- Ärztemangel
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Ärztemangel beschreibt eine Situation im Gesundheitssystem, in der die Nachfrage nach ärztlichen Leistungen ein knappes Angebot übersteigt.[1] Die gegenteilige Situation, in der mehr ärztliche Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt angeboten als nachgefragt wird, bezeichnet man als Ärzteschwemme. Die Verhältnisse können nach Region und nach Fachgebieten Unterschiede aufweisen. So kann zum Beispiel das Verhältnis von niedergelassenen Ärzten zu Einwohnern im ländlichen Raum gesundheitspolitisch als zu niedrig angesehen werden. Engpässe in der medizinischen Versorgung können Folgen dieses Verhältnisses darstellen.
Die Bundesagentur für Arbeit berichtete im Januar 2007 über einen Ärztemangel in Deutschland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Irland und der Slowakischen Republik; ein Ärztemangel bestehe dagegen nicht in Österreich. 2002 wurde das erste Mal in Deutschland von einem Ärztemangel gesprochen. [2] [3]
Inhaltsverzeichnis
Situation in Deutschland
Die relative Zahl der Ärzte ist kein ausreichendes Kriterium, um einen Ärztemangel zu definieren. So ist die Arztdichte in Deutschland im internationalen Vergleich mit 3,4 niedergelassenen Ärzten je 1000 Einwohner hoch (OECD-Durchschnitt: 3,0).[4] Während in anderen Ländern ein Vollzeitäquivalent zur Berechnung verwendet wird [5] fehlen diese Zahlen für Deutschland. Die Zahl der Ärzte in Deutschland nimmt seit mehreren Jahrzehnten kontinuierlich zu. Waren 1997 noch 9396 Ärzte arbeitslos gemeldet, so sank die Zahl arbeitsloser Ärzte 2007 auf 3686.
Eine Studie der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahr 2010[6][7] zeigt folgende Aspekte auf:
- Das Durchschnittsalter sowohl der Vertrags- als auch Krankenhausärzte steigt kontinuierlich an, während die Gesamtzahl der Medizinstudenten und Absolventen sinkt. Nach dem Studium arbeiten 12 Prozent der Absolventen nicht kurativ. Junge Ärzte wandern teilweise ins Ausland ab; im Jahr 2010 sind insgesamt 17.000 Ärzte im Ausland tätig.
- Der wachsende Frauenanteil (33,6 Prozent im Jahr 1991 auf 42,2 Prozent im Jahr 2009, 60 Prozent der Medizinstudierenden sind mittlerweile Frauen) führt u.a. zu weniger Vollzeitstellen, da Frauen sich oft intensiver familiären Aufgaben stellen.
- In Deutschland finden viele Hausärzte keine Nachfolger mehr; viele Arztstellen in ländlichen Gebieten, aber auch in Großstädten können nicht mehr besetzt werden, wobei vor allem die neuen Bundesländer betroffen sind. Dies führt dazu, dass das deutsche Gesundheitswesen zunehmend von der Anwerbung ausländischer Ärzte abhängig ist, v. a. aus Osteuropa und Österreich. Ein Versuch, dieses Problem zu lösen, ist das Rothenburger Modell.
- Aufgrund der demografischen Entwicklung der Bevölkerung und der damit einhergehenden Wandlung des Morbiditätsspektrums und der Ausweitung der Multimorbidität ist eine erhöhte Zahl an Ärzten künftig notwendig. Auch der medizinische Fortschritt führt zu höherem Behandlungsaufwand und steigendem Ärztebedarf.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Medizinerausbildung praxisnäher und die Arbeitsbedingungen der Ärzte attraktiver gestaltet werden müssten (insbesondere angemessene Vergütung, weniger Regulierungen und Bürokratismus). Der Arztberuf müsse v. a. für Ärztinnen familienfreundlicher gestaltet werden und mehr Nachwuchsmediziner für den Beruf des Hausarztes gewonnen werden.
Um einem Mangel an Landärzten entgegenzuwirken, will die Bundesregierung in einem neuen 'Versorgungsgesetz' das Einkommen von Landärzten erhöhen.[8]
Gegenposition der Krankenkassen
Die Ergebnisse dieser Studie, deren Quelle ärztliche Interessenverbände sind, sind umstritten. So gehen Krankenkassen, wie die AOK davon aus, dass es keinen Ärztemangel, sondern nur eine räumliche Ungleichverteilung von Ärzten gibt.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Jürgen Malzahn, Christoph Stosch: Diagnose Ärztemangel: Freie Stellen und steigende Arztzahlen. In: Deutsches Ärzteblatt. Jahrgang 104, Heft 31–32, 6. August 2007 (online)
- ↑ Bundesärztekammer: Statistik, 2002
- ↑ Peter Ilg: Diagnose Vollbeschäftigung. In: Monster.de, 10. Oktober 2003
- ↑ OECD Health Data 2006 – Country Notes and press releases (online)
- ↑ Michael Bertschi: Untersuchung der ärztlichen Versorgung - Schlussbericht. Solothurn, 27. Oktober 2005.
- ↑ Thomas Kopetsch: Dem deutschen Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus! Studie zur Altersstruktur und Arztzahlentwicklung. 5. akt. Auflage. Berlin 2010, ISBN 978-3-00-030957-1.
- ↑ Arztzahlstudie von BÄK und KBV: Die Lücken werden größer. In: Deutsches Ärzteblatt. (2010)
- ↑ Rheinische Post vom 9. Mai 2011: Landärzte sollen mehr verdienen
Weblinks
- Alexander Neubacher: Mangel im Überfluss. In: Spiegel Online.
- Was der Verbund der Kassenärztlichen Vereinigungen gegen Ärztemangel tut. auf der Website der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
- Ärztliche Überversorgung verhindert Abbau der Unterversorgung. auf der Webseite des AOK-Bundesverbandes, 6. Dezember 2010.
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