Bergkarabachkonflikt

Bergkarabachkonflikt
Karte von Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach

Der Bergkarabachkonflikt ist ein Konflikt der Staaten Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach im Kaukasus. Der Konflikt trat in der Moderne erstmals zur Unabhängigkeit der beiden Staaten nach 1918 auf und brach während des Zerfalls der Sowjetunion ab 1988 neu aus. Infolgedessen erklärte sich die Republik Bergkarabach für unabhängig, wird seitdem international aber von keinem Staat anerkannt.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Vorgeschichte

Das Gebiet Bergkarabachs gehörte in der Antike zumeist zu Albania, im Mittelalter zeitweise als Provinz Artsach zu Armenien. Jedoch war es auch Teil wechselnder Großreiche. Ab dem 18. Jahrhundert, zuvor war Karabach Teil Persiens, bestimmte die Rivalität zwischen dem Osmanischen Reich, Russland und Persien die Region. Als der Druck Persiens auf die armenischen Christen wuchs, stellte Katharina II. von Russland Schutzbriefe aus und privilegierte so Armenier für Handel und später Verwaltung. So wird den Armeniern noch heute Kollaboration vorgeworfen.[1]

Infolge des Zweiten Russisch-Persischen Krieges kam Bergkarabach 1805 unter russische Herrschaft. Die russische Herrschaft gab Armeniern die Möglichkeit, sich im heutigen Armenien und Karabach anzusiedeln, sodass im 19. Jahrhundert 40.000 Armenier aus Persien und 84.000 aus dem Osmanischen Reich in die Gebiete einwanderten. Karabach gehörte im Russischen Reich wechselnden Verwaltungsbezirken an und es wurden neben Armeniern auch Russen, Ukrainer und Deutsche angesiedelt. Dabei wurden die Gebiete zumeist nach militärischen, verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit dem Ziel aufgeteilt, die ethnisch heterogene Bevölkerung in der russischen aufgehen zu lassen. 1914/15 und 1919 kam es nach antiarmenischen Pogromen im Osmanischen Reich erneut zu einer Einwanderungswelle nach Bergkarabach. So kam es zu immer stärkeren Konflikten zwischen ländlichen Aseri und urbanisierten Armeniern. Diese wurden verstärkt durch die entstehende Land- und Wasserknappheit in der Region, den unterschiedlichen Sitten wie Blutrache und Sippenhaft und der Verwandtschaft der Aseris mit den Türken, vor denen viele Armenier geflohen waren. Bereits 1896 bis 1905 gipfelten diese Konflikte im tatarisch-armenischen Kriegszustand. Das Gouvernement Jelisawetpol, zu dem Bergkarabach gehörte, war bis 1917 zum ethnisch und religiös heterogensten geworden.[1]

Konflikte zwischen Armeniern und Aseris

Die in Armenien lebenden Aseri machten mit 5 % der Bevölkerung 1988 die größte Minderheit aus. Sie waren traditionell in der Landwirtschaft und im Lebensmittelhandel tätig und hatten daher großen Einfluss auf dem Grünen Basar. Dies führte insbesondere bei Lebensmittelknappheit zu Missgunst gegenüber der aserbaidschanischen Minderheit.[1] Eva-Maria Auch nennt außerdem verschiedene Staatentraditionen, historische Erfahrungen mit dem Osmanischen Reich und der Türkei sowie Russland und insbesondere die russische und sowjetische Nationalitätenpolitik als Ursachen des Konflikts zwischen Armeniern und Aserbaidschanern.[2]

Entwicklung

Konflikt 1918 bis 1923

Nach der Unabhängigkeitserklärung von Armenien und Aserbaidschan 1918 erhoben beide Republiken Anspruch auf Bergkarabach. Armenien begründete dies mit dem geografischen und ethnischen Gegensatz zu Unterkarabach, Aserbaidschan mit der Untrennbarkeit des geografischen Raumes und den in Bergkarabach gelegenen Sommerwiesen der muslimischen Nomaden. Nach Gemetzeln von beiden Seiten, wobei Aserbaidschan von der Türkei und Großbritannien unterstützt wurde, kam es am 22. August 1919 zur Unterzeichnung eines Provisorischen Abkommens, das Aserbaidschan ganz Karabach zugestand, unter der Bedingung einer kulturellen und administrativen Autonomie für die Armenier.[1]

