- Belle Epoque
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Dieser Artikel behandelt die Zeitspanne Belle Epoque. Für den gleichnamigen Artikel zum Film siehe Belle Epoque (Film), für die gleichnamige Musikgruppe Belle Epoque (Band) - in der Bildenden Kunst vom Impressionismus über den Jugendstil zum Kubismus (beispielhafte Vertreter der drei Stilrichtungen: Paul Cézanne, Franz von Stuck, Pablo Picasso);
- in der Musik von der Spätromantik über den Impressionismus zur atonalen Musik (Gustav Mahler, Claude Debussy, Arnold Schönberg);
- in der deutschen Literatur vom Naturalismus über den Impressionismus und Symbolismus zum Expressionismus (Gerhart Hauptmann, Rainer Maria Rilke, Gottfried Benn);
- in der Architektur vom Historismus über den Jugendstil zu einer Haltung der Sachlichkeit, wie sie z. B. Peter Behrens mit seiner Industriearchitektur vertrat.
- Willy Haas: Die Belle Epoque. Verlag Hueber, München 1977 (Reihe Große Kulturepochen in Texten, Bildern und Zeugnissen)
- Roger Shattuck: Die Belle Epoque: Kultur und Gesellschaft in Frankreich 1885-1918. München 1963
- Belle Epoque allgemein (Texte deutsch, französisch, englisch, italienisch; hervorragende, sehr umfangreiche Seite; ausführliche Synopsis 1870-1914, dreisprachig; viele Bildbeispiele für Architektur und Plakate; längere Darstellung der frühen Jahre des Films).
- Kleidermode der Belle Epoque
- paris1900.lartnouveau.com Die Belle Epoque à Paris durch die Postkarten und Dokumente
Belle Epoque [bɛleˈpɔk] (frz. für "schöne Epoche", "schöne Zeit") ist die Bezeichnung für eine Zeitspanne von etwa 30 Jahren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, hauptsächlich in Europa. Die genaue Datierung ist nicht verbindlich geregelt. Meist wird der Abschnitt von 1885 bis 1914, also bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs genannt.
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Einige Rahmenbedingungen
Auf den Deutsch-französischen Krieg von 1870/71 folgte eine ungewohnt lange Zeit des Friedens. Sie war die Grundlage für einen deutlichen Entwicklungsschub in den europäischen Kernländern England, Frankreich, Deutschland und Österreich-Ungarn.
Als wesentliche Triebkraft wirkte die zweite Welle der Industriellen Revolution, mit Schwerpunkten in der chemischen Industrie, der Elektrotechnik, der Stahlindustrie und im Verkehrswesen. An den Standorten der Fabriken wuchsen neue oder größere städtische Ballungsräume. Damit entstanden besondere Gesundheitsprobleme, aber auch neue Ansätze zu deren Lösung. Medizin und Hygiene machten Fortschritte, die Säuglingssterblichkeit ging zurück, die Lebenserwartung stieg.
Die Natur der Arbeit änderte sich. Die Industrie rationalisierte ihre Herstellungsprozesse durch Arbeitsteilung, die Arbeit wurde eintöniger, aber nicht weniger anstrengend. Die Arbeiterschaft organisierte sich in Gewerkschaften und politischen Parteien: den Vorgängerparteien des Parti Socialiste (PS) in Frankreich, der Labour Party in England, der SPD in Deutschland und der SPÖ in Österreich. Diese Organisationen gewannen bis 1914, trotz mancher Rückschläge, zunehmend Einfluss in ihren Heimatländern.
Nachteile im Arbeitsleben wurden zumindest teilweise ausgeglichen durch einen allgemeinen Ertragszuwachs, an dem auch die Arbeiter selbst einen – relativ geringen – Anteil hatten: die Einkommen stiegen zeitweilig deutlich schneller als die Verbraucherpreise.
Schöne Zeit - für wen?
