Funikular

Funikular
Bergstation der Merkurbergbahn in Baden-Baden
Standseilbahn Stuttgart zum Waldfriedhof
Die Nerobergbahn in Wiesbaden
Die Hungerburgbahn bei Innsbruck in Tirol
Der Plano Inclinado Gonçalves in Salvador da Bahia
Die Nerobergbahn in Wiesbaden um 1900: Drei Schienen mit der jeweils mittig angeordneten, zum Bremsen dienenden Zahnstange
Ausweichstück (Abt'sche Weichen) der Bergbahn zum Königstuhl in Heidelberg
Moderne Standseilbahn am Montmartre in Paris
Polybahn in Zürich
Antriebsscheibe mit Antriebsritzel der Merkur-Bergbahn von 1913-1967
Verschiedene Streckenausführungen von Standseilbahnen (hier als Wasserballastbahn mit dem früher häufig verwendeten Schwerkraftantrieb)

Eine Standseilbahn, früher auch Drahtseilbahn genannt, ist ein schienengebundenes Verkehrsmittel, das durch ein Seil auf einen Berg hinaufgezogen wird. Bei gleichzeitiger Verwendung von zwei Fahrzeugen wirken die Züge füreinander jeweils als Gegengewicht und die Antriebsmotoren (normalerweise in der Bergstation) müssen nur die Differenz der Leistung erbringen.

Die Standseilbahnen sind mit einer Steigung von bis zu 87,8% die steilsten Schienenbahnen überhaupt. Bei zahlreichen Bahnen dient eine Zahnstange als zusätzliche Bremshilfe. Die heute seltene Form der Standseilbahn ohne Antriebsmotor in der Bergstation, bei der sich die Wagen stattdessen mit einem Wasserballast und der Schwerkraft nach unten ziehen, wird als Wasserballastbahn bezeichnet.

Eine der Standseilbahn technisch sehr ähnliche Bahn ist die Kabelstraßenbahn, deren Anlage jedoch in den Verlauf der Straßen integriert ist und deren Betrieb fast immer innerhalb einer Stadt erfolgt. Eine weitere technisch verwandte Bahn ist die heute fast völlig verschwundene Schienenseilbahn (älteste Form einer durch ein Seil gezogenen Schienenbahn), bei der im Unterschied zur Standseilbahn mit Hilfe des mit Maschinenkraft angetrieben Seiles nur steile Streckenabschnitte überwunden werden. In diesem Fall endete die Strecke auch nicht an einer Berg- oder Talstation, sondern die Züge fahren auf den jeweils anschließenden ebenen Streckenabschnitten aus eigener Kraft weiter.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die ersten Standseilbahnen entstanden als Schiffshebewerke im frühen 19. Jahrhundert im Kanalbau in Amerika. Die älteste Standseilbahn Europas war die Bahn Lyon - La Croix Rousse von 1862, die heute durch eine Zahnrad-Metro ersetzt ist. Die älteste auf originaler Trasse verkehrende Standseilbahn Europas fährt seit 1870 in Budapest (Ofen - Königsburg). Die längste Standseilbahn Europas ist die Mendelbahn in Bozen mit 2374 Meter Betriebslänge in einer Sektion ohne Unterbrechung; die steilste der Welt (mit Ein-Wagen-Betrieb) ist die Gelmerbahn. Sie hat eine Neigung von 106%. Die Talstation liegt unweit der Grimselstrasse bei der Handeck, 6 km oberhalb Guttannen (Kanton Bern) Postautohaltestelle Handeck. Die Bergstation liegt am Gelmersee auf 1850 müM.

Bei den ersten Standseilbahnen wie in Lyon oder Budapest bewegten stationäre, am unteren Ende aufgestellte Dampfmaschinen das Seil. Bei den später gebauten Bahnen wurde nach Möglichkeit der Antrieb durch Wasserballast aus einer auf dem Berg gelegenen Quelle gewählt − sprich der talwärts fahrende Wagen wurde so weit mit Wasserballast aufgefüllt, dass er den bergwärts fahrenden Wagen hochziehen konnte (Wasserballastbahn). Später wurden viele dieser Schwerkraftantriebe auf elektrischen Antrieb umgestellt.

Eine besonders ausgefallene Art waren die ab den 1930er Jahren in mehreren Schweizer Skiorten eingesetzten Schlitten-Standseilbahnen.

