Wasserkraftwerk Kammerl

Wasserkraftwerk Kammerl

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Wasserkraftwerk Kammerl
Wasserkraftwerk Kammerl
Wasserkraftwerk Kammerl
Lage
Wasserkraftwerk Kammerl (Bayern)
Wasserkraftwerk Kammerl
Lage in BayernBayern Bayern
Koordinaten 47° 39′ 42,5″ N, 10° 59′ 12,5″ O47.66181810.986795Koordinaten: 47° 39′ 42,5″ N, 10° 59′ 12,5″ O
Land Deutschland
Gewässer Ammer
Daten
Primärenergie Wasserkraft
Leistung 400 kW elektrisch
Typ Laufwasserkraftwerk für Bahnstrom
Betreiber DB Energie
Betriebsaufnahme 1899

Das Wasserkraftwerk Kammerl ist ein altes Laufwasserkraftwerk zur Erzeugung von Bahnstrom an der Ammer nahe Saulgrub. Es wurde in den Jahren 1897 bis 1899 zur Versorgung der Ammergaubahn gebaut, einer Nebenbahn von Murnau nach Oberammergau, die nach anfänglichen Schwierigkeiten ab 1905 als weltweit erste planmäßig mit Einphasenwechselstrom niedriger Frequenz betrieben wurde. Das Wasserkraftwerk Kammerl ist heute das älteste noch betriebene Bahnkraftwerk dieser Art auf der Welt.

Inhaltsverzeichnis

Technischer Aufbau

Gebäude

Das Kraftwerk mit einer vergleichsweise unscheinbaren Maschinenhalle liegt etwa vier Kilometer südwestlich von Saulgrub an der Ammer.[1] Das schlicht gehaltene Gebäude ist im Jugendstil errichtet und befindet sich im Wesentlichen noch im ursprünglichen Zustand. In unmittelbarer Nachbarschaft steht ein einfaches Wohnhaus und wenige Meter daneben ein Waschhaus für die früheren Mitarbeiter. Diese Häuser sind heute unbenutzt, da das Kraftwerk automatisiert ist und von der Zentralschaltstelle in München aus überwacht und ferngesteuert wird. Das Kraftwerk steht unter Denkmalschutz.[2]

Maschinen

In der Halle stehen drei Maschinensätze, die jeweils aus einer Francis-Turbine, einem Schwungrad mit Kupplung und einem Bahnstromgenerator bestehen. Die von Voith gelieferten Turbinen haben einen Durchfluss von maximal 2,03 m³/s, eine Drehzahl von 240 U/min und eine Nennleistung von 367 kW bzw. 500 PS. Die Schwungräder mit einem Durchmesser von 3,30 m haben eine Kranzmasse von 5200 kg. Die Generatoren mit einer Leistung von jeweils 280 kW erzeugen Einphasenwechselstrom mit 5500 V und 16 Hz. Seit der Umstellung in den Jahren 1951–1953 wird er auf den allgemein üblichen Bahnstrom von 15 kV und 16 2/3 Hz umgewandelt. Außerdem gibt es noch ein Eigenbedarfsaggregat, das Dreiphasenwechselstrom mit 400 V und 50 Hz erzeugt, wobei Überschüsse in die 20 kV-LKeitung der E.ON Bayern eingespeist werden.

Wasserführung

Das Kraftwerk wird mit Wasser betrieben, das aus der Ammer abgeleitet und über einen Kanal mit einem Stollen und einem Aquädukt und zuletzt einem unterirdischen Druckrohr zum Kraftwerk geleitet wird.

Aquädukt

Das Wasser wird bei Altenau südwestlich von Saulgrub an einem Stauwehr mit Einlaufbauwerk, Schmutzrechen und automatischer Reinigungsanlage aus der Ammer in einen insgesamt 1490 m langen Kanal geleitet, der mit einem Gefälle von 0,67 ‰ zum Kraftwerk führt. Der Kanal ist an der Sohle 1,50 m breit und 1,52 m tief. Schon nach 162 m verschwindet er in einem 184 m langen Stollen. Dieser Stollen endet unmittelbar auf einem Aquädukt hoch über die Halbammer. Der Aquädukt trägt einen eisernen, 81,4 m langen, 2,50 m breiten und etwa gleich hohen kastenförmigen Kanal. Der Aquädukt ist zwar begehbar, aber für Unbefugte gesperrt. Anschließend folgt ein 1063 m langer, offener Kanal, der in einem S-förmigen Bogen verläuft und oberhalb des Kraftwerks endet. Über ein kleines Einlaufbauwerk mit einem automatischen Schmutzrechen und vollautomatischer Einarm-Reinigungsanlage gelangt das Wasser in einem unterirdischen Druckrohr aus genietetem Stahlblech mit einem Durchmesser von 2 m zu den 18 m tiefer gelegenen Turbinen im Maschinenhaus. An das Druckrohr schließt sich ein weiteres Rohr mit 1,3 m Durchmesser an, das in einer Ecke des Maschinenraums 5,40 m senkrecht nach oben geführt und am Ende verschlossen ist. Das Luftpolster an seinem Ende dient als Druckkessel zum Ausgleich der Druckschwankungen beim An- und Abschalten der Turbinen. Die Turbinen sind über sogenannte Saugrohre mit dem 6 m tiefer liegenden Auslaufkanal verbunden, so dass sich ein Nutzgefälle von 24 m ergibt. Der betonierte Auslaufkanal leitet das Wasser nach rund 120 m wieder in die Ammer. Wasser, das von abgeschalteten Turbinen nicht verbraucht wird, fließt hinter dem kleinen Einlaufbauwerk über einen steilen, Leerschuss genannten Betonkanal ebenfalls wieder in die Ammer.

