- Wasserballastbahn
-
Eine Wasserballastbahn ist eine Standseilbahn ohne elektrischen Antrieb. Ein Synonym dafür ist Wassergewichtsseilbahn.
Inhaltsverzeichnis
Bauweise und Antrieb
Die beiden Wagen der Anlage sind an einem Zugseil befestigt, das über eine Seilscheibe in der Bergstation läuft. Die Wagen halten sich ungefähr im Gleichgewicht, so dass für den Antrieb der Bahn nur die Kraft aufgebracht werden muss, um das System aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dies erfolgt indem die Masse des in der Bergstation stehende Wagens mit Wasser künstlich erhöht wird, so dass die auf diese zusätzliche Masse wirkende Schwerkraft die Bahn bewegen kann.
Beide Wagen besitzen deshalb einen Ballastwassertank. Beim Wagen in der Talstation wird der Tank geleert, während beim Wagen in der Bergstation Wasser in den Tank gefüllt wird. Das obere schwerere talwärts fahrende Fahrzeug zieht nun das untere leichtere die Steigung hinauf. Die benötigte Wassermenge richtet sich dabei nach der Gewichtsdifferenz zwischen den beiden Wagen, wobei für jeden Fahrgast etwa 80 Liter eingerechnet werden müssen. Weil mit der Fahrt die Seillänge und somit das Gewicht des Seils zwischen der Bergstation und dem talwärts fahrenden Wagen stetig zunimmt, muss während der Fahrt die Geschwindigkeit reguliert werden. Dies geschieht mit Bremsen in den Fahrzeugen, die meistens auf eine Zahnstange im Gleisbett wirken und besonders bei längeren Anlagen auch durch Wasserablassen aus dem talwärts fahrenden Wagen. Einige Bahnen haben zum Ausgleich des Seilgewichts ein Unterseil, das in der Talstation ebenfalls über eine Umlenkrolle geführt wird.
Das für den Betrieb der Bahn notwendige Wasser wurde in der Regel einem Gewässer bei der Bergstation entnommen. An Orten, wo bei der Bergstation kein Wasser aus der Umgebung zur Verfügung stand, wurde dies von der Talstation mit Pumpen durch eine der Trasse entlang verlaufenden Druckleitung in ein Reservoir bei der Bergstation gefördert.
Die Gleisanlage ist in der Regel eingleisig und in der Mitte mit einer Ausweichstelle versehen. Durch die besondere Weichenkonstruktion der Abtschen Weiche wird jeder Wagen automatisch auf eines der beiden Ausweichgleise geführt. Die schmale Trasse reduziert den Platzbedarf und den Aufwand für die Erstellung von Brücken und Tunneln.
Obwohl das Wasser billig zu beschaffen war, hatte der Betrieb mit Wasserballast Nachteile. Der Winterbetrieb wurde gefährlich, sobald die Gefahr des Vereisens der Wassertanks oder Bremszahnstange bestand. Ebenso erwies sich die Zwangspause, die bis zur nächsten Fahrt durch das erneute Befüllen notwendig war, als nachteilig. Außerdem erhöhten das hohe Betriebsgewicht und die große Achslast der Wagen den Wartungsaufwand der gesamten Anlage. Daher haben weltweit nur wenige Bahnen mit Wasserballastbetrieb überlebt. Die meisten wurden auf elektrischen Betrieb umgestellt oder eingestellt.
Geschichte
Die älteste Anlage dürfte die 1845 eröffnete Prospect Park Incline Railway bei den Niagarafällen in den Vereinigte Staaten gewesen sein. Die Anlage wurde später auf elektrischen Betrieb umgebaut und 1908 nach einem Unfall stillgelegt.[1]
Die älteste Anlage in Europa ist die 1879 eröffnete Giessbachbahn, welche 1948 auf elektrischen Betrieb umgebaut wurde. 1882 wurde in Braga (Portugal) der Elevador do Bom Jesus eröffnet, welcher weltweit die älteste immer noch mit Wasserballast betriebene Anlage ist.
In Deutschland ist mit der Nerobergbahn in Wiesbaden nur noch eine einzige Bahn übrig geblieben. Auch in der Schweiz fährt nur noch eine Bahn, die Standseilbahn Neuveville–Saint-Pierre in Freiburg.
Bahnen
Mit Wasserballast verkehrende Standseilbahnen
- Nerobergbahn Wiesbaden, Deutschland (in Betrieb seit 1888)
- Standseilbahn Neuveville–Saint-Pierre (Funi), Freiburg, Schweiz (in Betrieb seit 1899)
- Folkestone Leas Cliff Water Lift, Großbritannien (in Betrieb seit 1885)
- Lynton and Lynmouth Cliff Railway, Großbritannien (in Betrieb seit 1890)
- Water-balanced cliff railway, Centre for Alternative Technology, Machynlleth, Powys, Wales, Großbritannien (in Betrieb seit 1992)
- Elevador do Bom Jesus, Braga, Portugal (in Betrieb seit 1882, die älteste der Welt)
Auf elektrischen Betrieb umgestellte Wasserballastbahnen
Hier sind nur einige Beispiele aufgeführt, da sehr viele Bahnen zuerst mit Wasserballast betrieben wurden.
Deutschland
- Heidelberger Bergbahn (Molkenkurbahn) (eröffnet 1890, umgestellt 1907)
- Turmbergbahn, Karlsruhe (eröffnet 1888, umgestellt 1966)
Österreich
- Festungsbahn Salzburg (eröffnet 1892, umgestellt 1959)
Schweiz
- Giessbachbahn, Berner Oberland (eröffnet 1879, umgestellt 1948)
- Chemin de fer funiculaire Territet-Glion (eröffnet 1883, umgestellt 1975)
- Marzilibahn, Bern (eröffnet 1885, umgestellt 1973)
- Polybahn, Zürich (eröffnet 1889, umgestellt 1897)
- Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren, Schweiz (eröffnet 1891, umgestellt 1901, durch Luftseilbahn ersetzt 2006)
- Mühleggbahn, St. Gallen (eröffnet 1894, umgestellt 1950)
Tschechien
- Petřín-Standseilbahn, Prag (eröffnet 1891, umgestellt 1932)
- Letná-Standseilbahn, Prag (eröffnet 1891, umgestellt 1903)
Stillgelegte Wasserballastbahnen
(unvollständige Liste)
- Malbergbahn in Bad Ems, Deutschland (eröffnet 1887 stillgelegt 1979)
- Krahnenbergbahn in Andernach am Rhein, Deutschland (eröffnet 1895, Betrieb eingestellt 1941)
- Wartensteinbahn im Kanton St. Gallen, Schweiz (eröffnet 1892, Betrieb eingestellt 1963)
Siehe auch
Literatur
- Walter Hefti: Schienenseilbahnen in aller Welt, Birkhäuser Basel, 1975
Weblinks
Commons: Wasserballastbahnen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Bruse's Funiculars.net (Website von Bruse LF Persson, Schweden)
- Seilbahn-Nostalgie (Website von Claude Gentil, Schweiz)
- Funi Fribourg
- Funimag (Website von Michel Azéma, Frankreich)
Einzelnachweise
- ↑ 1907 Incline Railway Crash. Abgerufen am 5. September 2009 (englisch).
Wikimedia Foundation.