Wilhelm Rüstow

Wilhelm Rüstow

Wilhelm Rüstow (* 25. Mai 1821 in Brandenburg an der Havel; † 14. August 1878 in Aussersihl bei Zürich) war ein Freiheitskämpfer und Revolutionär, Militärschriftsteller und -historiker. Er ist Großonkel von Alexander Rüstow.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wilhelm Rüstow um 1865

Rüstow trat 1838 bei den Pionieren in den Dienst und wurde 1840 Offizier. 1845 erschien in Leipzig unter seinem Pseudonym Huldreich Schwertlieb sein erste Schrift Der Deutschen Festungsvertheidiger Stellung und Gefechtskunst und Krieg der Zukunft, in der er sich bereits für die Erschaffung einer Volkswehr aussprach. Rüstow wurde daraufhin nach Königsberg zum Festungsbau versetzt, führte dort aber in dem „demokratischen Club“ öffentliche Debatten. 1847 verbreitete er sogar ein Flugblatt Brief eines demokratischen Offiziers an die Männer des Volkes und beteiligte sich an der Märzrevolution.

Am 25. November 1848 wurde er deswegen vom Dienst suspendiert und hatte eine Reihe von Militärgerichtsverfahren zu bestehen, die anfangs zu seinen Gunsten ausfielen. Als am 29. Dezember 1849 Der deutsche Militärstaat vor und während der Revolution in Königsberg bei Sauter von ihm erschien, wurde er verhaftet und die Auflage seiner Bücher beschlagnahmt. In einem neuen Verfahren wurde Rüstow am 7. März 1850 vom Militärgericht in Posen wegen öffentlicher Anreizung zum Aufruhr und Majestätsbeleidigung zu anderthalb Jahren Festungsarrest, Verlust der Nationalkokarde und Ausstoß aus dem Offiziersstande verurteilt. Auf persönliche Order des Königs Friedrich Wilhelm IV. wurde die Sache erneut vor dem Kriegsgericht in Stettin verhandelt. In der Nacht am 30. Juni 1850 konnte Rüstow aus dem Gefängnis in die Schweiz fliehen. In Abwesenheit wurde er am 6. August 1850 wegen Hochverrats und Majestätsbeleidigung unter anderem zu 31,5 Jahren mit anschließender zehnjähriger Polizeiaufsicht verurteilt.

Ermächtigunggsschreiben Wilhelm Rüstows durch Garibaldi

Im Exil in der Schweiz verfasste er in Aussersihl in der Nähe von Zürich zahlreiche Bücher über zeitgenössische Kriege, Kriegstheorien und ein militärisches Nachschlagewerk, das weithin Beachtung fand. Er unterhielt Korrespondenzen mit zahlreichen anderen deutschen Emigranten wie Georg Herwegh oder Hermann Köchly. 1853 wurde Rüstow Instructeur im Schweizer Heer. Ein Begnadigungsersuchen scheiterte 1856, obwohl sich der damalige preußische Abgeordnete in Frankfurt Otto von Bismarck für ihn beim König einsetzte. 1857 heiratete Rüstow und wurde Vater. Von den vier Kindern überlebten nur zwei Töchter, die ihre an einer Rückenmarkserkrankung leidende Mutter pflegten.

Im Sommer 1860 nahm er auf Werben von Emma Herwegh am Zweiten Italienischen Befreiungskrieg als Generalstabschef Giuseppe Garibaldis, dann als Kommandant des linken Flügels der Südarmee teil und war am 19. September bei Capua und am 1. Oktober gegen die Neapolitaner siegreich. Nachdem Garibaldi seine Eroberungen König Viktor Emanuel II. überantwortet hatte, kehrte Rüstow als Oberst-Brigadier in die Schweiz zurück. 1864 war Rüstow persönlicher Sekundant von Ferdinand Lassalle und wurde Zeuge, wie dieser am 28. August 1864 bei einem Duell in einem Wäldchen bei Genf tödlich verwundet wurde.

