Übersetzungsschwierigkeit

Übersetzungsschwierigkeit

Übersetzungsschwierigkeiten, umgangssprachlich auch Übersetzungsfallen genannt, sind Fehlerquellen beim Übersetzen oder Dolmetschen zwischen natürlichen Sprachen, die durch Wissenslücken oder Interferenzen entstehen, die Automatismen begünstigen. Übersetzungsprobleme sind dagegen objektiv durch sprachliche, kulturelle und situative Unterschiede bedingte Quellen der Differenz zwischen Ausgangstext und Zieltext.

Übersetzungsschwierigkeiten sind grundsätzlich subjektiv bedingt und können deshalb theoretisch (je nach Verfügbarkeit von Informationsmaterial für die jeweilige Sprache) relativ leicht durch Recherchen geklärt werden; Fehler, die durch Konzentrationsmängel entstanden sind, fallen oft sogar dem Schreiber selbst unmittelbar nach Abfassung des Textes durch bloßes sorgfältiges Korrekturlesen auf.

Inhaltsverzeichnis

Arten von Übersetzungsschwierigkeiten

Grundproblem von Übersetzungsschwierigkeiten sind fehlende Informationen. Diese können sich z. B. bei Mehrdeutigkeit („Was ist tatsächlich im Zusammenhang gemeint?“) der verwendeten Begriffe oder Interferenzerscheinungen (falsche Übersetzung durch ähnlich klingende Wörter oder die Übernahme von Schreibweisen, die in der Originalsprache richtig, in der Zielsprache aber falsch sind) bemerkbar machen. Dabei spielen auch Konzentrationsmängel eine Rolle, die dazu führen, dass der Sprecher oder Schreiber der Suggestion der Ursprungssprache erliegt, obwohl er im Prinzip weiß, wie die Formulierung richtig in die Zielsprache übersetzt werden müsste.

Aber auch die einfache Unkenntnis der Worte, insbesondere bei Fachbegriffen stellt Übersetzer immer wieder vor Hindernisse, Inhalte im richtigen Sinn und Zusammenhang wiederzugeben.

  • Beispiel anhand einer Filmszene: Zwei Männer werden angefunkt. Der erste fordert den anderen auf, ihm das Radio zu geben und bestätigt die Meldung mit „Zehn Vier“ – Dass es sich nicht um einen Radioempfänger, sondern ein Funkgerät handelt, kann der Zuschauer im Bild erkennen und wird sich entsprechend belustigt über den Übersetzer wundern. Bei dem US-CB-Funkkürzel “10-4” (gesprochen “ten-four”) kann er den Sinn (soviel wie „Verstanden“, „Bestätigt“ oder simpel „OK“) sogar im Originaltext ohne entsprechendes Hintergrundwissen gar nicht erkennen.

Interferenz

Als Interferenzen werden in der Sprachwissenschaft Abweichungen von sprachlichen Normen bezeichnet, die durch den Einfluss einer anderen Sprache entstehen – siehe dazu auch falscher Freund, Liste falscher Freunde, free ride. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Interferenzen, die durch Nichtwissen entstehen, und solchen, die auf einem Mangel an Konzentration, Automatismen und dergleichen beruhen.

  • Lexik: Zu den Interferenzerscheinungen auf Wortebene gehört die Fehlübersetzung von falschen Freunden, also Wörtern, die in mehreren Sprachen orthografisch oder phonetisch ähnlich sind, deren Bedeutung sich jedoch unterscheidet (zum Beispiel bedeutet das im Japanischen, Koreanischen und anderen Sprachen Ostasiens bekannte, als Arubaijtu gesprochene Wort genau „Nebentätigkeit“, „Nebenjob“ und eben nicht „Arbeit“, obwohl es ein davon abgeleitetes Lehnwort ist). Auch die Unkenntnis falscher Freunde kann zu unbrauchbaren Übersetzungen führen, wie bei der deutschsprachigen Firma, die ihren Ganzkörperschlafsack in Taschenform („Körpertasche“) als “body bag” (engl. Leichensack) zu vermarkten versucht. Weiterhin können Wörter fälschlicherweise als Lehnübersetzung aus der Fremdsprache übernommen werden; ein Beispiel wäre die Fehlübersetzung des amerikanischen high school (deutsch etwa Sekundarschule oder ebenfalls Highschool) als Hochschule.

