Bergbaufolgelandschaft

Bergbaufolgelandschaft

Unter Devastierung – auch Devastation (aus der lateinische Sprache entlehnt) – wird im Allgemeinen die Zerstörung oder Verwüstung von Landschaften, Ortschaften oder einzelnen Bauwerken verstanden. Derartige Zerstörungen wurden in der Vergangenheit vor allem durch Kriegshandlungen, Brände oder Seuchen hervorgerufen.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Mit dem Begriff werden aber ebenso Landschaftszerstörungen durch die Abholzung von Wäldern, die Ausweisung von Truppenübungsplätzen, die Anlage von Bergehalden im Bergbau sowie Siedlungszerstörungen durch den Bau von Talsperren bezeichnet. Zwischenzeitlich wird der Begriff auch für innerstädtische Flächen genutzt, deren vormalige Wohnbebauung im Rahmen des großflächigen Wohnungsrückbaus (siehe auch: Stadtumbau) in ostdeutschen Städten abgerissen und beräumt wurde. Am häufigsten wird der Begriff Devastierung jedoch im Zusammenhang mit Ortsverlagerungen als Auswirkung des Braunkohlenbergbaus verwendet. Insbesondere die hohe Intensität der Großtagebauförderung macht in den Abbaugebieten oftmals die Verlegung und damit die Aufgabe von Siedlungen notwendig. In den deutschen Braunkohlerevieren fanden bislang folgende Siedlungsverlagerungen statt:

  • Lausitzer Revier: Devastierung von 135 Siedlungen, Umsiedlung von 27.500 Einwohnern (EW), davon 103 Siedlungen und 22.200 EW in Brandenburg und 32 Siedlungen und 5.300 EW in Sachsen;
  • Mitteldeutsches Revier: Devastierung von 126 Siedlungen, Umsiedlung von 51.200 EW, davon 72 Siedlungen und 23.000 EW in Sachsen, 40 Siedlungen und 26.200 EW in Sachsen-Anhalt und 4 Siedlungen und 2.000 EW in Thüringen;
  • Rheinisches Revier: 47 Siedlungen und 28.400 EW;
  • Helmstedter Revier: 4 Siedlungen und 2.850 EW.[1]

Insgesamt fielen dem deutschen Braunkohlenbergbau damit seit Beginn des 20. Jahrhunderts 312 Siedlungen zum Opfer, 109.950 EW wurden umgesiedelt. Ein Großteil der devastierten Orte entfiel auf die Reviere in der DDR, da hier der Braunkohlenbergbau aus Autarkiegründen nur wenig Rücksicht auf die gewachsene Kulturlandschaft mit ihren teils jahrhundertealten Siedlungen nehmen durfte. In den auch als verlorene Orte bezeichneten überbaggerten Ortschaften wohnten im Mitteldeutschen Revier – wie in Magdeborn – bis zu 3.200 EW. Zur Fortführung des Braunkohleabbaus über 1990 hinaus wurden aber bereits Planungen zur Umsiedlung von Kleinstädten wie Zwenkau und Pegau mit über 7.000 Einwohnern erarbeitet. Auch in der Oberlausitz existierten Planungen für die Überbaggerung von weiten Teilen Zittaus. Die Beispiele Heuersdorf und Horno machen deutlich, dass der Braunkohlenbergbau auch aktuell noch Eingriffe in das Siedlungsnetz notwendig macht. Dabei zeigen die in beiden Fällen geführten langwierigen Prozesse aber auch, dass die Bemühungen zu sozialverträglichen Umsiedlungen nicht zwangsläufig akzeptable Umsiedlungsverfahren wie im Falle der Gemeinde Großgrimma hervorrufen.

In anderen, europäischen Braunkohlenbergbaugebieten waren ebenfalls vergleichbare Devastierungen zu verzeichnen, wobei das dicht besiedelte nordböhmische Braunkohlerevier besonders betroffen war. Hier erfolgten im 20. Jahrhundert großflächige Eingriffe in das Siedlungsnetz, denen allein im Abbaugebiet um Most (Brüx) 33 Siedlungen zum Opfer fielen. Etwa 46.000 Menschen wurden umgesiedelt. Markant war dabei vor allem der Abriss der Moster Altstadt und die weltweit beachtete und technisch anspruchsvolle Versetzung der Dekanatskirche auf einen ausgekohlten Restpfeiler.