Nach der Ausrufung der Sowjetrepublik in Armenien, Aserbaidschan und Bergkarabach 1920 wurde eine friedliche Lösung versprochen, Bergkarabach erklärte freiwillig seine Zugehörigkeit zu Aserbaidschan, im Dezember verkündete Stalin den Verzicht Armeniens auf Bergkarabach, Nachitschewan und Sangesur. Dennoch kam es zu militärischen Aktivitäten der Daschnaken in der Region. In dem Vertrag von Moskau vom 16. März 1921, an dem auch die Türkei beteiligt war, kam es zu einem Kompromiss: Die sowjetische Seite tritt Kars, Ardahan und Sumalu an die Türkei ab, Nachitschewan wird autonome Republik unter Aserbaidschan und Bergkarabach bleibt bis zu einer Volksabstimmung Teil Aserbaidschans. Am 7. Juli 1923 wurde Bergkarabach per Dekret ein Autonomes Gebiet der Aserbaidschanischen SSR. Jedoch war man von armenischer Seite mit dieser Entscheidung unzufrieden.[1]

Erneuter Ausbruch des Konflikts nach 1985

Bis 1985 wurde von Armeniern in Bergkarabach bereits in drei Memoranden 1962, 1965 und 1967 auf eine nur eingeschränkte Autonomie hingewiesen und der Anschluss an Armenien gefordert. 1986/87 kam es zu einem weiteren Memorandum, Aserbaidschan reagierte darauf mit einem Hinweis auf die in Armenien lebenden Aserbaidschaner, die keinerlei Sonderrechte besäßen. 1989 waren von den etwa 188.000 Menschen in Bergkarabach 73,5 % armenischer Herkunft, 25,3 % Aserbaidschaner.[2] 1987 und 1988 drängten Delegationen aus Bergkarabach um eine Lösung des Konflikts in Moskau und ab dem 12. Februar 1988 kam es zu Demonstrationen in Stepanakert, später auch in anderen Teilen Bergkarabachs und Armeniens. Bis zum 18. Februar wurden nach Behördenangaben 4.000 Aseris aus Armenien vertrieben. Bald darauf sprach sich eine Versammlung von Volksvertretern Karabachs für den Anschluss an Armenien aus und der russische Sekretär des Generalparteikomitees wurde durch den Armenier G. Pogosjan ersetzt.[1]

Nachdem aserbaidschanische Flüchtlinge Ende Februar in der Stadt Sumqayıt bei Baku von blutigen Ausschreitungen in Bergkarabach berichten, kommt es zu einem Pogrom gegen dort lebende Armenier, bei dem 26 Armenier und sechs Aseris ums Leben kommen. Da die Sicherheitsorgane nicht eingriffen, riefen beide Seiten zum Selbstschutz auf. Im März 1988 beschließt das ZK der KPdSU ein Wirtschafts- und Sozialprogramm für Bergkarabach, eine Grenzrevision wird abgelehnt. In den folgenden Monaten werden weiter Aseris aus Armenien vertrieben, es kommt zu weiteren Ausschreitungen und Streiks und die ZK-Sekretäre beider Republiken wurden abgesetzt. Am 12. Juli beschließt der Karabacher Gebietssowjet die Umbenennung in Autonomes Gebiet Artsach und den Austritt aus Aserbaidschan. Daraufhin verhängt Aserbaidschan eine Verkehrsblockade und wird dabei vom Obersten Sowjet der UdSSR unterstützt, der mit A. Wolskij einen Sonderbeauftragten in das Gebiet entsendet.[1]

