Wilhelm Hohoff

Wilhelm Hohoff

Wilhelm Hohoff (* 9. Februar 1848 in Medebach; † 10. Februar 1923 in Paderborn) war ein deutscher katholischer Priester und Marx-Kenner.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Hohoff war Sohn eines Gerichtsbeamten und besuchte das Gymnasium Petrinum in Brilon. Von 1866 an studierte er Theologie und Philosophie in Münster, wo er der K.D.St.V. Sauerlandia Münster beitrat.[1] Nach einem Jahr wechselte er je für ein Semester an die Universitäten Bonn und Marburg. Die letzten vier Semester studierte er an der Theologischen Anstalt in Paderborn, nach dem obligatorischen Alumnatsjahr im Priesterseminar wurde er 1871 zum Priester geweiht.[2] Er war zwischen 1871 und 1885 Kaplan auf Schloss Hüffe (Kreis Lübbecke), danach Vikar in der kleinen Diasporagemeinde Petershagen bei Minden, ehe er wegen dauernder Krankheit 1905 die aktive Seelsorge aufgeben musste.

Hohoff war neben Franz Hitze einer der ersten Katholiken in Westfalen, die sich ernsthaft mit den Schriften von Karl Marx auseinandergesetzt haben. Er kam nach einem gründlichen Studium des Kapitals zu der Meinung, dass einige der Grundthesen von Marx nicht grundsätzlich der christlichen Lehre entgegenstehen würden. Hohoff lieferte sich mit August Bebel 1874 eine öffentliche Kontroverse, die unter dem Titel "Christentum und Sozialismus" veröffentlicht wurde. Mit seinem bekannten Satz: "Christentum und Sozialismus stehen sich gegenüber wie Feuer und Wasser" erteilte Bebel den Hoffnungen Hohoffs auf ein Zusammengehen eine klare Absage. Hohoff hingegen versuchte, durch sein gesamtes wissenschaftliches Werk Bebel vom Gegenteil zu überzeugen, nämlich, "dass nicht Christentum und Sozialismus, sondern Kapitalismus und Christentum sich einander gegenüberstehen wie Wasser und Feuer"[3]. In einem Brief aus dem Jahre 1909 bestätigte August Bebel: "Dass wir uns beide einmal im Leben nähertreten würden, gewissermaßen als halbe Gesinnungsverwandte, hätte wohl keiner von uns geglaubt."[4]

Hohoff war der erste und einzige katholische Theologe, der Teile der Marxschen Thesen öffentlich verteidigte und für eine Verständigung zwischen Christentum und Sozialismus eintrat. Aufgrund dessen wurde Hohoff in der öffentlichen Auseinandersetzung als der "Rote Pastor" bekannt. Als Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts bekannt wurde, dass sich viele Katholiken unter Berufung auf Hohoffs Schriften der SPD anschlossen, sollte dieser nach Aufforderung des damaligen Paderborner Generalvikars seine Nichtzugehörigkeit zur SPD bekunden. Dieser Aufforderung kam er mit der Erklärung: "Ich erkläre hiermit, dass ich Sozialist und Demokrat bin. Ich gehöre aber der Sozialdemokratischen Partei nicht an. Insbesondere will ich nichts wissen von Unglauben und Atheismus. Ich bin gläubiger katholischer Priester." nach. Hierauf wird Hohoff am 8. August 1922 im Kirchlichen Amtsblatt gerügt, wogegen er protestiert.[5]

Geriet Hohoffs Werk zunächst in Vergessenheit, wurden dessen Ideen insbesondere im Werk Theodor Steinbüchels aufgegriffen. [6] Auch auf die Forschung und das Schaffen von Walter Dirks hatten die Schriften Hohoffs nachhaltige Wirkung.[7] Die Generation der "Achtundsechziger" um die Zeitschrift Kritischer Katholizismus, vor allem ihr Redakteur Klaus Kreppel, setzte sich mit Wilhelm Hohoffs Sozialismus-Rezeption auseinander. Klaus Kreppel verfasste bei Iring Fetscher in Frankfurt die im Literaturverzeichnis erwähnte Dissertation.[8]

