- Zweischwerterlehre
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Die Zwei-Schwerter-Theorie (oder: Zweischwerterlehre) beschreibt das Rangverhältnis zwischen kaiserlicher und päpstlicher Macht und Rechtsetzungsbefugnis im frühen Mittelalter.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Nach der Akzeptanz des Christentums durch den römischen Kaiser Konstantin I. hatten Konstantins Nachfolger einen sehr starken Einfluss, auch auf die inhaltliche Entwicklung des Christentums. Alle gesamtkirchlichen Konzilien wurden bis zum 5. Jahrhundert vom römischen Kaiser einberufen und auch persönlich geleitet. Die Bischöfe besaßen den Status kaiserlicher Beamten (daher ist purpur heute noch Farbe der Bischofs- und Kardinalsgewänder) und waren mit umfangreichen Verwaltungsfunktionen betraut. Es galt die Idee „Ein Reich - Ein Kaiser - Eine Kirche“, was auch als Cäsaropapismus bezeichnet wird.
330 wird Byzanz neue Kaiser- und Hauptstadt des römischen Reiches. Dadurch spitzt sich der bereits vorher schwelende Konflikt zwischen dem Patriarchat Rom (dem Papst) und dem Patriarchat Byzanz' stetig zu, wie auch die ost- und weströmischen Kaiser untereinander nicht ohne Spannung agieren. 451 erklärt das Konzil von Chalkedon die Patriarchen von Rom und Byzanz für ebenbürtig. 476 wird Westrom erobert und Romulus Augustulus als letzter weströmischer Kaiser abgesetzt. Danach wurden die kaiserlichen Rechte selbstverständlich vom oströmischen Kaiser in Konstantinopel wahrgenommen, dessen Einfluss dem römischen Papst auch unter dem Gesichtspunkt der weiter dauernden Auseinandersetzung der Patriarchen um die Vormachtstellung Roms missfallen musste. Die kaiserliche Autorität und Hoheitsgewalt stellte für die stets hochpolitisch agierenden Päpste zudem eine große persönliche Bedrohung dar. Papst Gregor III. ist 731 n. Chr. der letzte Papst, der zu seiner Wahl das Einverständnis des oströmischen Kaisers einholt.
Nachdem in der Zeit der Patristik (lat., Wissenschaft von den Schriften und Lehren der Kirchenväter) durch Augustinus De Civitate Dei eine deutlichere Trennung zwischen geistlicher und natürlicher Welt vollzogen wurde, stellte sich auch für das Christentum immer stärker die Frage nach dem Verhältnis zwischen weltlicher und kirchlicher Rechtsetzungsbefugnis.
Die Theorie
Erstmals offiziell 494 wurde von Papst Gelasius I. in einem Brief an Kaiser Anastasios I. in Konstantinopel die These aufgestellt, Gott habe zur Leitung der Welt die weltliche Gewalt (regalis potestas) und die geistliche Autorität der Bischöfe (sacrata auctoritas pontificum) eingesetzt. Von diesen beiden sei das Gewicht der Priester um so schwerer, da sie vor Gottes Gericht auch für die Könige Rechenschaft abzulegen hätten. „Denn du weißt“, fuhr Gelasius in seinem Brief an den Kaiser fort, „allergnädigster Sohn, dass du, obgleich an Würde über das Menschengeschlecht gesetzt, dennoch den Vorstehern der göttlichen Dinge fromm den Nacken beugst und von ihnen die Mittel deines Heils erwartest.“ Diese Aussage des Gelasius bezeichnet man als „die Lehre von den zwei Gewalten“. Dabei kam für Gelasius der päpstlichen auctoritas besondere Bedeutung zu, da Gott den Bischof von Rom „als den höchsten über alle Bischöfe einsetzte.“ Das neue an der Aussage des Gelasius war, dass er die staatliche potestas und die bischöfliche auctoritas auf eine Ebene stellte. Die bischöfliche auctoritas wurde dabei über die geistliche Macht, die Menschen hinsichtlich ihrer Sünden binden und lösen zu können, definiert. Mit seiner Aussage wollte Gelasius die Nichtanerkennung kaiserlicher Maßnahmen gegenüber der Kirche im Streit um die Anerkennung des Konzils von Chalkedon (451) rechtfertigen.