Interferenz tritt auch auf der Ebene der Kollokationen und Idiome auf, etwa wenn formelhafte Wendungen oder Sprichwörter Wort für Wort übersetzt werden. Wird die Wortstellung oder die Reihenfolge der Satzteile fehlerhaft direkt aus der Ausgangssprache in die Zielsprache übernommen, handelt es sich um syntaktische Interferenz. Als free ride bezeichnet man vor allem bei der maschinellen Übersetzung die Möglichkeit der direkten Übernahme syntaktischer Strukturen.

Interferenzerscheinungen gibt es auch im Hinblick auf die Orthographie und die Grammatik:

  • Orthographie: Besonders bei Internationalismen wird häufig nicht erkannt, dass Wörter im Deutschen oft, aber nicht immer anders als in der Originalsprache geschrieben werden. So wirkt die Schreibweise „Circus“ anders als die Schreibweise „Zirkus“, und ein „Photograph“ hat einen anderen (vornehmeren) Kundenstamm als ein „Fotograf“. Umgekehrt rechnen viele Deutsche nicht damit, dass es die entsprechende Wahlfreiheit in anderen Sprachen nicht gibt. Das im Deutschen „sch“ geschriebene Phonem wird in anderen Sprachen verschieden geschrieben (überwiegend “sh” im Englischen, «ch» im Französischen, "sz" im Polnischen, "sc" im Italienischen, "s" im Ungarischen usw). Kaum jemand, der das Ungarische nur oberflächlich kennt, rechnet deshalb z. B. damit, dass das Wort „Bus“ im Ungarischen "Busz" geschrieben wird, weil "Bus" auf Ungarisch wie „Busch“ ausgesprochen würde. Auch Fälle von Übergeneralisierung gibt es: Wer mühsam gelernt hat, dass man „Rhythmus“ mit zwei „h“ schreibt, kann es kaum fassen, dass das italienische Pendant wirklich "ritmo" geschrieben werden soll. In diesem Fall werden affektive Sperren wirksam, die mit der Weigerung vergleichbar sind, im Deutschen nach der Rechtschreibreform der 1990er nicht mehr „daß“ zu schreiben. Derartige innere Widerstände können auch unbewusst zu einer Falschschreibung führen.
  • Grammatik: Wer gerade noch im Englischen “he arrives” gelesen hat, könnte geneigt sein, auf Französisch «il arrives» (statt «il arrive») zu schreiben. Ein vergleichbarer Fall ist die Form: „Er hat gearbeited“ als "Echo" der Form: “He worked”. Automatismen wie das reflexartige Anfügen des Suffix „-s“ in der 3. Person Singular bei Menschen, die oft Englisch sprechen und schreiben, bleiben vor allem dann lange unbemerkt, wenn (wie in den beiden Beispielen) die richtige und die falsche Form homophon sind.

Komplexere Interferenzerscheinungen sind die textuelle und die kulturelle Interferenz. Textuelle Interferenz liegt vor, wenn im Zieltext die textsortentypischen Konventionen des Ausgangstextes befolgt werden, obwohl in der Zielsprache und -kultur andere Normen gelten (etwa für die Reihenfolge bestimmter Textabschnitte, für die Art der Anrede des Lesers etc.). Kulturelle Interferenz entsteht durch Nichtbeachtung kultureller Unterschiede. Besonders anschaulich ist vielleicht die Anwendung ausgangskultureller Höflichkeitsformen in der Zielsprache, die z. B. beim Umgang mit Meinungsverschiedenheiten zu Verstimmungen führen kann.

Wortneubildungen durch Rückübersetzung

Wörtliches Übersetzen feststehender, meist zusammengesetzter Begriffe (vor allem aus dem Englischen, siehe auch → Anglizismus) ohne Prüfung, ob es vielleicht schon ein bekanntes deutsches Äquivalent gibt, kann zu bereits existierenden deutschen Wörtern, die allerdings bereits mit anderen Bedeutungen besetzt sind führen, sog. „Falsche Freunde“. Oder es kann zu bisher unbekannten oder ungebräuchlichen Wortneubildungen führen. Der Grad der Verbreitung und Verständlichkeit solcher Neubildungen ist unterschiedlich: Während beispielsweise die „Herzattacke“ („Herzinfarkt“; heart attack) bereits Teil der deutschen Umgangssprache geworden und der „Seiteneffekt“ („Nebenwirkung“; side effect) in die Informatikfachsprache Einzug gehalten hat, dürfte die Vokabel „Staatsdepartment“ („Außenministerium“; departement of state) bei den meisten deutschen Muttersprachlern noch weitgehend unbekannt sein.

Literatur

  • Mary Snell-Hornby et al.: Handbuch Translation. Stauffenburg, Tübingen 1999, ISBN 3-86057-992-4.

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