Schriften

  • Protestantismus und Sozialismus. Historisch-politische Studien, Paderborn 1881
  • Warenwert und Kapitalprofit. Eine Einführung in das Studium der politischen Ökonomie, Paderborn 1902
  • Die Bedeutung der Marxschen Kapitalkritik. Eine Apologie des Christentums vom Standpunkte der Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft, Paderborn 1908
  • An die verehrliche Redaktion des „Volksstaat“ zu Leipzig, in: Bebel, August: Christentum und Sozialismus. Eine religiöse Polemik zwischen Herrn Kaplan Hohoff in Hüffe und A. Bebel, Berlin 1912, 3-5
  • Zur Geschichte des Wortes und Begriffs „Kapital“, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 14 (1917) 554-574, und 15 (1918) 281-310
  • Die wissenschaftliche Leistung von Karl Marx, in: Münchener Katholiken- und Kirchenzeitung Nr. 47 vom 22. November 1919, 475-478
  • Karl Marx und der Materialismus, in: Münchener Katholiken- und Kirchenzeitung Nr. 51 vom 20. Dezember 1919, 525-528, und Nr. 52 vom 27. Dezember 1919, 538-541
  • Antwort an Herrn Prof. Götz Briefs, in: Deutsche Arbeit 5 (1920) Nr. 8, 300-312
  • Vom Kapitalismus und Sozialismus, in: Deutsche Arbeit 5 (1920) Nr. 2, 49-54
  • Eine ethische Begründung des Klassenkampfes, in: Die Neue Zeit 40 (1922) Bd. 1, Nr. 17 vom 20. Januar 1922, 398-401

Einzelnachweise

  1. Kreppel, Klaus: Entscheidung für den Sozialismus.Die politische Biographie Pastor Wilhelm Hohoffs 1848–1923 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung 114), Bonn-Bad Godesberg 1974, S. 33
  2. Klaus Kreppel: Entscheidung für den Sozialismus. a.a.O., S. 33f.
  3. Wilhelm Hohoff: Die wissenschaftliche und kulturhistorische Bedeutung der Karl Marx'schen Lehren. Braunschweig 1921, S. 14
  4. August Bebel an Wilhelm Hohoff am 21. Januar 1909, zit. n. Klaus Kreppel: Entscheidung für den Sozialismus. Die politische Biographie Pastor Wilhelm Hohoffs 1848–1923. a.a.O., S. 93.
  5. Reinhard Richter, Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik, Reihe: Theologie Bd. 29, 2000, LIT-Verlag Münster, 440 S., ISBN 3-8258-4991-0, S. 117
  6. Reinhard Richter: Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik. a.a. O.
  7. Bruno Lowitsch: Der Kreis um die Rhein-Mainische Volkszeitung. Steiner, 1980, S. 26.
  8. Wilhelm Weber: Wilhelm Hohoff (1848–1923). Leben und nationalökonomische Ideen eines sozialengagierten Paderborner Priesters. In: Paul-Werner Scheele (Hrsg.): Paderbornensis Ecclesia. Beiträge zur Geschichte des Erzbistums Paderborn. Festschrift für Lorenz Kardinal Jaeger zum 80. Geburtstag. Paderborn 1972, S. 569.