Am 21. September wird über Ağdam und Stepanakert der Ausnahmezustand verhängt und Bergkarabach zum Sondergebiet erklärt. Vom 17. November bis 5. Dezember findet in Baku ein pausenloses Meeting statt, über 200 Betriebsgruppen werden zur Unterstützung der aserbaidschanischen Volksfront, einer oppositionellen Bewegung, geschaffen. Als das Militär den Leninplatz räumt, kommt es zu drei Todesopfern.[1]

Am 12. Januar 1989 wird Bergkarabach einem Sonderkomitee und damit direkt Moskau unterstellt und die dortigen Behörden suspendiert. Ab Januar flüchten auch Armenier aus Aserbaidschan. Bis September kommt es zu Demonstrationen und Streiks durch die NFA, die neben der Kontrolle über Bergkarabach für Aserbaidschan auch eine Beteiligung an der Regierung und den Rückzug der sowjetischen Armee fordert. Als sie erstmals am Obersten Sowjet Aserbaidschans teilnimmt, wird Bergkarabach per Gesetzesbeschluss als Teil Aserbaidschans festgelegt. Grenzänderungen können nur mittels eines Referendums erfolgen. Bis September 1989 sind 180.000 Armenier aus Aserbaidschan und etwa 100.000 Aseri aus Armenien geflohen. Der Oberste Sowjet Armeniens appelliert an Moskau, die Wirtschaftsblockade Aserbaidschans zu beenden, die bis September 1989 150 Mio. Rubel Schaden verursacht haben. Am 25. September übernimmt das sowjetische Innenministerium die Aufgaben der zivilen Behörden in Bergkarabach. Am 5. Oktober übernimmt die Rote Armee die Kontrolle über die Transportwege zwischen Armenien und Aserbaidschan.[1]

Am 29. November wird die Sonderverwaltung Bergkarabachs aufgehoben, woraufhin es zu erneuten Demonstrationen mit Todesopfern kommt. Im Dezember und Januar kommt es zu Übergriffen an den Grenzen der Autonomen Republik Nachitschewan zum Iran und der Türkei, ein Vereinigtes Aserbaidschan wird gefordert. Nach Zusagen der Regierung zu Reiseerleichterungen und Landnutzung in Grenznähe beruhigt sich die Lage. Nachdem der Oberste Sowjet Armeniens am 1. Dezember 1989 die Vereinigung von Karabach mit Armenien erklärt hat,[2] folgen Proteste von aserbaidschanischer Seite und am 13. und 14. Januar 1990 kommt es zu Pogromen gegen Armenier in Baku, Xanlar, Schahumjan und Lənkəran mit 50 Todesopfern. Am 15. wird über Karabach und angrenzende Gebiete das Kriegsrecht verhängt. Nach Ausrufung eines Generalstreiks in Baku rollen zum 20. Januar sowjetische Panzer in die Stadt, es kommt zu 150 Todesopfern und der Ausnahmezustand wird verhängt. Daraufhin protestieren Nachitschewan und der Oberste Aserbaidschanische Sowjet. Russische und armenische Familien fliehen aus Baku, insgesamt flohen bis zu diesem Zeitpunkt 500.000 Menschen. Bis August kommt es zu weiteren Übergriffen auf armenische und aserbaidschanische Dörfer, auch mit militärischen Mitteln und paramilitärischen Verbänden. In Aserbaidschan erstarken die OMON, Milizen des Innenministeriums, denen viele Flüchtlinge aus Armenien beitreten. Nach der Unabhängigkeitserklärung Armeniens und Aserbaidschans erklärt auch Bergkarabach als Republik Bergkarabach am 3. September 1991 seine Unabhängigkeit, es kommt weiterhin zu Übergriffen in den Grenzgebieten. Im November 1991 scheitert ein Vermittlungsversuch Russlands und Kasachstans zwischen Armenien und Aserbaidschan. Am 26. November hebt Aserbaidschan die Autonomie Bergkarabachs auf und teilt das Autonome Gebiet in die Bezirke Kəlbəcər (teilweise außerhalb Bergkarabachs liegend), Şuşa, Tərtər, Xankəndi, Xocalı und Xocavənd auf. Die Blockade der Energieversorgung Armeniens wird aufrechterhalten.[1]

