- Berittene Polizei
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Die Berittene Polizei ist ein Teil der Polizei, der Pferde als Transport- und insbesondere als Einsatzmittel nutzt.
Inhaltsverzeichnis
Allgemein
Aufgaben und Einsatzmöglichkeiten
Die berittene Polizei kann vielfältig eingesetzt werden:[1]
- Schutz von Großveranstaltungen wie Fußballspielen, Open-Air-Konzerten, Umzügen, Versammlungen und Demonstrationen.
- Fahndungen, Absperr- und Suchmaßnahmen im Gelände.
- Unterstützung bei der Evakuierung größerer Menschenmengen.
- Streifendienst mit jeglichem Arbeitsaufkommen eines Polizisten. Dies beinhaltet zum einen das Streifereiten in der Stadt, zum anderen auch das Reiten in Parkanlagen und Naturschutzgebieten.
- Überwachung von Parkräumen zur Verhinderung von Fahrzeugaufbrüchen
- Unterstützung der nichtberittenen Dienststellen bei allen voran genannten Punkten
Stärken
Die Stärken der Berittenen Polizei liegen vor allem:[2]
- in der erhöhten Sicht des Reiters. Dadurch lässt sich ein relativ großes Areal leicht überwachen.
- in ihrer Geländegängigkeit. Wo Geländewagen nicht mehr fahren können (etwa im dichten Wald oder Unterholz), ist der Einsatz von Pferden meist problemlos möglich. So ist die Überwachung der Waldgebiete bei den Castor-Transporten ohne Reiter nur sehr schwer möglich.[3]
- in ihrer beeindruckenden Größe. Bei Demonstrationen und Sitzblockaden können Pferde wertvolle Hilfe zum Räumen von Plätzen leisten. Beim engen Kontakt mit Menschen ist besondere Umsicht durch den Reiter geboten, um die Gefahr der Verletzung von Demonstranten möglichst gering zu halten. Durch die erhöhte Sitzposition sind die Polizisten mitunter besonders geschützt.
- in ihrer Umweltverträglichkeit. Besonders in Naturschutzgebieten können Pferde wertvolle Dienste leisten, ohne die Natur zu stark zu beeinträchtigen.
- gerade auch im psychologischen Faktor. Durch den beruhigenden Faktor Tier können Menschen gewaltlos bleiben und sich sogar Gespräche mit den Beamten ergeben. Insbesondere bei Festivals und großen Menschenansammlungen wird so von vorneherein auf Deeskalation hingewirkt.
Risiken
Wie Polizeivollzugsbeamte sind auch Polizeipferde besonderen Risiken im Einsatz ausgesetzt. So drückte im Juni 2004 in Hannover ein Polizeipferd im Rahmen eines Fußballspiels im Rückwärtsgehen gegen eine Scheibe und verletzte sich dabei so sehr, dass es eingeschläfert werden musste. Auch Angriffe gegen Dienstpferde (Wurfgeschosse) im Rahmen von Demonstrationen sind keine Seltenheit. In Stresssituationen kann nicht ausgeschlossen werden, dass Pferde entgegen ihren Instinkten Menschen überrennen oder trotz guter Ausbildung nach ihnen treten. Das Verletzungsrisiko für die Menschen ist dabei recht hoch, da die Pferde beschlagen und schwer sind.
Remonten
Bereits bei der Auswahl von Remonten für die Reiterstaffeln wird besonderer Wert auf bestimmte Eigenschaften des Tieres gelegt. Insbesondere zählt hierzu neben der Gesundheit eine kräftige Statur. Das Pferd sollte sich außerdem problemlos von verschiedenen Personen reiten lassen. Die Beschaffung hängt aber auch vom vorgegebenen finanziellen Rahmen der ankaufenden Behörde ab.
Deutschland
Organisation
In Deutschland unterhalten aus Kostengründen nicht alle Bundesländer Reiterstaffeln. Derzeit gibt es solche bei folgenden Landespolizeien:
- Bayern: je eine Staffel beim Polizeipräsidium München und der Polizeidirektion Rosenheim;[4]
- Baden-Württemberg: zwei Staffeln (Polizeipräsidien Stuttgart und Mannheim);[5]
- Hessen: eine Staffel;[6]
- Niedersachsen: je eine Staffel in Hannover (Reiterstaffel Hannover) und Braunschweig;
- Sachsen: eine Staffel in Großerkmannsdorf bei Dresden;
- Nordrhein-Westfalen: je eine Staffel in Dortmund und Düsseldorf;[7]
- Hamburg schaffte seine Reiterstaffel 1975 aus Kostengründen ab, hat diese aber im September 2010 mit zehn Reitern und neun Pferden wieder eingeführt[8].
Die Bundespolizei unterhält eine Reiterstaffel in Berlin, die bis 2008 zur Berliner Polizei gehörte.
Erscheinungsbild
Die Beamten der Reiterstaffeln sind, wie alle Angehörige der Schutzpolizei, uniformiert, ihre Uniformierung weicht nur hinsichtlich Schuhwerk (Reitstiefel) und Hose (Reithose) von der üblichen ab. Als Kopfbedeckung dient auf Streife ein Reithelm, der beim Schutz von Veranstaltungen und Demonstrationen je nach Einsatzlage auch durch einen Visierhelm nach Art der Bereitschaftspolizei ersetzt wird.
Ausrüstungsgegenstände (Formulare usw.) werden in am Sattel befestigten Packtaschen mitgeführt.