Neben dem Braunkohlenbergbau können auch andere Rohstoffförderungen Devastierungen von Siedlungen verursachen. Beispielhaft sei hier auf die Uranerzförderung der SDAG Wismut hingewiesen, der in der sächsisch-thüringischen Uranprovinz vier Siedlungen komplett und weitere neun Siedlungen zum Teil zum Opfer fielen.

Rekultivierung

Ein Problem stellt die Rekultivierung dar. Nach Beendigung der Bergbautätigkeiten schreiben die jeweiligen nationalen Gesetze die Beseitigung der vorgenommenen Eingriffe bzw. das Durchführen von Kompensationsmaßnahmen für erfolgte Devastierungen vor. Allerdings weichen die dafür vorgegebenen gesetzlichen Rahmenvorgaben selbst in westlichen Ländern teilweise stark voneinander ab, so dass sich eine verallgemeinerbare Revitalisierungsstrategie zur Wiederherstellung devastierter Landschaften nicht bestimmen lässt. In Deutschland erfolgt die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaften des Braunkohlen- und auch Uranerzbergbaus im engen Zusammenspiel von bergbaulicher Planung und Regionalplanung. Ziel ist dabei die Schaffung ökologisch stabiler und vielfältig nutzbarer Landschaft als Voraussetzung für die sozialverträgliche und wirtschaftliche Umstrukturierung der bislang meist einseitig auf den Bergbau und seine Folgeindustrien ausgerichteten Region. Vor allem an die in den Braunkohlerevieren entstehenden Seenlandschaften wie das Leipziger Neuseenland knüpfen regionale Entscheidungsträger Hoffnungen im Hinblick auf touristische Nachnutzungen. Auch in den Ländern des ehemaligen Ostblock sind mittlerweile beachtliche Erfolge bei der Wiederherstellung von bergbaulich devastierten Flächen zu verzeichnen. Allerdings gibt es auch hier, ebenso wie in Ländern der Dritten Welt noch Bergbaufolgelandschaften, die aufgrund von Rechtslücken und fehlenden finanziellen Möglichkeiten wüst liegen bleiben und sich selbst überlassen werden.

Als eine weitere Nachnutzungsmöglichkeit für devastierte Flächen (auch im innerstädtischen Bereich), werden zurzeit Konzepte entwickelt und umgesetzt, die auf die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen (z. B. Kurzumtriebsplantagen) setzen.

Literatur

  • Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Herausgeber): Braunkohlenplanung und Umsiedlungsproblematik in der Raumordnungsplanung Brandenburgs, Nordrhein-Westfalens, Sachsens und Sachsen-Anhalts. Hannover 2000. ARL-Arbeitsmaterial. Band 265.
  • Andreas Berkner: Bergbaubedingte Ortsverlegungen in den mitteldeutschen Braunkohlenrevieren und ihre Folgen für die Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur. In: Hallesches Jahrbuch für Geowissenschaften. 1994. Bd. 16. Seite 113–128.
  • Andreas Berkner: Braunkohlenbergbau und Siedlungsentwicklung in Mitteldeutschland. Gratwanderung zwischen Aufschwung, Zerstörung und neuen Chancen. In: Dachverein Mitteldeutsche Straße der Braunkohle (Hrsg.): Braunkohlenbergbau und Siedlungen. Leipzig 2001. S. 8–19. ISBN 3-9807201-3-6.
  • Konrad Billwitz: Das nordböhmische Braunkohlenbecken. Probleme seiner landeskulturellen Entwicklung. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle. 1977. Heft 4/1977. S. 83–103.
  • B. GriehlB. Griehl: Wird die Umweltbelastung bewußt in Kauf genommen? Devastierung und Rekultivierung in Nordböhmen und Nordmähren. In: Geographie heute. 1982. Heft 10/1982. Seite 52–59.
  • Frank Förster: Verschwundene Dörfer. Die Ortsabbrüche des Lausitzer Braunkohlenreviers bis 1993. In: Schriften des Sorbischen Instituts. Bautzen 1995. Bd. 8. ISBN 3-7420-1623-7.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweis

  1. Gesamtbilanz (Stand: 2001) nach: Andreas Berkner: Braunkohlenbergbau und Siedlungsentwicklung in Mitteldeutschland. Gratwanderung zwischen Aufschwung, Zerstörung und neuen Chancen. In: Dachverein Mitteldeutsche Straße der Braunkohle (Hrsg.): Braunkohlenbergbau und Siedlungen. Leipzig 2001. S. 8–19. ISBN 3-9807201-3-6.

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