Krieg 1992 bis 1994

Aserbaidschanische Flüchtlinge aus Bergkarabach 1993

Anfang des Jahres 1992 kam es zu weiteren Massenmorden in aserbaidschanischen und armenischen Dörfern. Ein im Februar vom aserbaidschanischen Präsidenten Mutalibow vorgelegter Friedensplan, der den Rückzug aller Truppen und eine kulturelle Autonomie für Bergkarabach vorsah, wurde nicht mehr verhandelt, nachdem in der Nacht vom 26. zum 27. Februar das Dorf Xocalı unter unklaren Umständen armenischen Freischärlern überlassen worden war und mehrere hundert Menschen ermordet wurden. Nach diesem in Aserbaidschan so genannten Massaker von Xocalı kam es in Aserbaidschan zu einer Neubildung der Regierung.[3]

Im März 1992 drangen armenische Freischärler in große Teile Bergkarabachs ein und rückten auch auf aserbaidschanisches Gebiet außerhalb der umstrittenen Region vor, so wurde die Stadt Ağdam unter Beschuss genommen. Daraufhin wurde in Aserbaidschan eine eigene Armee aufgebaut und in der Türkei und anderen muslimischen Staaten Verbündete gesucht.[4] Zu den Unterstützern der Aserbaidschaner gehörte auch eine tschetschenische Einheit unter Schamil Salmanowitsch Bassajew. Şuşa war der wichtigste Stützpunkt der Aserbaidschaner: Von hier aus wurde das tiefer gelegene Stepanakert wirkungsvoll unter Beschuss genommen. Doch auch Bassajews Truppe konnte nicht verhindern, dass am 8. und 9. Mai 1992 armenische Verbände mit Şuşa die letzte Stadt Bergkarabachs einnahmen. Bassajew war einer der letzten, welche die Stellung vor dem Fall der Stadt verließen.[5] Am 18. Mai nahmen die Armenier die Stadt Laçın und damit die Verbindungsstraße zwischen Armenien und Bergkarabach ein. Im Juni folgte eine Offensive der aserbaidschanischen Armee von Goranboy aus, bei der nördliche Teile Bergkarabachs besetzt wurden. Im Winter wurden wegen der schlechten Versorgungslage die Kämpfe weitgehend eingestellt.

Nach Angriffen der aserbaidschanischen Armee auf Bergkarabach vom Rayon Kəlbəcər, der zwischen Armenien und Bergkarabach liegt, im März 1993, griff die armenische Armee ein und der Bezirk wurde bis zum 3. April von armenischen und karabachischen Verbänden besetzt. Durch Offensiven der beiden Armeen konnte von April bis August 1993 die Bezirke Ağdam, Füzuli, Cəbrayıl und Qubadlı besetzt werden. Bis Oktober war auch der Bezirk Zəngilan eingenommen.[2]

Am 12. Mai 1994 trat ein Waffenstillstandsabkommen in Kraft. Im Verlauf des Krieges konnten die Truppen der Republik Bergkarabach gemeinsam mit der armenischen Armee große Teile des von Bergkarabach beanspruchten Gebiets unter ihre Kontrolle bringen. Außerdem besetzten sie die aserbaidschanischen Bezirke Ağdam, Cəbrayıl, Füzuli, Kəlbəcər, Laçın, Qubadlı und Zəngilan, die außerhalb des früheren autonomen Gebiets Bergkarabach liegen. Im Krieg und den vorhergehenden Auseinandersetzungen starben zwischen 25.000 und 50.000 Menschen, über 1,1 Million wurde vertrieben.[2]

