- Vitamin B9
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Strukturformel Allgemeines Trivialname - Vitamin B9
- Vitamin B11
Andere Namen - Folsäure
- Pteroyl-mono-glutaminsäure
- L-Folsäure
- IUPAC: N-(4-(((2-Amino-4-hydroxypteridin-6-yl)methyl)amino)benzoyl)glutaminsäure
Summenformel C19H19N7O6 CAS-Nummer 59-30-3 ATC-Code B03BB01
Kurzbeschreibung orangegelbes, kristallines Pulver Vorkommen Weizenkeime, Rinderleber, Bohnen, Hefe, Vollkornbrot, Spinat, Grünkohl und Spargel, Nüsse, Obst, Fisch und Eigelb Physiologie Funktion Übertragung von C1-Gruppen bei biochemischen Reaktionen Täglicher Bedarf 60–600 µg[1] Folgen bei Mangel Zellteilungsstörungen (als Folge: Megaloblastäre Anämie), Neuralrohrdefekte bei der Embryogenese Überdosis 15 mg/Tag Eigenschaften Molare Masse 441,40 g·mol−1 Aggregatzustand fest Schmelzpunkt 250 °C (Zersetzung) Löslichkeit schlecht löslich in Wasser (1,6 mg/l bei 25 °C) Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Die Folsäure, auch Vitamin B9 (Deutschland, USA), Vitamin B11 (weltweit) oder Folat genannt, ist ein 1941 entdecktes, hitze- und lichtempfindliches Vitamin aus dem B-Komplex. Mangelnde Folsäureversorgung von empfangenden Frauen führt in Europa zur Geburt von jährlich Tausenden an Neuralrohrerkrankungen wie Spina bifida leidenden Kindern.
Folsäure setzt sich chemisch zusammen aus einem Pteridin-Derivat, para-Aminobenzoesäure und L-Glutaminsäure.
Inhaltsverzeichnis
Vorkommen
Als essentielles Vitamin, welches der menschliche Organismus nicht selbst herstellen kann, muss Folsäure mit der Nahrung aufgenommen werden. Folsäure ist in geringen Mengen in Vollkornprodukten, grünem Blattgemüse, rote Bete, Spinat, Brokkoli, Karotten, Spargel, Rosenkohl, Tomaten, Eigelb und Nüssen enthalten. Auch in Obst, Fisch und Fleisch finden sich geringe Mengen davon. Zu den natürlichen Folsäurelieferanten zählen insbesondere Weizenkeime und -kleie mit bis zu 400 µg je 100 Gramm sowie Kalbs- und Geflügelleber mit jeweils rund 100 µg je 100 Gramm.[2]
Biologische Funktion
Folsäure ist durch ihre zentrale Stellung in der Purinbiosynthese für die DNA-Replikation notwendig und spielt daher insbesondere in der Schwangerschaft, sowie bei sich häufig teilenden Zellen (z. B. Knochenmark) eine entscheidende Rolle. Folsäure, wie auch seine reduzierten Formen, Dihydro- und Tetrahydrofolat (DHF, THF), agieren als Überträger von Kohlenstoff in Form von Methyl-, Methenyl-, Formyl- und anderen Resten.
Aufnahme und Speicherung
Um zunächst in das Zellinnere zu gelangen, angefangen mit den Darm-Mucosa-Zellen, ist das Folsäuremolekül auf die Anwesenheit des Transportproteins protonengekoppelter Folattransporter angewiesen, der ebenfalls für den Export in die Blutbahn zuständig ist. THF und 5-Derivate des THF benutzen den Folattransporter 1 für den Import, auch und besonders im Darm. Folat, DHF und THF können in die Mitochondrien mittels des mitochondrialen Folattransporters wechseln.
Folat und seine Derivate werden durch Bindung an Polyglutamat im Zytosol und den Mitochondrien der Zellen gespeichert. Nur so können viele der kohlenstoffübertragenden Reaktionen stattfinden. Für die Bindung insbesondere von DHF und THF wird das Enzym Folylpolyglutamat-Synthetase benötigt.[3]
Folatüberschuss führte in Zellkulturen zu einem signifikanten Rückgang der Expression aller folattransportierenden Proteine (PCFT, RFC, Folatrezeptor) in Darmzellen.[4]. Im menschlichen Organismus können Folsäureüberschüsse einen Vitamin-B12-Mangel verdecken.
