Verbalphrase

Verbalphrase

Eine Verbalphrase (VP) oder Verbalgruppe (VG) bezeichnet in der Linguistik eine Phrase, also eine Gruppe von zusammengehörigen Wörtern, deren so genannter Kopf oder Kern ein Verb ist. Zu einer vollständigen Verbalphrase gehören daneben noch die Argumente des Verbs (das sind in der traditionellen Schulgrammatik das Subjekt und die Objekte). Optional können weitere freie Ergänzungen wie adverbiale Bestimmungen vorhanden sein.

Inhaltsverzeichnis

Kopf einer Verbalphrase

Der Kopf einer Verbalphrase kann finit oder infinit sein; eine finite Form des Verbs zeigt Person, Numerus, Tempus und Diathese (Handlungsform) an; z. B. bin (1. Person, Singular, Präsens, Indikativ), würdet (2. Person, Plural, Präsens, Konjunktiv), zeichneten (3. Person, Plural, Präteritum, Indikativ oder Konjunktiv). Eine infinite Form trägt solche Markierungen nicht. Die infiniten Verbformen sind der Infinitiv (z. B. gehen, sein, werden) sowie das Partizip Präsens (z. B. schwimmend, lesend, fordernd) und das Partizip Perfekt (z. B. getragen, beantwortet, ausgerichtet). Ein finiter Kopf einer Verbalphrase entspricht in der traditionellen Grammatik dem Prädikat eines Satzes, und eine gesamte Verbalphrase mit finitem Kopf und den notwendigen Argumenten entspricht einem Satz. Dabei kann es sich sowohl um einen Hauptsatz als auch um einen Nebensatz handeln. Verbalphrasen mit infinitem Kopf bilden auf Satzebene Infinitv- und Partizipialgruppen, die als unterschiedliche Satzkonstituenten fungieren können.

Da Tempus und Modus (im Deutschen Aktiv und Passiv), teils auch Diathese im Deutschen vielfach mit mehreren Verbelementen ausgedrückt werden müssen, enthält in solchen Fällen eine Verbalphrase als Kopf einen so genannten Verbalkomplex aus mehreren solchen Bestandteilen; z. B. wurden beantwortet (Präteritum/Imperfekt, Passiv), wären beantwortet worden (Perfekt, Passiv), werden beantwortet werden müssen (Futur, Passiv).

Argumente einer Verbalphrase

Je nach Valenz des Vollverbs, also je nachdem, wie viele semantischer „Mitspieler“ ein Verb verlangt, benötigt eine Verbalphrase unterschiedlich viele Argumente, um vollständig zu sein. Solche notwendigen Argumente werden auch als „Aktanten“ bezeichnet. (In den Beispielsätzen werden die zusammengehörenden Wörter, die eine jeweils zu demonstrierende, ergänzende Phrase bilden, in eckige Klammer gestellt.)

Verbalphrasen mit einem Argument

Verben, die aus semantischer Sicht nur ein Argument benötigen, haben zwingend nur das Subjekt neben sich. Dieses besteht stets aus einer Nominalphrase im Nominativ.

  • Subjekt im Nominativ: [Peter] schläft. – [Sie] hat gesungen. – [Der wilde, unfreundliche Hund des Nachbarn] wird bellen.
Verbalphrasen mit zwei Argumenten

Neben dem notwendigen Subjekt beinhalten Verbalphrasen mit zwei Argumenten noch ein direktes Objekt, das mehrheitlich als Nominalphrase im Akkusativ erscheint:

  • Akkusativobjekt: Peter trinkt [Bier]. – Sie singt [ein von ihr selbst komponiertes Lied]. – Der wilde, unfreundliche Hund des Nachbarn hat [mich] gebissen.

Weniger oft gibt es deutsche Verben mit zwei Aktanten, die statt des direkten Objekts ein indirektes Objekt verlangen. Dieses steht meist im Dativ oder (seltener) im Genitiv:

  • Dativobjekt: Peter gefällt [ihr].
  • Genitivobjekt: Peter gedenkt [seiner verstorbenen Eltern].

Als Subjekt- und Objektargumente können aber auch (selber mit einem Argument versehene) infinite Verbalphrasen erscheinen:

  • Subjekt: [(Ein von ihr selbst komponiertes Lied) zu singen], gefällt ihr.
  • Objekt: Peter bevorzugt [(Bier) zu trinken].
Verbalphrase mit drei Argumenten

Verbalphrasen mit dreiaktantigen Verben enthalten im Regelfall (im Deutschen) das Subjekt, ein direktes Objekt im Akkusativ und ein indirektes Objekt im Dativ:

  • [Peter] kauft [seiner neuen Freundin] [ein teures Geschenk].– [Sie] gibt [es] [ihm] zurück.
Freie Bestimmungen

Unabhängig von der Aktantenzahl des Verbs können weitere Bestimmungen in unterschiedlicher Anzahl vorhanden sein. Diese sind jedoch aus syntaktischer Sicht nicht zwingend erforderlich. Solche optionalen Argumente können etwa Adjektive, Adverbien oder Präpositionalphrasen sein und erscheinen beispielsweise so:

  • Adjektiv: Peter schläft [unruhig].
  • Adverb: Sie hat [wieder] gesungen.
  • Präpositionalphrasen: Der wilde, unfreundliche Hund des Nachbarn wird [die ganze Nacht über] [ohne Unterlass] bellen.
Sonderformen

Es gibt im Deutschen einige wenige Verben, die semantisch keine Argumente brauchen, wie die Witterungsverben regnen, schneien etc. Die syntaktische Struktur eines deutschen Satzes verlangt aber, dass die Position, in der sich das Subjekt befindet, nicht leer sein darf. Daher wird in solchen Fällen, um eine vollständige Verbalphrase zu bilden, ein syntaktisches Element eingefügt, das keinen semantischen Gehalt hat: das so genannte expletive „es“: Es regnet. – Gestern schneite es. – weil es heute Abend hageln wird.

Wortstellung

Die Wortstellung, also die Anordnung der einzelnen Argumente innerhalb der Verbalphrase, ist unabhängig vom Kopf der Phrase und somit unabhängig von der Anzahl der benötigten Verbargumente oder vom Verbtyp (Hilfsverb, Modalverb, Vollverb). Vielmehr wird die Reihung der Satzkonstituenten vom syntaktischen Typus der jeweiligen Einzelsprache bestimmt – nämlich in welcher Reihenfolge die Satzglieder Subjekt, Verb und Objekt im unmarkierten Fall auftreten. Auch die Positionierung der optionalen Argumente innerhalb der finiten Verbalphrase (und somit innerhalb des gesamten Satzes) wird von anderen Faktoren beeinflusst.

Siehe auch


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