Betrieb

Standseilbahnen sind dazu konstruiert, große Höhenunterschiede für Personen- und Gütertransporte (letztere eher selten) zu überwinden. Die Fahrzeuge unterschiedlicher Größe mit einem Fassungsvermögen von 20 bis maximal 450 Personen werden mittels Zugseil meist im Pendelverkehr geführt. Bei gleichzeitiger Verwendung von zwei Fahrzeugen wirken die Züge jeweils als Gegengewicht, und die Antriebsmotoren (normalerweise in der Bergstation eingebaut) müssen nur die Differenz der Leistung erbringen, was sie in der Energiebilanz zu den effizientesten Transportmitteln überhaupt macht.

Ein oder zwei Fahrzeuge laufen auf einer festen Fahrbahn (meist auf Schienen) mit eher geringen Fahrgeschwindigkeiten im Bereich von 20 km/h, in Ausnahmefällen jedoch auch bis 50 km/h. Die Fahrzeiten weichen je nach Bahn stark ab, die Fahrtintervalle betragen in der Regel 15 bis 20 Minuten. Eine Ausnahme ist hierbei die Merkurbergbahn in Baden-Baden, welche heute fahrerlos fährt und von den Fahrgästen ähnlich wie ein Aufzug bedient wird.

Früher waren meistens Dampfmaschinen für den Antrieb des Zugseiles verantwortlich, später jedoch wurden diese durch weit praktischere und wirtschaftlichere Elektromotoren ersetzt.

Die befahrenen Steigungen betragen zwischen 25 und 87,8 %, im Durchschnitt liegen diese meist zwischen 40 und 50 %, was die Standseilbahnen zu den steilsten Schienenbahnen überhaupt macht.

Während bei kurzen Wegstrecken zwei Gleise nebeneinander möglich sind, wird bei längeren Strecken eine einzige Spur mit einer in Streckenmitte gelegenen Ausweichstelle verwendet. Die Weichen, die dafür benötigt werden, sind starr. Die entgegenkommenden Wagen werden durch jeweils gespiegelt gelagerte Doppelspurkranzräder an den durchlaufenden Außenschienen geführt (die gegenüberliegenden Räder besitzen dafür keinen Spurkranz). Das System wurde vom Schweizer Ingenieur Roman Abt entwickelt, und die entsprechenden starren Weichen werden als Abt'sche Weiche bezeichnet.

Eine Besonderheit stellt die Oberweißbacher Bergbahn dar, welche 1923 zum Transport normalspuriger Eisenbahnwagen eröffnet wurde und eine Spurweite von 1800 mm besitzt.

Ein Sonderfall ist die Dorfbahn Serfaus (Österreich), eine unterirdische Luftkissenschwebebahn mit Seilantrieb, die manchmal auch als kleinste U-Bahn der Welt bezeichnet wird. Diese Bahn ist zwar keine Standseilbahn im eigentlichen Sinne, kann jedoch aufgrund des Antriebsseiles im weitesten Sinne noch dazu gezählt werden.

Physikalisches Prinzip

Oft vergessen wird, dass neben der meist ungleich starken Besetzung oder Beladung der Wagen auch das Gewicht des Seiles auf das Kraftverhältnis im System Standseilbahn wirkt. Wenn die Wagen in der Tal- und Bergstation stehen, befindet sich fast das gesamte Seil auf der Seite des talwärtigen Wagens. Fährt die Bahn los, muss der Antrieb zunächst die gesamte Seillast bergwärts in Bewegung setzen. Mit jeder Fahrtsekunde wird die zu überwindende Mehrlast linear zunächst geringer. Im Gegensatz zur Last der Wagen, die an jedem Ende des Seiles hängen und für sich genommen immer gleich schwer sind, findet beim Seil der theoretische Gewichtsausgleich erst in der Sekunde statt, in der beide Wagen die Ausweiche erreichen. Ab diesem Augenblick geht die Mehrlast vom bergwärts laufenden auf den talwärts laufenden Wagen über und wird auf dessen Seite mit jeder Sekunde wieder größer. Bei relativ langen Streckenlängen spielt also die Besetzung der Wagen so gut wie keine Rolle, weil das Gewicht des Seiles im Verhältnis wesentlich größer und bestimmender ist.

Die ideale Standseilbahn besäße somit eine Streckenführung, die an der Talstation nahezu eben beginnt und gegen die Bergstation linear immer steiler wird. Bei der Abfahrt aus den Stationen würde also die auf den talwärts fahrenden Wagen wirkende Schwerkraft so groß sein wie die Gewichtskraft des auf der Seite des bergwärts fahrenden Wagens befindlichen Seiles, und würde diese dadurch aufheben. Und mit jeder Sekunde der Fahrt würde sich dieses Verhältnis zwar ändern, aber der Saldo wäre dennoch immer gleich groß. Da sich eine solche Streckenführung in der Praxis nicht erreichen lässt, muss der Bediener der Standseilbahn - oder eine Automatik in der Antriebs- und Bremseinheit - die Geschwindigkeit der Standseilbahn ständig nachregeln. Dabei spielt auch eine Rolle, ob sich der eine Wagen im Moment in einer stärkeren Neigung befindet als der andere, unabhängig davon, mit wie viel Fahrgästen beide besetzt sind.