Industrielle Produktion
Folsäure wird in der chemischen Industrie im Tonnenmaßstab in einem bereits 1968 entwickelten Verfahren hergestellt.[5] In einer Dreikomponenten-Reaktion werden die Rohstoffe p-Methylaminobenzoyl-L-glutaminsäure, 1,1,3-Trichloraceton und 2,4,5,6-Tetraaminopyrimidin verwendet. Als Zusatzstoffe werden Natriumcarbonat und Natriumsulfit zugegeben. Für eine optimale Ausbeute muss der pH mit Salzsäure auf etwa 3,5 gesenkt werden.
Vitaminverluste
Das Vitamin ist empfindlich gegenüber Licht (insbesondere UV-Strahlung), Sauerstoff, Schwermetallen und Erhitzen, sowie (wenn auch sehr gering) gegenüber Wasser.[6] Daher sollten zu intensives Wässern und zu lange Lager- und Kochzeiten vermieden werden. Auch auf die menschliche Haut treffende intensive Sonnenstrahlung reduziert die Folsäure im Körper. Bei hellhäutigen Menschen ist der Effekt besonders stark.[7]
Folsäure-Mangel und Fehlbildungen
Ein Folsäuremangel im menschlichen Körper wirkt sich auf das Blutbild aus, indem er zu einer hyperchromen makrozytären Anämie führen kann. Der Mensch kann maximal 12 bis 15 mg Folsäure speichern; dies entspricht einem Vorrat für drei bis vier Monate. Im Normalfall enthält das Blutserum 5–20 μg/l, die Erythrocyten zwischen 160 und 640 μg/l des Vitamins. Bei einem Mangel fällt der Serumspiegel zuerst ab,[8] weshalb meist dieser über Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) oder über Chemolumineszenz bestimmt wird.[6] Sehr oft tritt ein Folsäuremangel als Folge von erhöhtem Alkoholkonsum, Erkrankungen des Dünndarms oder Lebererkrankungen auf.[8] Bei Frauen ist der Folsäurebedarf bei Einnahme von empfängnisverhütenden Mitteln sowie innerhalb der Schwangerschaft erhöht.[6]
In der Embryonalentwicklung begünstigt ein Folsäuremangel die Entstehung von Neuralrohrdefekten wie eine Spina bifida oder Anenzephalie. Er soll außerdem Einfluss auf eine Frühgeburtlichkeit haben. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 800 Kinder mit einem Neuralrohrdefekt geboren, mithin ist etwa einer unter tausend Neugeborenen betroffen; hinzuzurechnen sind wegen Spina bifida abgebrochene Schwangerschaften. Folsäuremangel führt zu einer perniziösen Anämie (hyperchrome makrozytäre Anämie). Die Mitverantwortung der Folsäure an der Zellreifung, -differenzierung und -teilung, insbesondere die der roten und weißen Blutkörperchen und der Schleimhautzellen wird zur Zeit in mehreren Universitäten und Forschungslabors untersucht. Bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, beispielsweise der Arteriosklerose, soll ebenfalls auf ausreichende Folsäureversorgung geachtet werden. Der Wert für die Aminosäure Homocystein im Blut gilt als kardiovaskulärer Risikofaktor. Homocystein wird mit Hilfe der Folsäure und Vitamin B12 in Methionin umgewandelt; die positiven Auswirkungen erhöhter Folsäuregaben – die unter anderem den Homocystein-Spiegel absenken – auf den Verlauf von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind jedoch umstritten.
Diskussion um Folsäure-Versorgung
Die empfohlene Tagesdosis nach RDA beträgt 400 µg. Die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 1. Auflage 2001 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., empfehlen mit Blick auf die zusätzliche Vorbeugung von Arteriosklerose 600 µg für gesunde Erwachsene, 800 µg für Schwangere und für stillende Mütter.[9] Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Aufnahme von ca. 400 Mikrogramm Folsäure (Frauen mit Kinderwunsch perikonzeptionell 600 Mikrogramm). „Neuere Untersuchungen zeigen, dass erst ab einer täglichen Einnahme von 800 µg Folsäure und weiteren B-Vitaminen die Zahl von Neuralrohrdefekten sowie angeborenen Herzfehlern deutlich reduziert werden kann.“ (Quelle: Ärzte Zeitung.).
