Watchmen

Watchmen
Comedians Abzeichen und später Symbol für die Watchmen, dem Original nachempfunden

Watchmen ist ein 1986/87 erschienener Graphic Novel von Alan Moore (Text) und Dave Gibbons (Zeichnungen). Er erschien zuerst bei DC Comics als zwölfteilige Serie und wurde nicht nur im Comic-Bereich mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Die deutsche Ausgabe der Serie wurde erstmals 1989 in sechs Bänden vom Carlsen Verlag veröffentlicht. Eine auf der Comicserie basierende Verfilmung kam am 5. März 2009 im deutschsprachigen Raum in die Kinos.

Inhaltsverzeichnis

Szenario

Eine alternativ-fiktive Version der USA in den 1980er Jahren. Der Kalte Krieg dauert an, die Sowjets sind noch die außenpolitischen Gegner. Superhelden sind seit einem Anti-Superheldengesetz aus den 1970er Jahren, dem Keene-Act, verboten. Die ersten von ihnen waren nach dem Sensationserfolg des ersten Superman-Comics Ende der 1930er Jahre aufgetreten: maskierte Vigilanten ohne große Fähigkeiten, die sich später als die „Minutemen“ zusammentaten (benannt nach der gleichnamigen Miliz des 18. Jahrhunderts). Bis zu den 1950er Jahren traten sie nach und nach freiwillig oder unfreiwillig in den Ruhestand. Anfang der 1960er Jahre entstand eine neue Generation mit neuen technischen Fähigkeiten und zum Teil auch tatsächlichen Superkräften. Sie gerieten in den 1970er Jahren durch ihre Selbstjustiz in die Diskussion und wurden durch den Keene-Act zuletzt vor die Alternative gestellt, ihre Aktivitäten einzustellen oder für die Regierung zu arbeiten. Einige hörten damals auf (Nite Owl II, Silk Spectre II), andere arbeiten seither in der Forschung (Dr. Manhattan) oder für den Geheimdienst (Comedian), einer (Ozymandias) ließ die Maske öffentlich fallen und verdiente damit ein Vermögen, einer (Rorschach) ging in den Untergrund und bekämpft – von der Polizei gesucht und den Medien totgeschwiegen – das Verbrechen weiter.

Handlung

Der ehemalige Superheld The Comedian wird von einem Unbekannten ermordet. Sein Kollege Rorschach macht sich auf die Suche nach dem Täter und wittert bald eine Verschwörung, als weitere Superhelden bedroht werden: Dr. Manhattan flieht nach einem Skandal auf den Mars, auf Ozymandias wird ein Attentat verübt, der ehemalige Superschurke Moloch erschossen und Rorschach selbst in eine Falle gelockt. Seine Verhaftung weckt schließlich seinen ehemaligen Partner Nite Owl II aus dem Ruhestand. Er befreit zusammen mit Silk Spectre II Rorschach und gemeinsam kommen sie der tatsächlichen Verschwörung auf die Spur, ohne diese jedoch noch verhindern zu können: Um die Menschheit wieder zusammenzuschweißen und vor dem atomaren Untergang zu bewahren, vernichtet Ozymandias halb New York City.

Hauptfiguren

Sämtliche Figuren sind – teils auf Basis von wenig bekannten Figuren des Verlags Charlton Comics – neu entwickelt. Dies nimmt dem Leser die Möglichkeit alter Heldenvorlieben oder -abneigungen. Somit kann man „Watchmen“ ohne Vorkenntnisse anderer Superhelden-Geschichten lesen, obwohl Vorkenntnisse und Vergleiche mit anderen Superhelden-Comics den Reiz natürlich erhöhen. Moore nutzt das Fehlen von vorgegebenen Heldenlebensläufen zudem, um jede Figur mit einer Biografie zu versehen, die in einer realen Welt funktionieren würde und die Elemente dieser realen Welt verarbeitet, in der Berühmtheiten (zu denen Superhelden ja auch zählen würden) Merchandising betreiben, Alkoholprobleme haben, mit Komplexen kämpfen, ihren Ruhm ausnutzen und vielem mehr.