Varianten der Standseilbahn

Wasserballastbahn

Eine meist für kleine Standseilbahnen oder Schrägaufzüge verwendete Antriebsart ist der Gewichtsantrieb. Hierbei sorgt der nach unten laufenden Wagen durch sein größeres, mitgegebenes Gewicht für den Antrieb der nach oben laufenden Kabine. Als Gewicht verwendet man beispielsweise das Wasser eines nahen Baches oder das Abwasser eines höhergelegenen Ortsteils (Wasserballastbahn). Die Standseilbahn Freiburg, erbaut 1897, restauriert 1998 und mittlerweile zum Schweizer nationalen Kulturgut gehörend, und die Nerobergbahn in Wiesbaden funktionieren nach diesem Prinzip. In Lynton/Großbritannien existiert eine kleinere Anlage ähnlicher Bauart.

System Agudio

Es gibt auch Standseilbahnen, die sich ähnlich einer Laufkatze aus eigener Kraft an einem fix verankerten Seil hochwinden. Dieses System wurde z.B. von Tommaso Agudio bei der Erstausführung der Bahn von Sassi nach Soperga angewandt. Die Energieversorgung der Bahn erfolgt durch ein umlaufendes Endlosseil, das den Wickelmechanismus im Fahrzeug antreibt. Ein ähnliches System wurde auch beim Treidelverkehr in der Seil- oder Kettenschiffahrt angewandt.

Schlitten-Standseilbahn

Hierbei fahren zwei lenkbare Schlitten gegenläufig bergauf und bergab. Der Antrieb erfolgt normalerweise durch einen Elektromotor. Diese Art von Standseilbahn wurde vor allem in den 1930er- und 1940er-Jahren in der Schweiz eingesetzt.

Verwandte Bauarten

Schienenseilbahn

Eine weitere Variante ist die Schienenseilbahn, bei der beide Fahrzeuge über einen eigenen Antrieb verfügen und die Rolle an der Bergstation nur zur Kraftumlenkung dient. Im Unterschied zur Standseilbahn geht die Schienenseilbahn über die Tal- und Bergstation als normale Bahn hinaus. In Triest wird eine Teilstrecke der regulären Straßenbahn mittels zweier am Seil laufender Schublokomotiven sehr effizient als Standseilbahn betrieben. Ein ganz ähnliches System gab es bis 1954 auch in der süditalienische Stadt Catanzaro, wobei die Straßenbahnwagen hier ganz ohne Lokomotiven oder zusätzliche Fahrzeuge auf den Standseilbahn-Abschnitt ein- und ausfuhren.

Kabelstraßenbahn

Bei der seltenen Umlaufseilbahn werden die Wagen an eine in einem Kanal zwischen den Schienen endlos umlaufende Seilführung angeklemmt, wobei in diesem Fall die Anlage in den Verlauf der Straßen integriert ist und der Betrieb praktisch immer innerhalb einer Stadt erfolgt, weshalb diese als Kabelstraßenbahn bezeichnet wird. Bekannteste Beispiele sind die Cable Cars in San Francisco.

Abgrenzung zum Schrägaufzug

Bei Standseilbahnen verkehren stets zwei zum Personen- oder Gütertransport geeignete Fahrzeuge. Diese sind bei den meisten (Ausnahme zum Beispiel die Oberweißbacher Bergbahn) identisch. Verkehrt nur ein Fahrzeug und ist das Gegengewicht als reines Ballastgewicht ohne die Möglichkeit für Güter- oder Personentransport ausgeführt, oder erfolgt der Antrieb mit Hilfe einer Seilwinde, so spricht man von einem Schrägaufzug.

Am Walchenseekraftwerk befindet sich eine Standseilbahn, die nach Abbau eines der beiden Wagen und der Ausweiche jetzt als Schrägaufzug betrieben wird.

Rekorde

Die steilste Standseilbahn der Welt ist mit einer maximalen Steigung von 106 Prozent die Gelmerbahn. Sie befindet sich in der Schweiz und führt von Handegg zum Gelmersee.

Siehe auch

sowie

Literatur

  • Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Band V. Leipzig 1906
  • Knupfer: Hoch über Heslach. Die Stuttgarter Standseilbahn. Stuttgart 2004

Weblinks


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