Literatur

  • Dietz, Eduard: Wilhelm Hohoff und der Bund katholischer Sozialisten (Schriften der religiösen Sozialisten 6), Karlsruhe o.J. [1928]
  • Dirks, Walter: Walter Dirks über Wilhelm Hohoff. Ein Priester und Sozialist, in: kritischer Katholizismus 4 (1971) Nr. 6, 5-7
  • Dokumentation Wilhelm Hohoff, in: Fragezeichen. Bildungspolitische Zeitschrift, hrsg. vom Paderborner Arbeitskreis des Deutschen Instituts für Bildung und Wissen 6 (1972/73) Nr. 5/6
  • Fischer, Max: Das Lebenswerk Wilhelm Hohoffs, in: Deutsche Arbeit 6 (1921) Nr. 8, 304-310
  • Haurand, Peter Wilhelm: Wilhelm Hohoff, in: Frankfurter Hefte 3 (1948) 161-165
  • Herr, Theodor: Der "rote Pastor" Wilhelm Hohoff (1848 - 1923) bewirbt sich um eine Berufung an die Paderborner Universität, in: Theologie und Glaube 79 (1989) 446-459
  • Kreppel, Klaus: Bürgerlicher Antikapitalismus? Neuere Literatur zum „Religiösen Sozialismus“, in: kritischer Katholizismus 5 (1972) Nr. 5, 8-9
  • Kreppel, Klaus: Entscheidung für den Sozialismus. Die politische Biographie Pastor Wilhelm Hohoffs 1848-1923 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung 114), Bonn-Bad Godesberg 1974, ISBN 3-87831-182-6
  • Kreppel, Klaus: Wilhelm Hohoff - der „rote Pastor“ und die katholischen Sozialisten, in: Ewald, Günter (Hrsg.): Religiöser Sozialismus, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1977, 79-90, ISBN 3-17-004366-8
  • Kreppel, Klaus: Wilhelm Hohoff - Priester und Sozialist, in: Sölle, Dorothee/Schmidt, Klaus (Hrsg.): Christentum und Sozialismus. Vom Dialog zum Bündnis, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1977, 88-93, ISBN 3-17-002288-1
  • Kreppel, Klaus: Wilhelm Hohoff – Christ und Sozialist. In: Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins. Jahrgang 45 (1973), S. 81-88.
  • Kreppel, Klaus: Der tote Pastor Wilhelm Hohoff. Abschließende Bemerkungen zu einem hundertjährigen Streit. In: Kritischer Katholizismus. Köln. 6. Jahrgang, Nr. 4. April 1973
  • Kreppel, Klaus: Wilhelm Hohoff – 1848-1923. Zum 60 Todestag des Priesters und Sozialisten. In: Christ und Sozialist. Blätter des Bundes der Religiösen Sozialisten Deutschlands e.V. 2/II. Vierteljahr 1983
  • Kreppel, Klaus: Zum 60 Todestag des Priesters und Sozialisten. In: Kuratorium Wilhelm Hohoff (Hrsg.): Gedächtnisfeier für Wilhelm Hohoff. Hüffe 1983
  • Kreppel, Klaus: Zwischen Thomas von Aquin und Karl Marx. Die Synthese von Sozialismus und Katholizismus durch Wilhelm Hohoff. In : Christ und Sozialist. Blätter des Bundes der Religiösen Sozialisten. Neue Folge 14. Jg. Düsseldorf. Mai 1990 (2/90)
  • Kühn, Heinz et al.: Christ und Sozialist: Pfarrer Wilhelm Hohoff. Essen 1973, ISBN 3-87497-108-2
  • Lienkamp, Andreas: Theodor Steinbüchels Sozialismusrezeption. Eine christlich-sozialethische Relecture, Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2000, bes. 275-297
  • Meßner, Johannes: Art. Hohoff, in: LThK1 5, 112-113
  • Meßner, Johannes: Art. Hohoff, in: StL5 2, 1324-1326
  • Meßner, Johannes: Wilhelm Hohoffs Marxismus. Studien zur Erkenntnislehre der nationalökonomischen Theorie, unveröff. Diss., München 1925
  • Raab, Heribert: Neue Quellen zum Leben und Werk von Wilhelm Hohoff, in: JCSW 25 (1984) 137-184
  • Raab, Heribert: Wilhelm Hohoff und Johannes Janssen. Unbekannte Briefe des „roten Pastors“ an einen „ultramontanen“ Historiker, in: JCSW 22 (1981) 249-278
  • Rath, Volker und Wolfgang Battermann: Wilhelm Hohoff (1848-1923). Zur Rezeption eines unbequemen Petershäger Pastors. Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins, Jahrgang 56 (1984), S. 141-146.
  • Schulte, Wilhelm: Westfälische Köpfe. Münster 1977, 122f. ISBN 3-402-05700-X
  • Sobota, Wilhelm: Ein katholisch-sozialistisches Priesterleben. Zu Wilhelm Hohoffs 100. Geburtstag und 25. Todestag, in: Geist und Tat 3 (1948) 309-312

Weblinks


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