Die Helden der ersten Generation

Hooded Justice

Der erste der „realen“ Superhelden in Watchmen. Sein Name bleibt bis zum Schluss ungenannt, es wird jedoch bekannt, dass er mit der ersten Silk Spectre eine Scheinaffäre hatte, offensichtlich um seine Homosexualität zu verbergen. Er verschwindet, kurz nachdem er sich in der McCarthy-Ära geweigert hatte, seine Identität preiszugeben. Hollis Mason (der erste Nite Owl) schreibt in seinen Memoiren „Unter der Maske“, dass hinter Hooded Justice möglicherweise ein Zirkusartist namens Rolf Müller gesteckt habe, da beide dieselbe Größe und Statur hatten und Rolf Müller etwa zur gleichen Zeit wie Hooded Justice verschwand.

Silk Spectre

Sally Juspeczyk ist der richtige Name von Silk Spectre, der ersten Superheldin. Ihren Nachnamen gibt sie mit „Jupiter“ an, um ihre polnische Herkunft zu verschleiern. Wie auch die anderen Abenteurer der ersten Generation verfügt Juspeczyk über keine besonderen Fähigkeiten, sieht jedoch überdurchschnittlich verführerisch aus – zu verführerisch auch für den Comedian, der versucht, sie zu vergewaltigen.

Juspeczyk heiratet später ihren Agenten Laurence Schexnayder, der ihr eine Filmkarriere vermitteln will – was allerdings scheitert. Aus der Zeit dieser Ehe stammt Tochter Laurel, die Sally zwar zur zweiten Silk Spectre ausbildet, dabei jedoch Kontakte zwischen Laurel und dem Comedian argwöhnisch unterbindet, da dieser ihr wahrer Vater ist.

Zum Zeitpunkt der Watchmen-Handlung lebt die Endsechzigerin/Anfang-Siebzigerin in einer einem Seniorenheim angegliederten Wohnanlage, trauert den alten Zeiten nach und sieht den traumatisierenden Vergewaltigungsversuch durch Edward Blake (dem Comedian) in einem milderen, verklärten Licht.

The Comedian

Edward Blake, wie der „Comedian“ mit richtigem Namen heißt, gehörte schon mit 16 zur ersten Generation der Superhelden. Dem Verbot der Vigilanten in den 1970er Jahren entgeht er, da er – wie auch Dr. Manhattan – ohnehin für die Regierung arbeitet. Er kämpft als Vorzeigesöldner mit unvorstellbarer Brutalität im Vietnamkrieg, den die USA in dieser Geschichte gewinnen, befreit – gleichfalls anders als in der Realität – die Geiseln in der Teheraner Botschaft, schlägt mit erkennbarer Freude Aufstände und Aufständische nieder. Blake ist zynisch und jähzornig. Sein Regierungsauftrag ist für ihn keine Herzenssache, sondern ein Freibrief für zügellose Gewalt in einer Welt, in der es für ihn ohnehin kein Gut und Böse gibt – und von deren Untergang er sowieso überzeugt ist. Er ist es daher auch, der die Bemühungen um eine Union der zweiten Generation der Superhelden sprengt, als Ozymandias, der „klügste Mensch der Welt“, die Führung an sich reißen will: „In ein paar Jahren fliegen die Atomraketen hier durch die Gegend wie Maikäfer. Und unser Ozymandias hier ist dann der klügste Mensch auf dem Aschehaufen. Macht's gut, ihr Witzfiguren.“

Bei alledem ist der Comedian kein tumber Haudrauf, sondern beweist immer aufs Neue entlarvenden Scharfblick. Er durchschaut schnell „Hooded Justices“ sexuelle Motive zur Verbrecherjagd, er spricht offen aus, dass Captain Metropolis mit dem Versuch einer zweiten Helden-Union nur über sein Alter, seinen Bedeutungsverlust und seinen Bauchansatz hinwegkommen möchte. Und als er in Gegenwart von Dr. Manhattan in Vietnam in einem Wutanfall seine schwangere Geliebte erschießt, rechtfertigt er sich kalt, aber zutreffend: „Ja, ich habe sie erschossen. Und du hast zugesehen. Du hättest die Kugeln in Dampf verwandeln können oder jeden von uns ins verdammte Australien wegteleportieren, aber du hast es geschehen lassen, weil dir Menschen egal sind.“

Seine Ermordung löst die Ereignisse in „Watchmen“ aus.

Mothman

Nebenfigur, sein richtiger Name lautet Byron Lewis. Sein Superheldenkostüm war ein Mottenkostüm, das ihm ermöglichte, in der Luft zu gleiten. Karriereende nach Alkoholismus. Er befindet sich zur Zeit in der Psychiatrie.