Diplomatische Aktivitäten

Die im März 1992 gegründete Minsker Gruppe mit 13 Teilnehmerstaaten beobachtete den Konflikt, konnte jedoch nicht vermitteln. Vertreter der Republik Bergkarabach blieben von der Gruppe ausgeschlossen. Im Jahr 1993 verabschiedete die UNO vier Resolutionen (Nr. 822, 853, 874, 884) zum Konflikt, die jedoch ohne Wirkung blieben.[2]

Im September 1993 brach wegen des Konflikts die Türkei ihre diplomatischen Beziehungen mit Armenien ab.[6]

Entwicklung bis 2008

Situation nach 1994, Bergkarabach wie es sich 1991 für unabhängig erklärt hat in orange, andere besetzte Gebiete Aserbaidschans in gelb.

Nach dem Waffenstillstand kam es lange Zeit nicht zu Verhandlungen. Aserbaidschan bestand weiter auf der Rückgabe Bergkarabachs und Armenien auf dessen Unabhängigkeit von Aserbaidschan. Regelmäßig versuchte die OSZE zwischen Armenien und Aserbaidschan zu vermitteln. Dabei schlug die OSZE einen gemeinsamen Staat von Aserbaidschan und Bergkarabach vor, in dem die umstrittene Region der Regierung in Baku nicht mehr unterstellt ist.[7]

1999 kam es in Folge des Kosovo-Kriegs erneut zu Spannungen, da Armenien seine Position gestärkt sah und mit Krieg drohte. Der Bevölkerung von Bergkarabach sei wie der des Kosovo nach dem Selbstbestimmungsrecht ein Austritt aus Aserbaidschan zuzuerkennen. In einem möglichen Krieg erhoffte sich Armenien Hilfe aus Russland, das dieses zuvor mit aufgerüstet hatte, und Aserbaidschan von der Türkei und der NATO, der nach der armenischen Drohung Angebote zur Nutzung einer aserbaidschanischen Luftwaffenbasis gemacht wurden.[7]

Soldaten der Streitkräfte Bergkarabachs nahe Ağdam 2004

Nach einer Annäherung der beiden Länder nach 2000 wurde die Bereitschaft zu einer Lösung von beiden Seiten betont, aber keine Zugeständnisse gemacht. Währenddessen erholte sich die Wirtschaft in Karabach vom Krieg, vor allem mit Investitionen durch die niedrigen Steuern und Spenden von in Europa und Amerika lebenden Armeniern.[8] Die Republik Bergkarabach konnte sich innerlich stabilisieren, insbesondere der Tourismus entwickelte sich. Die 140.000 Einwohner sind fast ausschließlich Armenier, zusätzliche 20.000 Soldaten der armenischen Armee halten die Waffenstillstandslinie zu Aserbaidschan.[9] Aserbaidschans Präsident İlham Əliyev erhöhte regelmäßig seine Militärausgaben und betonte, die territoriale Einheit des Landes wiederherstellen zu wollen. Es kam immer wieder zu Zusammenstößen von aserbaidschanischen und armenischen Sicherheitskräften.[10]

Im Juli 2007 drohte der aserbaidschanische Präsident İlham Əliyev mit einem erneuten Krieg, wenn Armenien Bergkarabach nicht freiwillig räume.[11] Aserbaidschan sei der militärisch stärkere Staat. In Jerewan kritisierte man die kompromisslose Haltung Bakus und sprach davon, dass es keine Alternative zu einer friedlichen Lösung gäbe. Jedoch kam es zur gleichen Zeit erstmals zu Verhandlungen zwischen beiden Seiten, auch zwischen Aserbaidschan und Bergkarabach. Die Drohungen von İlham Əliyev wurden teils als innenpolitische Manöver bezeichnet und auch Mitglieder der Verhandlungsdelegationen sahen keine Möglichkeit einer militärischen Lösung des Konflikts. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen zum zukünftigen Status des Kosovos sprach Moskau im Sommer 2007 davon, dass bei einer Nicht-Berücksichtigung seiner Interessen in dieser Frage eine Antwort in den Republiken Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Bergkarabach folgen würde.[12] Im Zuge der Verhandlungen legte die Minsker Gruppe auch einen Lösungsvorschlag vor. So solle sich Armenien aus den besetzten Gebieten außerhalb Bergkarabachs zurückziehen und die Rückkehr von Aserbaidschanern erlauben. Friedenstruppen sollten stationiert werden und Wiederaufbauhilfe geleistet sowie später ein Referendum über den Status Bergkarabachs durchgeführt.[2]