Da zwei Drittel der Erwachsenen in Deutschland durchschnittlich weniger als 300 Mikrogramm täglich aufnehmen, fordern Kinderärzte und einige Gesundheitspolitiker, dem Grundnahrungsmittel Mehl Folsäure beizumengen. Auf diese Weise soll insbesondere Fehlbildungen bei der Neuralrohrbildung vorgebeugt werden, die in den ersten drei Schwangerschaftswochen und damit zu einem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Schwangerschaft in der Regel noch nicht bekannt ist. In den USA und in Kanada ist ein Folsäurezusatz in Mehl gesetzlich vorgeschrieben. Seit dem Mehl Folsäure zugesetzt wird, kommen in diesen Ländern nur noch etwa halb so viele Kinder mit Neuralrohrdefekten wie beispielsweise einer Spina bifida, einer Anenzephalie oder einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte zur Welt.[10]
Aus Sicht des Verbraucherschutzministeriums bedarf es in Deutschland keiner Beimengungspflicht.[11] Auch Ernährungsexperten der Verbraucherzentralen u. a. sprechen sich gegen eine Zwangsanreicherung des Mehls mit Folsäure aus, da der Verbraucher auf natürlichem Wege mit Obst, Gemüse und Vollkornbrot ausreichend Folsäure aufnehmen könne und es ihm überdies freistehe, Nahrungsergänzungsmittel oder auch im Handel angebotene, folsäureangereicherte Müsliriegel, Getränke, Milchprodukte oder Kochsalz zu erwerben.
Im Januar 2000 begann die Stiftung Folsäure Offensive Schweiz eine nationale Präventionskampagne mit dem Ziel, die Folsäure-Lücke gemäß dem 4. Schweizer Ernährungsbericht 98 des Bundesamtes für Gesundheit zu schließen. Über dreihundert Produkte wurden seither mit Folsäure angereichert, welche mit dem Logo Folsäure-Lebensvitamin ausgezeichnet werden. Dank dieser Kampagne konnte der Bekanntheitsgrad der Folsäure-Prävention von 38 % auf 65 % gesteigert werden.
Weblinks
- Swiss Forum For Sport Nutrition: Infoblatt Folsäure (PDF)
- Gesundheitliche Bedeutung der Folsäurezufuhr in Deutsches Ärzteblatt (falsche Maßeinheit im Artikel: Milli- statt Mikro-!)
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Gesundheitliche Bedeutung der Folsäurezufuhr (PDF)
- Folsäure zur Verhütung von Neuralrohrdefekten (PDF)
- Seminararbeit: Folsäure (PDF)
- Lehrmaterial (PDF)
- Datenblätter Naturstoffe: Folsäure (PDF)
Quellen
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Ernährung – Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr
- ↑ Sven-David Müller, Karin Raschke: Das Kalorien-Nährwert-Lexikon. 2004 S. 28.
- ↑ reactome.org: Metabolism of folate and pterines
- ↑ Ashokkumar B, Mohammed ZM, Vaziri ND, Said HM: Effect of folate oversupplementation on folate uptake by human intestinal and renal epithelial cells. In: Am. J. Clin. Nutr.. 86, Nr. 1, July 2007, S. 159–66. PMID 17616776
- ↑ http://www.springerlink.com/content/r417682643324827/fulltext.pdf?page=1
- ↑ a b c W. G. Guder, J. Nolte: Das Laborbuch für Klinik und Praxis. Elsevier, 2005, ISBN 9783437233401
- ↑ I. Kronberg: Geografische Verteilung der Hautfarbe In: Biologie in unserer Zeit. Vol. 6 (2), Pages 76 - 77, 29. März 2006
- ↑ a b H.-W. Baenkler: Innere Medizin: 299 Synopsen, 611 Tabellen. Georg Thieme Verlag, 2001, ISBN 9783131287519
- ↑ Mariel Croon: Schwanger werden. Den richtigen Zeitpunkt finden. 2005 S. 67.
- ↑ Decline in the Prevalence of Spina Bifida and Anencephaly by Race/Ethnicity: 1995–2002. Pediatrics 2005;116:580-586.
- ↑ Thorsten Denkler: Brot soll per Gesetz Vitamine bekommen. taz vom 6.10.2006
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