1867 bis 69 war Rüstow mehrmals auf Einladung der Regierung in Paris, um die Übersetzung eines Teils seiner Werke und die Aufnahme in die Schulbücher zu überwachen. 1870 bot er seine Dienste vergeblich Preußen im Deutsch-Französischen Krieg an und wurde schließlich Oberst im schweizerischen Generalstab. Die literarischen Einkünfte seiner Werke ebbten ab und er geriet in finanzielle Nöte. Als am 26. Oktober 1877 rückwirkend durch schweizerischen Bundesschluss ein Lehrstuhl für Kriegswissenschaften am eidgenössischen Polytechnikum in Zürich errichtet wurde, berief man Rüstow, jedoch wurde schon nach Ende des Winterhalbjahres 1877/78 das Lehramt dem Schweizer Emil Rothpletz übertragen. Am 14. August 1878 erschoss sich Rüstow verzweifelt in seiner Wohnung in Aussersihl bei Zürich.

Seine beiden jüngeren Brüder Alexander Rüstow d.Ä. und Cäsar Rüstow waren ebenfalls Offiziere und Militärschriftsteller, fielen jedoch beide 1866 im Deutsch-Deutschen Krieg.

Wirken

Wilhelm Rüstow gehört zu den wenigen deutschen Militärschriftstellern. Seine Werke waren bei Hofe ein beliebtes Gesprächsthema und wurden selbst von Gegnern gewürdigt.

Sein umfangreiches, vielseitiges Werk lässt sich in drei Kategorien einordnen:

  • Grundlagenforschung (Allgemeine Taktik, Die Lehre vom kleinen Kriege, Die Feldherrnkunst des neunzehnten Jahrhunderts u.a.)
  • Untersuchung zeitgenössischer und historischer Kriege (Der deutsch-dänische Krieg 1864,Griechische Kriegsschriftsteller, u.a.m.)
  • Arbeitsmittel der Militärforschung (Militärisches Hand-Wörterbuch, Kriegspolitik und Kriegsgebrauch, u.a.)

Bei den Kriegsuntersuchungen muss anerkannt werden, dass Rüstow es in seltenem Maße verstand, die Quellen zu sichten und das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen, obwohl die Ereignisse erst wenige Monate zurücklagen.

Wilhelm Rüstow gilt als einer der profiliertesten deutschen Vertreter der Volkswehr, deren Idee er in einem Teil seiner Schriften zu untermauern versuchte und die er während des Schweizer Exils im Schweizer Generalstabe mit anderen zusammen im Wesentlichen umsetzen konnte.