Nite Owl

Hollis J. Mason (1916 bis 31. Oktober 1985) war vor und während seines Lebens als maskierter Abenteurer Polizist, legte sich seine Identität als Held aus verschiedenen Motiven zu. Zum einen war es aus Nostalgie für die Pulp-Romane, was durch das Erscheinen der ersten Superhelden-Comics gefördert wurde. Zum anderen hatte er durch die strengen Moralvorstellungen seines Großvaters, bei dem er mit seiner Familie in seiner Kindheit gewohnt hatte, das Gefühl, er müsse etwas Wichtiges und Richtiges tun.

Diese Motive enthüllt Mason (dessen Ansichten man über das zwischen die einzelnen Kapitel des Comics eingefügte Manuskript seiner Memoiren erfährt) genauso wie die Gründe seines Rücktritts. Zum einen, schreibt er, hätten mehr und mehr die maskierten Schurken gefehlt – und damit die Daseinsberechtigung, gleich in doppelter Hinsicht. Denn ohne Superschurken brauche man nicht nur den Helden nicht mehr, der Held käme sich auch dämlich vor, wenn er der einzige sei, der in einem seltsamen Kostüm herumrenne. Der Hauptgrund für seinen Rückzug sei jedoch das Auftreten von Dr. Manhattan gewesen, dem ersten echten Superhelden im Jahr 1960. Mason trennt hier sehr sorgfältig: Er und seine Kollegen der ersten Generation sind für ihn nur „costumed heroes“ (kostümierte Helden) oder „masked adventurers“ (maskierte Abenteurer), Manhattan ist der erste „Superhero“ (Superheld). Und seine, Masons, Bemühungen seien ihm zunehmend unzulänglich erschienen in einer Welt, in der jemand wie Manhattan praktisch alles bewirken kann, während das Einzige, was er, Mason, anzubieten hatte, „ein guter linker Haken“ gewesen sei.

Nach seiner aktiven Zeit eröffnet er eine Autowerkstatt, schreibt seine bereits erwähnten Memoiren (Titel: Under the Hood „Unter der Maske“) und trifft sich regelmäßig mit seinem Nachfolger, dem er, nachdem er dessen Talent gesehen hatte, bereitwillig seinen Namen überlassen hatte. Hollis Mason wird am 31. Oktober 1985 in seiner Wohnung von Mitgliedern der Gang Knot Tops nach einem Kampf erschlagen, weil sie ihn irrtümlich für den Nite Owl gehalten haben, der Rorschach bei seiner Flucht aus dem Gefängnis geholfen hat.

Dollar Bill

Eine tragische Nebenfigur, deren Schicksal nur über Hollis Masons Memoiren enthüllt wird. Auf dem Höhepunkt der ersten Superhelden-Welle in den 1940ern engagiert eine Bank einen eigenen Helden als Werbegag und Schutzmaßnahme – Dollar Bill. Der trainierte Athlet wird bei einem Überfall von einem Räuber erschossen, wehr- und hilflos, nachdem sich sein Umhang in der Drehtür der Bank verhedderte. Rückschauend mutmaßt Mason, Bill könne wohl noch leben, wenn sein Kostüm nicht von Marketingstrategen entworfen worden wäre, sondern von Bill selbst. Er, Mason, habe sich aus ähnlichen Erwägungen stets gegen die effektvollen, aber gefährlichen Umhänge entschieden.

Silhouette

Ursula Zandt wurde 1939 zur Heldin und trat auch sogleich den „Minutemen“ bei. Später wurde sie auf Empfehlung von Silk Spectres Manager aufgrund ihrer Homosexualität aus der Gruppe ausgeschlossen, um schlechte Publicity zu vermeiden, nachdem dieser Umstand an die Öffentlichkeit gelangt war. Sie und ihre Liebhaberin wurden sechs Wochen später ermordet.

