Wir lagen vor ...

Wir lagen vor ...

Wir lagen vor Madagaskar … und hatten die Pest an Bord. Mit diesen Worten beginnt ein volkstümliches Lied, welches die Grüße Ahoi und den Abschiedsschmerz (Leb' wohl) einer unter Krankheit, Pest und Durst leidenden Mannschaft nach der fernen Heimat und den Armen des geliebten Mädchens besingt. Das Lied wird dem Komponisten und Texter Just Scheu zugeschrieben; als Entstehungsjahr gilt 1934.[1] Es kann zu vier Stimmen gesungen werden und ist in unterschiedlichen Varianten verbreitet.

Inhaltsverzeichnis

Text

Das Lied besingt in sieben Strophen die Verlorenheit einer mit ihrem Segelschiff festliegenden Mannschaft, die zusehen muss, wie einer nach dem anderen verdurstet oder an der Pest stirbt:

Wir lagen vor Madagaskar / Und hatten die Pest an Bord. / In den Kesseln, da faulte das Wasser / Und täglich ging einer über Bord.

Wir lagen schon vierzehn Tage / Und kein Wind in die Segel uns pfiff. / Der Durst war die größte Plage, / Da liefen wir auf ein Riff.

Es wird berichtet, wie ein Segelschiff wegen anhaltender Windstille vor Madagaskar festliegt und die Pest an Bord hat, da das Trinkwasser verdorben ist. Es geht um Einsamkeit, ungenießbares Wasser, den Tod von Seeleuten, um Heimweh, Liebe und Todesangst. Das Schiff läuft auf ein Riff, und trotz Sichtung eines anderen Schiffes wird die Besatzung nicht gerettet. Die Gestrandeten sahen sich selbst bereits als Tote (… sah uns Tote nicht), da sie nach dreißig Tagen von einem vorüberfahrenden Schiff nicht gesehen wurden.

Der Text wird mehrfach verändert wiedergegeben. So fault das Wasser in den verschiedenen Fassungen einmal in Kesseln, Kübeln oder Fässern. Die Charaktere Langbein oder langer Hein trinken oder saufen vom Wasser. Neben offensichtlichen Schreib- und Übertragungsfehlern ("lagern" statt "lagen" … vor Madagaskar, "manchmal" oder "mancher" statt "täglich" … ging einer über Bord) gibt es eine Anzahl von Textveränderungen und -ergänzungen bis zur Hinzufügung oder Unterdrückung ganzer Textpassagen, auf Grund derer sich die Frage nach der Urfassung stellt.

Historie

Der Text wird in mehreren Varianten gesungen. Allgemein wird das Lied als Seemannslied angesehen, ist jedoch in den 1930er-Jahren auch als Fahrtenlied bekannt gewesen. Es erschien in den Liederbüchern von Gruppen der verbotenen bündischen Jugend (Edelweißpiraten), die wegen der Übernahme solches Liedguts in das Visier der Gestapo kamen.[2]

Inhaltlich deckt sich das Lied mit Geschehnissen aus der Zeit des Russisch-Japanischen Kriegs (1904/1905). Auf der Fahrt zum Entsatz der in Port Arthur eingeschlossenen russischen Streitkräfte musste das sogenannte Zweite russische Pazifikgeschwader unter dem Oberkommando des Admirals Sinowi Petrowitsch Roschestwenski, das vom lettischen Hafen Libau aus mit Kurs durch die Nordsee und rund um Afrika ausgelaufen war, wegen dringender Reparaturen unfreiwilligen Aufenthalt vor der Nord-West-Küste von Madagaskar bei der Insel Nosy Be einlegen. Zeitraum (… Wir lagen schon vierzehn Tage) und Begleitumstände (Krankheit, Tod) sind mit dem Text des Liedes deckungsgleich. Einen stichhaltigen Beleg für einen Zusammenhang dafür gibt es jedoch nicht.

Rezeption

Melodie, Text und Akkorde

Wie bei Soldatenliedern bekannt wird der melancholische Text durch den Rhythmus in einer heiter beschwingten Melodie in einer aufgelockerten Stimmung vorgetragen. Durch das Singen des Liedes von bekannten Interpreten wie Heino, Freddy Quinn und Andi Haeckel wurde der Evergreen im Laufe der Zeit zu einem Gassenhauer. Die Musikrechte liegen derzeit bei dem Verlag Edition Montana von Hans Rudolf Beierlein. Achim Reichel produzierte 1976 eine bekannte Version (Dat Shanty Alb'm).

Die Melodie ist recht einfach und trivial gehalten, und auch die Harmonien geben nicht viel her. Auf zwei Takte Tonika folgt immer ein Takt Dominante, der wieder zur Tonika, dem letzten Takt eines jeden Vierer-Blocks, zurückführt. Dieses aus vier Takten bestehende Grundschema zieht sich ohne Ausnahme sowohl durch Strophe als auch Refrain. Doch gerade diese Einfachheit ist charakteristisch für das Stück und löst den sogenannten Ohrwurm-Effekt aus.

Trivia

  • Gelegentlich präsentieren auch Die Ärzte bei ihren Konzerten volkstümliche Liedeinlagen wie diese.
  • In den Werner-Comics gibt es eine Abwandlung des Liedtextes in Wir lagen vor Abfahrt Goslar und hatten ein Fest im Ford.

Einzelnachweise

  1. http://www.wdr.de/radio/wdr3/bilder/sendung/musikpassagen/t20051028wf.pdf Sendeverzeichnis des WDR
  2. http://www.museenkoeln.de/ausstellungen/nsd_0411_schanghai_neu/gitarren.pdf (Seite 28 ff., Kapitel Umdichtungen) Geschichte und Originalversion

Weblinks


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