Werke

  • Der deutsche Militärstaat vor und während der Revolution. Königsberg Pr. 1850 und Zürich 1851.
  • Wilhelm Rüstow, Oberst-Brigadier: Der Krieg von 1866 in Deutschland und Italien. Zürich 1866 bei Schultheß.
  • Allgemeine Taktik, nach den gegenwartigen Standpunkt der Kriegskunst bearbeitet, Mit erläuternden Beispielen. Zürich (Schultheß) 1862.
  • Annalen des Königreichs Italien 1861 bis 1863, zwei Bände. Zürich (Meyer und Zeller) und Leipzig (Köhler) 1864.
  • Das preußische Militärbudget für 1862; Ein Hilfsbüchlein für die preußischen Wahlversammlungen und das neue Abgeordnetenhaus. Berlin (Janka) 1862.
  • Der Angriff auf die Krim und der Kampf um Sebastopol, Übersichtlich dargestellt (Vom Beginn des Feldzuges bis zum Wiener Traktat, anfangs September bis 2. Dezember 1854). Frauenfeld (Reinmann) 1855.
  • Der deutsch-dänische Krieg 1864, politisch-militärisch beschrieben. Zürich (Schultheß) 1854.
  • Der deutsche Militärstaat vor und während der Revolution. Königsberg (Santer) l850.
  • Der deutsche Militärstaat vor und nach der Revolution. Zürich (Kiesling) 1851.
  • Der italienische Krieg von 1860 und 1849, Mit einer kurzen Kriegstheorie in kritischen Bemerkungen über die Ereignisse. Zürich (Schultheß) 1862.
  • Der italienische Krieg 1859, politisch militärisch beschrieben. Zürich (Schultheß) 1861; als II. Band Der italienische Krieg 1860. Zürich (Schultheß) 1861.
  • (als Huldreich Schwertlieb): Der Krieg der Zukunft. Einige Worte an die junge Generation. Leipzig (Biedermann) 1845.
  • Der Krieg gegen Rußland, politisch militärisch bearbeitet. I. Band Zürich (Schultheß) 1855, II. Band Zürich (Schultheß) 1855.
  • Der Krieg in der Türkei, Zustände und 1876. Zürich (Schultheß) 1877.
  • Der Krieg um die Rheingrenze 1870, politisch und militärisch dargestellt. Zwei Bände, Zürich (Schultheß) 1870 und 1871.
  • Der Krieg und seine Kittel, Eine allgemein fachliche Darstellung der ganzen Kriegskunst. Leipzig (Mayer) 1856.
  • Der Krieg von 1805 in Deutschland und Italien. Als Anleitung zu kriegshistorischen Studien. Zürich (Meyer und Zeller) 1852
  • Der Krieg von 1866 in Deutschland und Italien, politisch-militärisch beschrieben. Zürich (Schultheß) 1866.
  • Der Orientalische Krieg in seiner neuesten Phase in den Jahren 1877 und 1878. Zürich( Crell, Füssli u. Co.) 1878.
  • Die Brigade Milano (in: Demokratische Studien, hrsg. von Ludwig Walesrode, II. Band 93-136, Hamburg 1861).
  • Die ersten Feldzüge Napoleon Bonapartes in Italien und Deutschland 1796 und 1797. Zürich (Schultheß) 1867.
  • Die Feldherrnkunst des neunzehnten Jahrhunderts. Zum Selbststudium und für den Unterricht.
  • Die Grenzen der Staaten, Eine militärisch-politische Untersuchung. Zürich (Schultheß) 1868.
  • Die Lehre vom Gefecht aus den Elementen neu entwickelt für die Gegenwart und nächste Zukunft. Zürich (Meyer und Zeller) 1865.
  • Die Lehre vom kleinen Kriege. Zürich (Schultheß)1864.
  • Die Lehre vom neueren Festungskrieg, für Offiziere aller Waffen bearbeitet. Leipzig (Förstner) 1860.
  • Die Lehre von der Anwendung der Verschanzungen nach den allgemeinen Grundsätzen der Kriegskunst für Offiziere aller Waffen bearbeitet. Frauenfeld (Verlags-Comptoir) 1853.
  • Die Militärschule, allgemeine Einleitung in das Studium der Kriegswissenschaft für Militärs, Staatsmänner und Lehrer. Zürich (Schultheß) 1868.
  • Die preußische Armee und die Junker. Hamburg (Meißner) 1861.
  • (als Wilhelm v. (!) Rüstow): Die russische Armee. Wien (Hilberg) 1867.