Captain Metropolis

Sein richtiger Name lautet Nelson Gardner. Bevor er sich zum Superhelden Captain Metropolis machte, war er bei der US-Navy. Er versucht die Superhelden Comedian, Rorschach, Ozymandias, die zweite Silk Spectre, den zweiten Nite Owl und Dr. Manhattan dazu zu bewegen, nach dem Vorbild der alten Heldenvereinigung „The Minutemen“ eine neue Heldenunion zu gründen: die Crimebusters. Doch der Comedian erkennt Gardners wahres Motiv: Gardner versucht, über seine zunehmende Bedeutungslosigkeit hinwegzukommen, indem er mittels Gründung eines Vereins an die Prominenz und das strahlendere Image erfolgreicherer Superhelden andockt. Später stirbt Nelson Gardner durch einen Autounfall.

Die Helden der zweiten Generation

Ozymandias

Ozymandias (Adrian Veidt) ist der „klügste Mann der Welt“. Das Genie hat sich noch vor der Untersagung durch die Regierung als Superheld zurückgezogen und ein Multimilliarden-Dollar-Unternehmen gegründet. Veidt verkauft unter seinem Namen Parfum, aber auch „Ozymandias“-Actionfiguren. Veidt verkörpert in „Watchmen“ eine Art „Superman“/Gott-Dilemma: Wenn ein Held allmächtig ist, wenn er den Weg kennt und die Mittel hat, um die Welt zu retten – wie weit würde er gehen und wie weit darf er gehen? Darf er Opfer fordern? Welche Legitimation hat er dazu?

Veidt hat diesen Weltrettungsplan und beschließt, ihn umzusetzen. Moralische Skrupel kennt er, unterdrückt sie jedoch aus Vernunftgründen – dies wird besonders am Ende deutlich, als Veidt (trotz des Gelingens seines Plans) verunsichert Dr. Manhattan fragt, ob er, Veidt, denn nun auch das Richtige getan hätte. Manhattan kann diese Frage nicht beantworten – und reicht sie somit unausgesprochen an den Leser weiter.

Dr. Manhattan

Der Atomphysiker Jon Osterman erleidet einen Laborunfall, bei dem buchstäblich alle Atome seines Körpers auseinandergerissen werden. Es gelingt ihm jedoch, sich selbst wieder zusammenzusetzen, allerdings in der Form eines haarlosen, blauhäutigen Mannes mit Superkräften. Er ist der einzige Protagonist, der über übermenschliche Kräfte verfügt. Er verfügt unter anderem über die Gabe der Präkognition (nur im Zusammenhang mit seiner eigenen Person), der Transmutation, der Telekinese und der Teleportation, die sich aus seiner augenscheinlich völligen Kontrolle von Materie und Energie ergeben.

Für Manhattan spielt Zeit keine Rolle. Die Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft von ihm und ihm nahestehenden Personen sind ihm gegenwärtig. Insofern hält er die Zukunft für unabänderlich. Seine Konsequenz: Er widmet sich der Forschung im Regierungsauftrag. Denn an der Verbrechensverfolgung hat er immer mehr das Interesse verloren, sie ist ihm zu unbedeutend, auch weil es wenig sinnvoll ist, Verbrecher zu jagen, wenn doch ohnehin nur passiert, was sowieso passieren wird. Die Frage, die ihn viel mehr reizt, ist die nach dem Warum: Also nutzt er seine Superkräfte für physikalische Experimente.

Mit Dr. Manhattan spielt Alan Moore den Gedanken des Helden mit tatsächlichen Superkräften durch – und der Wirkung jener Kräfte auf den Helden selbst: Anders als Rorschach treibt Manhattan nämlich nicht die Sehnsucht nach Gerechtigkeit an – Manhattan ist Superheld ohne Interesse am Heldentum, er ist es einfach, weil er durch einen Unfall eben Superkräfte unvorstellbaren Ausmaßes gewinnt. Und diese Kräfte beeinflussen wiederum auch ihn: Durch den neuen Blickwinkel, durch die Einsicht in elementare Zusammenhänge des Universums verlieren für ihn zunehmend herkömmliche Zusammenhänge oder auch Zwischenmenschliches an Bedeutung. So findet Manhattan nichts dabei, seinen Körper beim Sex mit seiner Lebensgefährtin zu vervielfachen, um gleichzeitig im Labor weiterforschen zu können. Eine Herabsetzung von Partnerschaft und Romantik kann er darin nicht mehr erkennen, ihren Ärger bei Auffliegen seiner mehrfachen parallelen Beschäftigungen nicht mehr nachvollziehen. Und mehr noch, verliert er später jegliches Interesse an der Rettung der Menschheit, der er angesichts des Kosmos nur marginale Bedeutung zubilligen kann.