Geschichte

1897 erhielt die Actiengesellschaft Elektrizitätswerke, vormals O. L. Kummer & Co., Dresden, Sitz München, die Konzession zum Bau und Betrieb einer Eisenbahnstrecke von Murnau nach Oberammergau. Die 24 km lange, eingleisige Strecke sollte elektrisch betrieben werden, gleichzeitig sollte die Umgebung mit Strom versorgt werden. Dazu wurde das Wasserkraftwerk Kammerl etwa vier Kilometer westlich der Streckenmitte errichtet. Es hatte zwei Francis-Turbinen mit liegender Welle und Generatoren zur Erzeugung von Dreiphasenwechselstrom mit 800 V und 40 Hz. Das Kraftwerk kostete etwa 800 000 Goldmark und wurde 1899 fertiggestellt. Der elektrische Zugbetrieb scheiterte jedoch an den damals noch nicht beherrschten technischen Problemen.[3] Die Bahn wurde deshalb mit Dampfloks betrieben, das Kraftwerk versorgte die umliegenden Gemeinden.

Nachdem der Betreiber in Konkurs gegangen war, erwarb die Lokalbahn München im November 1903[4] das Kraftwerk und die Bahnlinie zu einem Preis von 576 000 Goldmark. Sie ließ in der Zeit von März bis November 1904 die Generatoren von den Siemens-Schuckertwerken abbauen und an jeder Turbine ein Schwungrad installieren, das über eine Kupplung mit einem 280 kW 350 kVA Bahnstromgenerator für die Erzeugung von Einphasenwechselstrom mit 5500 V und 16 Hz sowie einem weiteren 150 kW 167 kVA Drehstromgenerator für die Erzeugung von Dreiphasenwechselstrom mit 5000 V und 40 Hz verbunden wurde. Der Bahnstrom wurde ursprünglich direkt zum Bahnhof Saulgrub und dort in die Oberleitung der Bahnstrecke eingespeist.

Am 1. Januar 1905 wurde der elektrische Zugbetrieb mit den Triebwagen LAG Nr. 674 bis 677 aufgenommen. Die Ammergaubahn war damit die erste Bahn der Welt, die fahrplanmäßig mit Einphasenwechselstrom niedriger Frequenz betrieben wurde. Damit ist auch das Wasserkraftwerk Kammerl das älteste noch betriebene Bahnkraftwerk dieser Art auf der Welt.

1908 wurde ein fast identischer Maschinensatz ergänzt, der wiederum aus einer Francis-Turbine mit Schwungrad und Kupplung und einem 280 kW Bahnstromgenerator sowie einem 216 kW Drehstromgenerator bestand. Außerdem gab es zwei Erregermaschinensätze mit Francis-Turbinen und Geleichstromgeneratoren sowie eine Erregermaschine, die von einem Drehstrommotor angetrieben wurde.

Das Kraftwerk erzeugte etwa 2/3 Bahnstrom und 1/3 Strom für die öffentliche Versorgung, der ab 1. Juni 1926 an die Isar-Amperwerke geliefert wurde.

Am 16. Juni 1938 wurde das Kraftwerk und die Bahnlinie von der Reichsbahn übernommen. Die Versorgung des Landes wurde dabei eingestellt. Dazu wurden die Schleifringe, Läuferpole und Ständerwicklungen aus den Drehstromgeneratoren ausgebaut, der Läufer und der Ständer der Einfachheit halber aber belassen.

Während die Reichsbahn schon längst mit 15 000 V 16 2/3 Hz fuhr, wurde der Inselbetrieb der vom Kraftwerk Kammerl mit 5500 V 16 Hz versorgten Ammergaubahn bis zu den Umbauten in den Jahren 1951 bis 1953 beibehalten, als das Kraftwerk und die Bahn auf den allgemein verwendeten Bahnstrom umgestellt und je ein Einphasentransformator pro Maschinensatz und eine Schaltanlage installiert wurden.

In den 1980er-Jahren wurde die Regelung der Leitschaufeln der Hauptturbinen umgestellt auf elektronische Regler mit hydraulischem Stellantrieb. Die ursprünglich über eine Schalttafel in der Maschinenhalle gesteuerte Anlage wurde automatisiert und zunächst von Murnau aus überwacht und gesteuert. Seit 1993 geschieht dies von der Zentralschaltwarte in München aus, die den Betrieb des süddeutschen 15-kV-Oberleitungsnetzes führt.

Bei der Gründung der DB Energie GmbH zum 1. Januar 1997 wurde das Werk auf diese übertragen.

Von den beiden kleinen Turbinen ist nur die kleinere erhalten, bei der in den 1990er-Jahren der Gleichstromgenerator durch einen Drehstromasynchrongenerator ersetzt wurde, der Strom mit 50 Hz vorwiegend für den Eigenbedarf erzeugt, wobei Überschüsse jedoch in die 20 kV-Leitung der Isar-Amperwerke, der heutigen E.ON Bayern eingespeist werden.

Besichtigung

Das Kraftwerk kann besichtigt werden nach entsprechender Terminvereinbarung mit dem Verkehrsamt Saulgrub-Altenau oder mit der Kur- und Touristikinformation Bad Bayersoien.[5]

Weblinks

 Commons: Wasserkraftwerk Kammerl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ralf Specht: Geschichte und Technik des Wasserkraftwerks Kammerl in: Elektrische Bahnen, 99 (2001), 11, S. 444 – 452
  2. DenkmalViewer
  3. Ralf Roman Rossberg: "Bahnstrom" als geniale Notlösung
  4. 1903 laut Ralf Specht, 19.11.1900 laut der Bronzetafel am Eingang des Kraftwerks
  5. Informationstafel am Eingang des Kraftwerkes

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