Die Menschen dieser Periode fühlten sich zweifellos in größerem Umfang als zuvor materiell gesichert und waren optimistisch hinsichtlich der politischen, technischen und kulturellen Aussichten. Es ist jedoch nicht angebracht, die Belle Epoque nur als eine Zeit des uneingeschränkten Lebensgenusses, der allgemeinen gesellschaftlichen Sorglosigkeit zu sehen. Die große Zahl der Bauern und Landarbeiter hatte kaum Anteil an der Schönen Zeit, das gleiche gilt für die Masse der Industriearbeiter und kleinen Angestellten, die nach vielstündigen Arbeitstagen in die lichtlosen Hinterhofquartiere der schnell wachsenden Städte zurückkehrten.
Die Belle Epoque ereignete sich im wesentlichen auf den Boulevards der Metropolen, in den Cafés und Cabarets, den Ateliers und Galerien, den Konzertsälen und Salons – getragen von einem mittleren und gehobenen Bürgertum, das von den technischen und wirtschaftlichen Fortschritten am meisten profitiert hatte. In diesen Milieus allerdings war in wenigen Jahrzehnten eine erstaunliche, hoch dynamische kulturelle Entwicklung zu beobachten. Eine ungehinderte, lineare Bewegung war das nicht. Sie vollzog sich gegen Widerstände, in Brüchen, mit Überschneidungen. Dennoch kann man sagen: in diesem besonderen historischen Rahmen konnten sich Kunst und Kultur – auch eine Kultur der unbeschwerten, öffentlichen Unterhaltung – besonders intensiv und vielfältig weiterentwickeln. Das vor allem hat der Epoche ihren glänzenden Namen gegeben.
Kunst und Kultur
Die Entwicklungslinie verlief
Behrens war 1907 Mitbegründer des Deutschen Werkbundes, dessen Anliegen eine durch Zweck, Material und Konstruktion bedingte Formgebung war; von hier führte eine direkte Verbindung zum Bauhaus mit seinem Gestaltungsprinzip „form follows function“.
Früher als anderswo, schon in den 1860er Jahren, hatte in England eine Reformbewegung für das Kunsthandwerk begonnen, die später auf dem Kontinent aufgenommen wurde. Ihr Ziel war, Möbel und Wohnräume vom überladenen Dekor historischer Zitate zu befreien und einen neuen Stil zu finden. Auf Repräsentation sollte weniger Wert gelegt werden, als auf die sachlichen Erfordernisse des Wohnens. Der deutsche Kunstpädagoge Alfred Lichtwark formulierte 1896: „Alle Kunstpflege muss im Hause beginnen“ und „Habe nichts in deinem Haus, das du nicht zweckmäßig findest oder für schön hältst“.
1895 fand in Berlin die weltweit erste Filmvorführung statt, veranstaltet von den Gebrüdern Skladanowsky. Die Weiterentwicklung der Farblithographie, vor allem durch Jules Chéret und Henri de Toulouse-Lautrec in Paris, ermöglichte den preiswerten Druck attraktiver Plakate. Als „Kunst der Straße“, der man ästhetisch und sogar moralisch veredelnde Massenwirkung zutraute, riefen sie enthusiastisches Interesse hervor, in Frankreich vorübergehend auch eine weit verbreitete Sammelleidenschaft.
Auch die Mode, besonders die Damenmode, geriet in Bewegung, von victorianischem oder wilhelminischem Prunk allmählich zur Befreiung aus den Zwängen der Korsetts, allerdings erst nach 1900. In diese Zeit fällt auch die Bewegung zur Entwicklung einer Reformkleidung für Frauen, die sich aber lange nicht durchsetzen konnte.
Die Zeit eines weithin sorglosen Lebensgefühls endete spätestens mit Kriegsbeginn 1914. Man kann den Schlusspunkt aber auch schon 1912 setzen: Mit dem Untergang der Titanic ging symbolisch auch der naive Glaube an die Allmacht der Technik unter, und die erkennbaren Vorzeichen des neuen, großen Krieges trugen dazu bei, dass aus dem Vertrauen in die Zukunft Unsicherheit und Angst wurden. Erste kritische Stimmen hatte es jedoch auch schon vorher, etwa seitens der Lebensreform gegeben.
Siehe auch
Literatur
Weblinks
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