Seine zunehmende Distanz zur Menschheit spiegelt sich auch in seiner Kleidung wider. Trägt er zu Beginn seiner Superheldenkarriere noch ein Ganzkörperkostüm, bedeckt er seinen Körper später immer weniger, bis er die meiste Zeit nackt verbringt. Konventionelle Kleidung trägt er nur bei seinen wenigen offiziellen Auftritten.

Rorschach

Rorschach ist eine gestörte Persönlichkeit, die sich durch ein reines Schwarz-Weiß-Denken auszeichnet. Er besitzt keinerlei Superkräfte oder spezielle Ausrüstung, er ist nur sehr erfahren im Straßenkampf und ein ausgezeichneter Detektiv. Außerdem legt er eine extreme Brutalität an den Tag und gewinnt seine Informationen, indem er Verdächtige oder Unbeteiligte foltert. Sein Merkmal ist eine Maske mit einem sich ständig ändernden Muster, welches einem Rorschachtest gleicht. Die Figur basiert auf dem DC/Charlton-Comics-Superhelden The Question.

Rorschach (eigentlich: Walter Kovacs) hat nichts Glamouröses, nichts Bewundernswertes. Er ernährt sich von kalten Bohnen aus der Dose und von Zuckerwürfeln, die er gelegentlich verschlingt. Er schläft kaum, und wenn er seine Maske kurz lüftet, wirkt er extrem ungepflegt. Auch riecht er schlecht – eben wie jemand, der Tag und Nacht Verbrecher jagt. Nach seiner Verhaftung enthüllt Rorschach gegenüber dem Gerichtspsychologen, dass sich seine Heldenkarriere in zwei Teile gliedert. Anfangs sei er ein Verbrechensbekämpfer aus schlichter Überzeugung gewesen, eben Walter Kovacs, der sich zum Verbrecherjagen verkleidet. Erst nach einem extrem grausamen Entführungsfall sei er tatsächlich durch und durch zu Rorschach geworden – der angesichts von Verbrechen und Korruption nicht mehr wegsehen könne. Und der in den ihm vom Psychologen entgegengehaltenen Rorschach-Flecken eben keine Blumen und Schmetterlinge mehr sehen könne, sondern nur noch die entsetzlichen Grausamkeiten, die er in seiner Verbrecherjäger-Karriere erlebt hat. Seither ist er nicht mehr jemand, der sich gelegentlich als Rorschach verkleidet – sondern Rorschach, der gelegentlich sein „Gesicht“ (die Maske) ablegt und sich als Walter Kovacs verkleidet.

Eindeutig sind dabei die Parallelen zum „Comedian“, der aus derselben Erkenntnis wie Rorschach jedoch die exakt gegenteilige Schlussfolgerung zieht: Während Rorschach von seiner schier unerfüllbaren Verpflichtung zum Kampf für Gerechtigkeit aufgefressen wird, folgert der „Comedian“, er als Einzelner könne ohnehin nichts ändern – und somit genauso gut aus seiner Rolle den größtmöglichen Spaß für sich ziehen.

Auch grafisch wird die Geschichte von dem ungleichen Duo Comedian/Blake und Rorschach/Kovacs eingerahmt: Das erste Panel zeigt den blutbefleckten Smiley-Button des Comedian und die erste Person, die ins Bild kommt, ist Kovacs. Das letzte Panel zeigt ein Smiley-Logo (mit einem blutroten Ketchup-Spritzer) auf dem T-Shirt eines dümmlichen Redaktionsassistenten, der nach dem Tagebuch greift, das Kovacs vor seinem Tod an diese Redaktion schickte.

Der zweite Nite Owl

Richtiger Name: Daniel Dreiberg. Dreiberg ist das introvertierte Gegenstück zu Batman (und zahlreichen, nach einem ähnlichen Grundmuster gestrickten Superhelden): ein wohlhabender Mann, der seinen Charakter „Nite Owl“ mit jeder Menge Gimmicks ausrüstete. Ein Eulenschiff („Owlship“, von Nite Owl selbst „Archimedes“ oder „Archie“ genannt), verschiedene Eulenanzüge zum Tauchen etc. helfen Dreiberg, der keinerlei Superkräfte besitzt. Inzwischen hat er sich zurückgezogen, geht gelegentlich in seinen bathöhlenartigen Keller, um den guten alten Zeiten nachzutrauern und weiß ansonsten nicht so recht, was er mit seiner Zeit tun soll. Er ist rationaler als sein Ex-Partner Rorschach, zog sich deshalb auch bei der Verabschiedung des Antisuperheldengesetzes widerspruchslos zurück, was der Fanatiker Rorschach ihm übelnahm.