Am 4. März 2008 kam es zu den schwersten Auseinandersetzungen an der Waffenstillstandslinie seit 1994. Dabei wurden bis zu zwölf armenische und acht aserbaidschanische Soldaten getötet.[13]

Vermittlungsversuche 2008

Unterzeichnung der Erklärung durch die drei Präsidenten

Im Rahmen des informellen GUS-Gipfels in Sankt Petersburg 2008 trafen sich am 6. Juni 2008 die Präsidenten Aserbaidschans, İlham Əliyev, und Armeniens, Sersch Sargsjan. Nach weiterer Vermittlung des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew kam es am 2. November 2008 in Moskau zu einer Erklärung der Präsidenten beider Staaten, dass sie den Konflikt friedlich und nach internationalem Recht lösen werden.[10] Weitere Treffen seien geplant, auf denen eine politische Lösung erarbeitet werde.[14] Russland bot dabei an, für eine bei den Verhandlungen zustandekommende Kompromisslösung als Garant aufzutreten.[15]

Positionen zum Konflikt

Armenien und Bergkarabach

Armenien warf bereits zur Sowjetzeit Aserbaidschan immer wieder Verletzung der Autonomie Bergkarabachs vor.[1] Die Regierung der Republik Bergkarabach unter Gurkassjan glaubte nicht, dass es in Aserbaidschan für Bergkarabach eine wirkliche Autonomie geben kann, da diese schon während der Sowjetzeit verletzt worden sei und 1991 Aserbaidschan die Autonomie Bergkarabachs aufgehoben habe. Armenien und die Republik Bergkarabach sehen sich als eine Nation.[11] Auch eine Rückkehr der aserbaidschanischen Flüchtlinge wird von der Regierung in Stepanakert abgelehnt. Armenien fordert die Unabhängigkeit Bergkarabachs von Aserbaidschan und daher mehr Kompromissbereitschaft von Seiten Bakus.[12]

Aserbaidschan

Aserbaidschan hat Vorwürfe, die Autonomie Bergkarabachs sei nicht gewahrt, während der Sowjetzeit bestritten.[1] Nach dem Krieg 1992 bis 1994 beansprucht Aserbaidschan weiterhin Bergkarabach als aserbaidschanisches Territorium und ist nicht gewillt, dessen Unabhängigkeit anzuerkennen. Baku bietet daher stets nur eine weitgehende Autonomie für Bergkarabach an. Zudem wird die Rückgabe der besetzten, von Aserbaidschanern besiedelten Gebiete gefordert.[12]

Die aserbaidschanische Regierung drohte mehrfach mit einem erneuten Krieg, jedoch gibt es auch innerhalb Aserbaidschans Widerstände gegen den Versuch einer militärischen Lösung des Konflikts. Unter anderem sehen auch die Öl- und Gasunternehmen, die in Aserbaidschan investiert haben, durch einen erneuten Krieg ihre Investitionen gefährdet.[12]

International

Der Europarat betrachtet das Gebiet Bergkarabach als integralen Bestandteil Aserbaidschans und bezeichnet Bergkarabach als von Separatisten kontrolliertes Gebiet. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in drei Erklärungen bestätigt, dass Bergkarabach zum aserbaidschanischen Gebiet gehört.[11] Bisher hat kein Staat die Unabhängigkeit der Republik Bergkarabach anerkannt.