Im Hinblick auf diese Aussage des Gelasius wurde in der Frühphase des Investiturstreites die Zwei-Schwerter-Lehre formuliert, die auf einer Exegese von Lukas 22,38 beruht. Dort sagen die Jünger zu Jesus: „Siehe, hier sind zwei Schwerter“, worauf Jesus antwortet: „Es ist genug.“ In einem von Gottschalk von Aachen 1076 verfassten Brief Heinrichs IV. an die deutschen Bischöfe wurde aus dieser Stelle gefolgert, es gäbe in der Welt zwei höchste Gewalten nebeneinander, nicht mehr und nicht weniger. Damit wandte man sich gegen die zeitgenössische päpstliche Interpretation der Zwei-Gewalten-Lehre, die aus dieser eine Überordnung der geistlichen über die weltliche Gewalt ableitete. Bernhard von Clairvaux und andere Autoren formulierten die Zwei-Schwerter Lehre jedoch um. Sie beriefen sich auf Matthäus (Mt 26,51 EU). An dieser Stelle sagt Jesus im Garten Gethsemane zu Petrus: Stecke dein Schwert in die Scheide. Christus habe damit ausdrücklich bejaht, dass die Apostel über beide Schwerter verfügten. Der Papst als Nachfolger des Apostels Petrus besitze also beide Schwerter, das weltliche (gladius materialis) und das geistliche, überlasse das weltliche aber freiwillig und widerruflich dem Kaiser. In dieser Form wurde die Zwei-Schwerter-Lehre ein bis in das 14. Jahrhundert oft wiederholtes Argument für den Vorrang der päpstlichen gegenüber der kaiserlichen Gewalt.
Die Begründung
Gelasius I. berief sich in der Begründung seiner Theorie auf eine Bibelstelle im Evangelium nach Lukas (Lk 22,38 EU):
- deutsch: „Sie sprachen aber: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug“
- lateinisch: At illi dixerunt Domine ecce gladii duo hic at ille dixit eis satis est
Diese Bibelstelle wäre in ihrer Aussagekraft vermutlich nicht ausreichend, um die kaiserlichen Einflüsse in die Kirchen zu unterbinden. Der päpstliche Anspruch auf eine Trennung von weltlicher und kirchlicher Macht stützte sich auch auf eine stärker werdende philosophische und geistige Strömung, die geistliche und weltliche Dinge voneinander unterschied und der geistlichen Welt die größere Wichtigkeit zuerkannte. Die große Frömmigkeit im zeitlichen Umfeld der Jahrtausendwende stärkte die Kirche zusätzlich auch materiell.
Weitere Entwicklung
Die Zwei-Schwerter-Theorie beschrieb immerhin etwa 600 Jahre lang das Verhältnis zwischen Staat und Kirche. In Abbildungen aus dieser Zeit wurde sie häufig dargestellt, siehe die Abbildungen im Sachsenspiegel. Über das Rangverhältnis der zwei Schwerter untereinander sagte sie noch nichts aus. Nach der Jahrtausendwende wurde sie aber argumentativ derart ausgebaut, dass den Päpsten im jüngsten Gericht die geistliche Verantwortung für die weltlichen Taten der Könige zukomme und daher die Päpste die Verleihung des weltlichen Schwertes auch wieder rückgängig machen könnten. So wandelten christliche Theologen (z. B. Bernhard von Clairvaux) die Zwei-Schwerter-Theorie dergestalt ab, dass Jesus Christus beide Schwerter dem Papst anvertraut, dieser aber das weltliche Schwert an die jeweiligen Fürsten weiterzugeben habe, was schließlich im Dictatus Papae manifestiert wurde. Bonifatius VIII. prägte dabei den Ausspruch „Unam Sanctam“ und forderte damit die Unterordnung aller weltlichen Macht unter den Papst. Mit letzterer Argumentation bestritt der Papst bereits die direkte Legitimation kaiserlicher Herrschaft durch Jesus Christus. Da der politische Einfluss des Papstes zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Zenit überschritten hatte, schwand die faktische Bedeutung der Zwei-Schwerter-Theorie zum Ausgang des Mittelalters. Das grundsätzliche Problem einer politisch tätigen Kirche und der Verbindungen zwischen Thron und Altar bestand allerdings im weiteren fort. Im Anschluss an die Zwei-Schwerter-Theorie interpretierte der lutherische Protestantismus im Rückgriff auf Schriften und Aussagen Martin Luthers diese neu im Sinne einer Zwei-Reiche-Lehre.
Quelle
- Gelasius I., Epistula 12 (ed. Andreas Thiel, Epistolae Romanorum pontificum 1, Braunsberg 1867, ND Hildesheim/New York 1974, S. 349-358).
Literatur
- Erich Caspar: Geschichte des Papsttums, 2 Bde., Tübingen 1930/1933, hier Bd. 2, S. 33ff., bes. 62ff.
- Werner Goez: „Zwei-Schwerter-Lehre“, in: Lexikon des Mittelalters 9, Sp. 725f.
- Wilhelm Levison: „Die mittelalterliche Lehre von den beiden Schwertern“, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 9, 1952, S. 14ff.
- Walter Ullmann: Gelasius I. (492–496) (= Päpste und Papsttum, Bd. 18), Stuttgart 1981.
Weblinks
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