Die Rolle des „Nite Owl“ dient ihm auch zur Überwindung seiner Selbstzweifel. Dies wird besonders deutlich in seiner Beziehung zur ehemaligen Heldenkollegin Juspeczyk, wo er erst dann sexuelle Leistungsfähigkeit erreicht, als er das Eulenkostüm zu Hilfe nimmt.

Die zweite Silk Spectre

Laurie Jane Juspeczyk hatte nie große Lust auf den Superheldenjob. In die Rolle gedrängt wurde sie von ihrer Mutter, der ersten Silk Spectre, die ihre Karriere steuerte wie Mütter von Tennis-Stars oder Models. Juspeczyk hat sich ebenfalls zurückgezogen, lebt nun an der Seite Dr. Manhattans und leidet unter seiner wachsenden Vergeistigung, die sie in die Nähe Daniel Dreibergs bringt. Die beiden werden später ein Paar.

Titel

Der Titel Watchmen bezieht sich auf ein Zitat des römischen Autors Juvenal aus seiner Satire VI, Vers 347: „Quis custodiet ipsos custodes?“, zu deutsch: „Wer wird die Wächter überwachen?“. Ins Präsens gewandt, beherrscht dieser Spruch („Who watches the Watchmen?“), der aber nie vollständig in den Panels abgebildet ist, als Graffiti die Straßenbilder der „überwachten“ Städte im Comic. Im Comic kommt kein Superheldenteam dieses Namens vor.

Graphische Gestaltung

Der Schriftsteller Alan Moore und der Zeichner Dave Gibbons gestalteten Watchmen, um die einzigartigen Qualitäten des Mediums Comic und seine Stärken hervorzuheben. Moore sagte 1986 in einem Interview: „Was ich erforschen möchte, sind die Bereiche, in denen Comics erfolgreich waren, während dort kein anderes Medium funktionierte“. Im weiteren unterstrich er die Unterschiede zwischen Comics und Filmen. Moore sagte, Watchmen sei so entworfen, dass es vier bis fünf Mal gelesen werden solle und Zusammenhänge und Anspielungen erst nach einigen Lesungen erkenntlich werden würden.[1] Dave Gibbons merkt an, „während der Fortschritte von Watchmen wurde das Erzählen viel wesentlicher als die eigentliche Erzählung. Was die Geschichte antreibt, sind die MacGuffins, Tricks … Deshalb ist die Geschichte selbst von keiner großen Auswirkung … sie ist nicht wirklich das interessanteste an Watchmen. Als wir tatsächlich begannen, die Geschichte zu erzählen, da kam die wirkliche Kreativität ins Spiel.“[2]

Gibbons sagte, er gestaltete Watchmen absichtlich optisch so, dass jede Seite als Teil dieser speziellen Serie erkennbar sein sollte und „nicht irgend eines anderen Comic-Buchs“.[3] Er bemühte sich, die Charaktere gezielt anders zu zeichnen als in Comics üblich.[3] Der Illustrator zeichnete die Serie mit „einer speziellen Strichstärke, unter Verwendung eines harten, steifen Stifts, der nicht viel Variation in der Strichstärke erlaubte“, was, so hoffte er, „es von den üblichen satten, flüssigen Comic-Buch-Linien unterscheiden würde“.[4] 2009 erinnerte sich Moore in einem Interview, er nutzte Gibbons Ausbildung zum Gutachter, um „unglaubliche Mengen von Details in jedem kleinen Panel unterzubringen, so dass wir jedes kleine Detail choreographieren konnten“..[5] Gibbons beschreibt die Serie als „ein Comic über Comics“.[6] Er empfand: „Alan ist mehr mit dem sozialen Konsequenzen [der Gegenwart von Super-Helden] beschäftigt und ich mehr mit den technischen Konsequenzen.“ Die alternative Geschichte erlaubte Gibbons, Details der amerikanischen Landschaft zu verändern, wie Elektromobile, leicht abweichende Gebäude und „Elektro-Hydranten“ statt Löschwasser-Hydranten. Das, so Moore, „gibt der amerikanischen Leserschaft vielleicht die Gelegenheit, ihre eigene Kultur auf verschiedene Weisen so zu sehen, wie ein Außenseiter es würde“." Gibbons bemerkte, dieses Setting sei befreiend für ihn, weil er nicht hauptsächlich auf Nachschlagewerke angewiesen war.[7]