  • Dietrich von Bülows Bedeutung für die Entwicklung der Kriegswissenschaft (in: Eduard Bülow und Wilhelm Rüstow, Militärische und vermischte Schriften von Heinrich Dietrich von Bülow, Leipzig 1853, 113-149).
  • Die Wahrheit über den preußischen Wehrgesetz-Entwurf. Nördlingen (Beck) 1860.
  • (mit Hermann Köchly): Einleitung zu C. Julius Cäsars Commentarien über den gallischen Krieg. Gotha (Scheube) 1857.
  • (als Huldreich Schwertlieb) Ein Votum, betreffend die zweckmäßigere, namentlich billigere Gestaltung der preußischen Wehrverfassung durch ihre Begründung auf die ursprünglichen Ideen des Landwehrinstitutes (in: Minerva 224. Band 1847 IV).
  • Erinnerungen aus dem italienischen Feldzuge von 1860. Leipzig (Brockhaus) 1861 (zwei Teile).
  • (mit Hermann Köchly): Gaius Julius Cäsars Memoiren über den Gallischen Krieg, Deutsch von ... Berlin (Langenscheidt) 13. Aufl. o.J., 1851
  • Geschichte der Infanterie. zwei Bände Gotha (Scheube) 1857/58.
  • (mit Hermann Köchly): Geschichte des griechischen Kriegswesens von der ältesten Zeit bis auf Pyrrhos. Nach den Quellen bearbeitet. Aarau (Verlags-Comptoir) 1862.
  • Geschichte des ungarischen Revolutionskrieges in den Jahren 1848 und 1849. Zwei Bände, Zürich (Schultheß) 1860/61.
  • Graf Arnim-Boytzenburg: Ueber die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung. Beleuchtet von Wilhelm Rüstow. Berlin (Gerhard) 1849.
  • (mit Hermann Köchly): Griechische Kriegsschriftsteller, Griechisch und Deutsch mit kritischen und erklärenden Anmerkungen. Drei Bände Leipzig (Engelmann} 1853 und 1855.
  • (anonym): Grundlinien zu einer Philosophie der Befestigungen, Eine ehrliche Verständigung über den heutigen Stand derselben, ihre Beziehungen zu Land- und Landesverteidigung, zu den Völkern, Regierungen und Armeen, Von einem deutschen Ingenieur. Leipzig (Binder) 1843.
  • Heerwesen und Kriegführung C.Julius Cäsars. Gotha (Scheube) 1855.
  • (anonym): Historisch-politische Entwicklung der Frage, ob feste Plätze für die heutige Kriegsführung notwendig oder überflüssig seien? Vier Briefe eines deutschen Ingenieurs (in: Minerva, Ein Journal für Geschichte, Politik und Gegenwart, hrsg. von Friedrich Bran, 221. und 222. Band Jena 1847 I. u. II.).
  • Kriegspolitik und Kriegsgebrauch, Studien und Betrachtungen. Zürich (Schultheß), 1876.
  • Militärisches Hand-Wörterbuch nach dem Standpunkte der neuesten Literatur und mit Unterstützung von Fachmännern bearbeitet und redigiert... Zwei Bände Zürich (Schultheß) 1858/59, Supplementband. 1868.
  • Strategie und Taktik der neuesten Zeit, Ergänzungen zu des Verfassers strategischen und taklischen Schriften, Zum Selbststudium und für den Unterricht an Militärschulen in erläuternden Beispielen aus der neuesten Kriegsgeschichte. Drei Bände Zürich (Schultheß) 1872-74.
  • Untersuchungen über die Organisation der Heere. Basel (Schweighauser) 1855.
  • Zur Warnung vor den Kompensationen in der preußischen Mililitärfrage. Hamburg (Meißner) 1863.
  • Was hat die Schweiz von einen Angriff der Heiligen Allianz zu furchten? Zürich (Kiesling) 1850.

Literatur

  • Marcel Herwegh: Guillaume Rüstow, un grand soldat, un grand Charactere. Öttinger-Neuchatel 1935.
  • Brockhaus-Jahrbuch Unsere Zeit, 4. Bd. 1860 Leipzig, S. 136-39
  • Dr. Peter Wiede: „Wilhelm Rüstow, 1821-1878, ein Militärschriftsteller der deutschen Linken“. Dissertation München 1957
  • Dr. Robert von Steiger: „Der Rüstow-Prozess 1848/50; eine wehrpolitische Kontroverse.“ Dissertation Bern 1936,
  • Edgar Schumacher: Friedrich Wilhelm Rüstow
  • Bernhard von Poten: Rüstow. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 34–38.

Weblinks


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