Wirtschaftskriminalität

Wirtschaftskriminalität

Wirtschaftskriminalität ist die Bezeichnung für Straftaten, die wirtschaftliche Bezüge aufweisen. Die kriminellen Handlungen können sich dabei gegen Privatpersonen, andere Unternehmen oder den Staat richten.

Relevante deutsche Strafvorschriften sind u. a. die Abgabenordnung, das Strafgesetzbuch, das Geldwäschegesetz und das Wertpapierhandelsgesetz.

Im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre und vor allem die neu verfügbaren Technologien, haben zu einer neuen Dimension von Wirtschaftsdelikten geführt. In der Literatur werden sie einerseits immer noch mit Wirtschaftskriminalität oder white collar crime bezeichnet, andererseits sind aber auch neue Termini wie unter anderem Finanzbetrug auszumachen.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele für Wirtschaftskriminalität

Auch unautorisierte Spekulationen wie die Fälle Nick Leeson und Jérôme Kerviel gehören in die Kategorie Wirtschaftskriminalität.

Fallzahlen und Schäden

Fast jedes zweite Unternehmen in Deutschland und weltweit 43% wurde zwischen 2005 und 2007 nach repräsentativen forensischen Erhebungen Opfer eines Wirtschaftsdelikts.[2] Der Gesamtschaden, der deutschen Unternehmen allein durch die aufgedeckten Delikte entstand, beläuft sich danach auf rund 6 Milliarden Euro pro Jahr, wobei geschätzte Managementkosten zur Bewältigung von Kriminalitätsfolgen in Höhe von 1,75 Mrd. Euro eingerechnet sind. Die jüngste PKS des BKA für 2006 verweist auf 85.000 aktenkundige Fälle mit einer Schadenssumme von rund 4,3 Milliarden Euro (vgl. BKA PKS 2006 Tab. 07), wobei allerdings die Computerkriminalität in dieser Statistik nicht erfasst wird.

Wirtschaftskriminalität in den USA

"Die Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten ('white-collar crime') unterliegt in den Vereinigten Staaten anderen Gesetzmäßigkeiten als in Deutschland. Dies hat mehrere Gründe. Erstens gibt es ein Unternehmenstrafrecht. Das Unternehmen macht sich demnach selbst strafbar. In Deutschland kann es nur wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Unterlassung der Aufsicht über Angestellte zu einem Bußgeld nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWIG) verurteilt werden.

Zweitens ist die Ermittlungspraxis eine andere. Dabei spielen die Richtlinien des Justizministeriums in Washington eine gewichtige Rolle. Sie räumen den Behörden ein Ermessen ein, die Ermittlungen gegen oder sogar ohne Zahlung einer Geldbuße einzustellen oder die Anklagepunkte zu begrenzen ('plea bargain').

Relevante Faktoren sind: Die Schwere der Tat, die Verbreitung krimineller Handlungen im Unternehmen und dessen Beteiligung. Außerdem die Frage, ob es sich bisher rechtmäßig verhalten und ein Compliance-Programm zur Verhinderung von Straftaten eingerichtet hatte. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, inwieweit sich das Unternehmen lernbereit zeigt und Maßnahmen ergreift, um Verstöße künftig zu verhindern, und ob es alternative Sanktionsmöglichkeiten gibt. Und nicht zuletzt ist von Bedeutung, in welchem Umfang es während der Ermittlungen mit den Behörden kooperiert."[3]

Im Rahmen der Ermittlungen im bisher größten Betrugsfall seit der Insolvenz von Enron 2001 wurde im Dezember 2008 Bernard L. Madoff vom FBI verhaftet. Insgesamt geht es bei dem über Jahrzehnte durchgeführten Schneeballsystem um rund 50 Milliarden Dollar,[4] rund 38 Milliarden Euro (Stand Januar 2009). Der Börsenaufsicht SEC wurde vorgeworfen, Hinweise auf Unregelmäßigkeiten jahrelang ignoriert zu haben. [5] Am 16. Dezember 2008 räumte die SEC in einem offiziellen Statement Versäumnisse ein.[6]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. BKA: Begriffserläuterungen
  2. PWC-Studie "Wirtschaftskriminalität 2007"
  3. Roland Steinmeyer, Patrick Späth: "Mehr Rechte für Unternehmen bei Ermittlungen in Amerika. Neue Richtlinien des Justizministeriums in Washington erleichtern Unternehmen die Kooperation mit Ermittlern. Die Einstellung eines Verfahrens ist künftig leichter zu erreichen", F.A.Z. 26. November 2008, S. 21
  4. SEC Charges Bernard L. Madoff for Multi-Billion Dollar Ponzi Scheme, Presseerklärung der SEC
  5. Madoff hat auch europäische Banken betrogen. Der gigantische Betrugsfall von 50 Milliarden zieht Kreise bis nach Europa. Unterdessen gerät die Bankenaufsicht SEC unter Beschuss, weil der Betrüger jahrelang unbehelligt blieb, F.A.Z., 16. Dezember 2008, S. 21
  6. Statement Regarding Madoff Investigation

Literatur

  • Kurt Eichenwald: Verschwörung der Narren. Der Enron-Skandal. Eine wahre Geschichte. Goldmann, München 2007, ISBN 978-3-442-15455-5.
  • Daniel Fischer: New Ecocrime und New Economy. In: Hans Felix R. Ehrat, Eric Stupp (Hrsg.): Management & Law. Helbing and Lichtenhahn u. a., Basel u. a. 2003, ISBN 3-7190-2013-4, S. 361ff. (Meilensteine im Management 10).
  • Ramond Fisman, Edward Miguel: „Economic Gangsters“. Korruption und Kriminalität in der Weltwirtschaft. Aus dem Englischen von Thomas Atzert. Campus Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2009, ISBN 978-3-593-38973-8.
  • Günter Janke: Kompendium Wirtschaftskriminalität. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2008, ISBN 978-3-631-57020-3.
  • Leo Müller: Tatort Zürich. Einblicke in die Schattenwelt der internationalen Finanzkriminalität. Econ, Berlin 2006, ISBN 3-430-16908-9.
  • John Perkins: Bekenntnisse eines Economic Hit Man. Unterwegs im Dienste der Wirtschaftsmafia. Riemannn, München 2005, ISBN 3-570-50066-7.
  • Werner Rügemer: Grüezi! Bei welchen Verbrechen dürfen wir behilflich sein? Die Schweiz als logistisches Zentrum der internationalen Wirtschaftskriminalität. Essays, Analysen und Materialien. Distel-Verlag, Heilbronn 1999, ISBN 3-929348-27-6.
  • Diana Ziegleder: Wirtschaftskriminalität im Geschäftsleben. Eine empirische Untersuchung formeller und informeller Handlungsstrategien von Unternehmen am Beispiel Deutschlands. Nomos-Verlags-Gesellschaft, Baden-Baden 2010, ISBN 978-3-8329-5278-5 (Nomos Universitätsschriften. Soziologie 12), (Zugleich: Halle-Wittenberg, Univ., Diss., 2009).

Weblinks

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