Bedeutung des Konfliktes für die beteiligten Staaten

Der Konflikt um Bergkarabach hat zum einen die Stabilisierung der ersten unabhängigen Republiken Armenien und Aserbaidschan zu Beginn des 20. Jahrhunderts behindert und die Einmischung dritter Mächte, insbesondere der Türkei und Russland beziehungsweise der Sowjetunion erlaubt. Zum anderen wurde der Konflikt auch zu einem wesentlichen Bestandteil des Nationalbewusstseins beider Völker, Armeniens nach dem unzufriedenstellenden Kompromiss 1921 und Aserbaidschans nach dem erneuten Ausbruch des Konfliktes Ende der 1980er Jahre. Der Konflikt war auch eine wesentliche Ursache für das Erstarken der Opposition in den Sowjetrepubliken und des Zerfalls der UdSSR in der Region.[1][2]

Literatur

  • Eva-Maria Auch: „Ewiges Feuer“ in Aserbaidschan – Ein Land zwischen Perestrojka, Bürgerkrieg und Unabhängigkeit. Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, 8–1992
  • Caroline Cox und John Eibner: Ethnische Säuberung und Krieg in Nagorni Karabach mit einem Vorwort von Elena Bonner Sacharow, Christian Solidarity International, 1993
  • Otto Luchterhandt: Das Recht Berg-Karabaghs auf staatliche Unabhängigkeit aus völkerrechtlicher Sicht, in: AVR 31 (1993), S. 30–81.
  • Manfred Richter (Hg.): Armenisches Berg-Karabach/Arzach im Überlebenskampf. Christliche Kunst – Kultur – Geschichte, Edition Hentrich, Berlin 1993 ISBN 3-89468-072-5
  • Thomas de Waal:Black Garden. Armenia and Azerbaijan Through Peace and War, New York University Press, New York and London, 2003

Weblinks

 Commons: Bergkarabachkonflikt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m Eva-Maria Auch: „Ewiges Feuer“ in Aserbaidschan – Ein Land zwischen Perestrojka, Bürgerkrieg und Unabhängigkeit. Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, 8–1992
  2. a b c d e f g h Eva-Maria Auch: Berg Karabach – Krieg um den «schwarzen Garten» in Der Kaukasus – Geschichte-Kultur-Politik. Verlag C.H. Beck, München 2010 (2. Auflage).
  3. Eva-Maria Auch: Aserbaidschan: Demokratie als Utopie?. Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, 1994.
  4. Flammender Zorn. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1992 (online).
  5. Thomas De Waal (2003). Black Garden: Armenia and Azerbaijan Through Peace and War. New York: New York University Press, pp. 177–179. ISBN 0-8147-1945-7
  6. Wie die Türkei zwischen Russland und dem Westen laviert, Spiegel-Online, 12. September 2008.
  7. a b Neuer Krieg im Kaukasus?. In: Der Spiegel. Nr. 14, 1999 (online).
  8. Staat ohne Anerkennung, Deutschlandfunk über Bergkarabach, 1. September 2006
  9. Auferstehung aus Ruinen, Stephan Orth, Spiegel-Online, 19. Februar 2008
  10. a b Lösung im Konflikt um Berg-Karabach in Sicht, NZZ-Online, 2. November 2008
  11. a b c Autonomie bedeutet Krieg, Interview mit Arkadij Gurkassjan, Spiegel-Online, 9. Juli 2007
  12. a b c d 'Berg-Karabach: Ist Frieden in naher Zukunft möglich?, Behrooz Abdolvand und Nima Feyzi Shandi, Eurasisches Magazin, 31. Juli 2007
  13. Karabakh casualty toll disputed , BBC, 5. März 2008
  14. Bergkarabach-Konfliktparteien plädieren für politische Lösung, RIA Novosti, 2. November 2008
  15. Russland bietet sich als Garant für Berg-Karabach-Regelung an, RIA Novosti, 31. Oktober 2008

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