von Frankreich anerkannt, um auf die Bildung eines unabhängigen Reiches hinzuarbeiten.
Die Schlacht von Azincourt als patriotischer britischer Mythos
Die Schlacht von Azincourt ist die am besten und umfangreichsten dokumentierte Schlacht des Mittelalters. Viele der Originaldokumente wie Stammrollen, Steuerunterlagen, Briefe und sogar der von den Franzosen ca. zwei Wochen vor dem Ereignis angefertigte Schlachtplan sind über die Jahrhunderte erhalten geblieben und befinden sich verstreut in zahlreichen Bibliotheken. Diese Tatsache allein ist Hinweis genug auf die Bedeutung, die dem Treffen von beiden Seiten bis in die jüngste Vergangenheit beigemessen wurde. Noch 1944, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde in Großbritannien mit großem Aufwand und unter der Regie von Laurence Olivier Shakespeares Drama „Heinrich V.“ (mit Olivier in der Hauptrolle) verfilmt, um den Briten im Kampf gegen die Deutschen propagandistisch den Rücken zu stärken.
Auch nach fast 600 Jahren ist die Schlacht immer noch tief im kollektiven Bewusstsein der Briten als größter englischer Sieg der (Militär-) Geschichte verankert – nicht zuletzt auch deshalb, weil es ein Sieg gegen den „Erzfeind“, die Franzosen, war. So taucht Azincourt neben den Schlachten von Trafalgar (1805 gegen Villeneuve) und Waterloo (1815 gegen Napoléon) in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen in der britischen Regenbogenpresse auf, wenn es um das aktuelle (in diesen Fällen immer angespannte) Verhältnis des Königreiches zu seinem Nachbarn Frankreich geht.
Dieses jahrhundertealte Bild vom Sieg der wenigen englischen „Underdogs“ gegen die überwältigende Übermacht der Franzosen scheint allerdings aufgrund neuester Forschungsergebnisse einer z. T. erheblichen Wandlung unterworfen zu werden.
Mehrere hundert Jahre hindurch hatte die „offizielle“ (englische) Version gegolten: Heinrich V. und seine Mannen sahen sich einer riesigen gegnerischen Übermacht gegenüber. Bis vor wenigen Jahren noch glaubte man an ein Verhältnis von 4:1 zu Gunsten der Franzosen. Jedoch weisen neuere Forschungen von Anne Curry, Professorin für Geschichte des Mittelalters an der Universität von Southampton darauf hin, dass das zahlenmäßige Übergewicht der Franzosen wesentlich geringer war.[1].
Prof. Curry untersuchte die Original-Stammrollen, die sich in London (The National Archives) und Paris (Bibliothèque nationale de France) befinden, und kam nach Zählung der Namen und Auswertung sonstiger Daten zu dem Ergebnis, dass die Truppenzahl auf englisch-walisischer Seite höher, auf französischer Seite aber im Gegenzug erheblich niedriger war, als bislang immer berichtet wurde.
Prof. Curry kommt in ihrem erst im Mai 2005 erschienenen Buch Agincourt – A New History zu dem Urteil, dass die Franzosen den Engländern und Walisern zwar immer noch zahlenmäßig überlegen waren – allerdings nicht 4:1, sondern lediglich 3:2. Auf Seiten der Franzosen standen demnach 12.000 Bewaffnete, während Engländer und Waliser zusammen auf 8.000 kamen. Die im o. g. Buch dargestellten Ergebnisse werden von zahlreichen Experten für Mittelaltergeschichte gewürdigt.
Nach Aussage von Prof. Curry handelt es sich bei der Schlacht von Azincourt um einen Mythos, der um Heinrich V. herum konstruiert wurde, um seine Reputation als König zu steigern. Nicht zuletzt erheblich zu diesem Mythos beigetragen hat Shakespeares Drama Heinrich V. aus dem Jahre 1599.
Siehe auch
Namentlich bekannte Opfer der Schlacht
Auf englischer Seite
- Edward of Norwich, 2. Herzog von York, 42 Jahre
- Michael de la Pole, 3. Earl of Suffolk, 21 Jahre
Auf französischer Seite
- Johann I., Herzog von Alençon, 40 Jahre
- Anton, Herzog von Brabant und Limburg, 31 Jahre
- Eduard III., Herzog von Bar
- Jean de Montaigu, Erzbischof von Sens
- Charles I. d'Albret, Graf von Dreux
- Friedrich I., Graf von Vaudémont, 47 Jahre
- Johann VI., Graf von Roucy und Braine
- Philipp von Burgund, Graf von Nevers und Rethel, 27 Jahre
- Wilhelm IV., Graf von Tancarville
- Jean IV. de Bueil
- Charles de Montaigu, Vidame de Laon, 19 Jahre
- Jean de Craon, Vizegraf von Châteaudun
- Pierre d'Orgemont, Herr von Chantilly
- Hugues III. d'Amboise, Vater von Pierre d'Amboise
In englischer Gefangenschaft
- Karl, Herzog von Orléans, 1415–1440
- Johann I., Herzog von Bourbon, 1415–†1434
- Georges de La Trémoille, Graf von Guînes, 1415–…
- Jean II. Le Maingre, Marschall von Frankreich, 1415–†1421
- Arthur de Richemont, 1415–1420, später Herzog von Bretagne
Einzelnachweise
- ↑ The Sunday Times, May 29, 2005 Henry V’s payroll cuts Agincourt myth down to size Richard Brooks, Arts Editor
Literatur
- Juliet Parker: Agincourt: Henry V and the Battle That Made England. ABACUS, ISBN 0-316-01504-0.
- Anne Curry (Hrsg.): Agincourt 1415. Henry V., Sir Thomas Erpingham and the Triumph of the English archers. Tempus, Stroud 2000, ISBN 0-7524-1780-0.
- Anne Curry: The Battle of Agincourt. Sources and Interpretations. Boydell, Woodbridge 2000, ISBN 0-85115-802-1.
- Anne Curry: Agincourt. A New History. Tempus, Stroud 2005, ISBN 978-0-7524-3813-9.
- Christopher Hibbert: Agincourt.Batsford, London 1964.
- Nicholas Hooper, Matthew Bennett: The Cambridge Illustrated Atlas Warfare. The Middle Ages, 732–1487. Cambridge University Press, Cambridge 1996, ISBN 0-521-44049-1, S. 120.
- John Keegan: Das Antlitz des Krieges. Econ, Düsseldorf 1978, ISBN 3-430-15290-9.
- Friedrich Niethe: Die Schlacht bei Azincourt. Ein Beitrag zur mittelalterlichen Kriegsgeschichte. Nauck, Berlin 1906.
- Hagen Seehase, Ralf Krekeler: Der gefiederte Tod. Die Geschichte des englischen Langbogens in den Kriegen des Mittelalters. Hörnig, Ludwigshafen 2001, ISBN 3-9805877-6-2.
- Johann Baier: Die Schlacht bei Agincourt. Hörnig, Ludwigshafen 2006, ISBN 978-3-938921-01-2.
Weblinks
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