Kolorist John Higgins benutzte eine „düsterere“ Palette und bevorzugte Mischfarbe.[8] Moore gab an, dass er schon „immer Johns Kolorationen mochte, ihn aber immer mit Airbrush-Kolorationen in Verbindung brachte“, was er für Watchmen nicht wollte; Higgins entschloss sich folglich, Watchmen im europäischen Stil gleichmäßig zu kolorieren. Moore sagte, Higgins hätte vor allem auf die Beleuchtung und feine Farbwechsel geachtet. In Ausgabe 6 begann Higgins mit warmen und fröhlichen Farbtönen und machte sie durch die Ausgabe hindurch dunkler, um der Geschichte ein düsteres und trostloses Gefühl zu geben.[9]

Verfilmung

Schon seit den späten 1980er Jahren ist eine Verfilmung der Materie im Gespräch. Sam Hamm schrieb damals bereits ein Drehbuch, das allerdings nie umgesetzt wurde. Auch Terry Gilliam war eine Zeitlang im Gespräch, wollte den Comic allerdings nicht in Form eines einzelnen Filmes umsetzen. 2005 war Darren Aronofsky als Regisseur vorgesehen, konnte aber aufgrund zeitlicher Überschneidungen mit einem anderen Filmprojekt Watchmen nicht umsetzen.

Nachdem schon andere erfolgreiche Comics von Alan Moore wie From Hell, Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen und V wie Vendetta in Kinofilme umgesetzt wurden, ist Zack Snyder auf dem Regiestuhl gelandet. Der Kinostart von Watchmen – Die Wächter war in Deutschland am 5. März 2009, in den USA startete der Film einen Tag später.

Auszeichnungen

Watchmen wurde mit mehreren Preisen nicht nur aus dem Comic-Bereich ausgezeichnet, darunter

  • 1987 Kirby Award, Best Finite Series, Best New Series, Best Writer, Best Writer/Artist
  • 1988 Eisner Award, Best Finite Series, Best Graphic Album, Best Writer, Best Writer/Artist
  • 1988 Hugo Award, Spezielle Auszeichnung
  • 1990 Max-und-Moritz-Preis, als beste deutschsprachige Comic-Publikationen
  • 2005 Aufgenommen in die Liste der 100 besten englischsprachigen Romane seit 1923 des Nachrichtenmagazins Time [10]

Deutsche Ausgaben

Comic:

Begleitband zum Comic:

  • Dave Gibbons: Watching the Watchmen – Die Entstehung einer Graphic Novel. Panini Comics, 2009, ISBN 978-3-86607-817-8

Literatur

  • Hans-Joachim Backe: Under the Hood. Die Verweisstruktur der Watchmen. Bachmann, 2010, ISBN 978-3-941030-10-7

Einzelnachweise

  1. Vincent Eno, El Csawza: Vincent Eno and El Csawza meet comics megastar Alan Moore. In: Strange Things Are Happening. Mai/Juni 1988.
  2. Salisbury, S. 82
  3. a b Salisbury, S. 77
  4. Salisbury, S. 80
  5. Adam Rogers: Legendary Comics Writer Alan Moore on Superheroes, The League, and Making Magic. Wired.com. 23. Februar 2009. Zugegriffen am 24. Februar 2009.
  6. Bhob Stewart: Dave Gibbons: Pebbles in a Landscape. In: The Comics Journal. Juli 1987.
  7. A Portal to Another Dimension. In: The Comics Journal. Juli 1987.
  8. Jeff Jensen: Watchmen: An Oral History (3 of 6). In: Entertainment Weekly. 21. Oktober 2005. Zugegriffen am 8. Oktober 2008.
  9. Jeff Jensen: Watchmen: An Oral History (2 of 6). In: Entertainment Weekly. 21. Oktober 2005. Zugegriffen am 28. Mai 2006.
  10. http://www.time.com/time/2005/100books/the_complete_list.html

Weblinks


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