Ausbildung
Die Beamten der Reiterstaffeln sind durch eine ergänzende reiterliche Ausbildung für ihren Auftrag qualifiziert. Bei der Ausbildung ihrer Pferde gilt es, deren Instinkt als Fluchttier kontrollierbar zu machen. Um dies zu erreichen, wird jedes Pferd individuell, je nach Leistungsstand und Veranlagung, an die Polizeiarbeit herangeführt. Dies geschieht durch die Gewöhnung an optische und akustische Reize. Parallel wird zusammen mit einem erfahrenen Dienstpferd Streife geritten, um das Tier an den Straßenverkehr zu gewöhnen. Dies findet auf einer spielerischen Ebene statt, um das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen und seinen Charakter zu stärken. Das Pferd sollte stets als Gewinner aus diesem Spiel hervorgehen, um den Lerneffekt positiv zu verstärken. Der Grundsatz „Vom Leichten zum Schweren“ steht hierbei im Vordergrund. Die Ausbildungszeit (bei den Reiterstaffeln Hannover und Braunschweig) beträgt in der Regel zwölf Monate. In dieser Zeit werden die Dienstpferde nach den Regeln der Deutschen Reiterlichen Vereinigung „Richtlinien für das Reiten und Fahren“ – Band 1, 2, 4 und 6 ausgebildet. Das Ziel der Ausbildung ist das Ausbildungsniveau der Klasse A.
Geschichte
1992 gab es in Nordrhein-Westfalen 12 Reiterstaffeln. Bei der Kölner Polizeireiterstaffel wurden sowohl Pferde als auch Nachwuchsreiter ausgebildet. Hier bildete ab 1971 der Polizeireiter Klaus Balkenhol sein Dienstpferd Rabauke bis zur hohen Schule aus und wurde mit ihm 1979 Vizemeister bei den Deutschen Meisterschaften im Dressurreiten. 1981 entdeckte Balkenhol unter den Remontepferden in der Reitschule in Köln den Westfalen-Fuchswallach Goldstern. Er bildete Goldstern aus und führte ihn 1992 in Polizeiuniform zum Mannschaftsdressur-Olympiasieg. 1992 sagte der Leiter der Kölner Polizeireiterstaffel, Rainer Herrmanns, dass bei ihm alle Pferde ihr Gnadenbrot bekämen. Das älteste Kölner Polizeipferd sei 27 Jahre alt und könne höchstens noch eine Stunde am Tag Dienst tun.[9] 2003 wurden im Zuge von Sparmassnahmen alle Reiterstaffeln in Nordrhein-Westfalen aufgelöst. Zur Fußballweltmeisterschaft 2006 wurden mit geleasten Pferden wieder Polizereiterstaffeln in Nordrhein-Westfalen aufgebaut und bei der Weltmeisterschaft eingesetzt. [10]
Österreich
In Österreich werden derzeit durch die Polizei keine berittenen Einheiten unterhalten. Im Jahr 1950 wurde die letzte berittene Einheit der Sicherheitswache außer Dienst gestellt, welche seit 1869 bestanden hatte. Auch im Bereich der Gendarmerie hatten berittene Einheiten bestanden. In den letzten Jahren hatte es immer wieder Forderungen nach einer Neuaufstellung einer Berittenen Polizei, insbesondere in Wien, gegeben, vor allem durch Vertreter der FPÖ, aber auch der ÖVP. Während diese Vorschläge aber bisher durch Vertreter der Polizei, meist mit Hinweis auf die vermeintlich hohen Kosten , als unrealistisch abgetan wurden, führte der letzte diesbezügliche Vorstoß von Christine Marek, ÖVP-Chefin von Wien dazu, dass Innenministerin Maria Fekter dies für einen "interessanten Vorschlag" hält und nun Kosten und Machbarkeit einer Berittenen Polizei geprüft werden.[11]
Berittene Polizei international
Auch in anderen Ländern bestanden bzw. bestehen berittene Polizeieinheiten bei zahlreichen Polizeien. Bekannt ist die Royal Canadian Mounted Police. Entgegen ihres Namens versehen jedoch die meisten der rund 27.000 Angehörigen dieser kanadischen Bundespolizei ihren Dienst unberitten.
Auch in den USA gibt es berittene Polizei. Die New Yorker berittene Polizei besteht seit 1871 und verfügt über rund 60 Pferde. Sie trägt auch den Spitznamen "Ten Foot Cops", weil Pferd und Reiter zusammen ungefähr drei Meter hoch sind. Sie hat Publicity-Aufgaben, markiert wirkungsvoll Präsenz, wird aber auch bei Demonstrationen eingesetzt. [12]
Im schweizer Kanton Bern besteht die berittene Polizei seit 1914 und wird unter anderem zur Überwachung von Parkplätzen bei Grossereignissen eingesetzt. Die Polizisten haben vom Pferd aus einen guten Überblick über ein grosses Parkareal, sind mobil und wirken auf potentielle Täter abschreckend. Die Berner Polizei mietet die Pferde vom Nationalen Pferdezentrum Bern. [13] [14]
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Repräsentative Aufgaben: berittener Deputy Sheriff bei der Parade am Memorial Day in Ohio, USA
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Berittene Polizei im Einsatz bei einer Demonstration in Victoria, Australien
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Norwegische berittene Polizeistreife, Oslo 2006
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Italienische Berritene Polizei in Villa Borghese, Rom
Siehe auch
- Sanitätspferd
- Polizeihund
- Polizeireitschule Rathenow (1938-1945)
Einzelnachweise
- ↑ Das langsame Sterben der Reiterstaffel, Deutsche Polizeigewerkschaft, 2004
- ↑ Hessen prüft Effizienz der Polizei-Reiterstaffeln, FAZ, 2004
- ↑ Das langsame Sterben der Reiterstaffel, Deutsche Polizeigewerkschaft, 2004
- ↑ Polizei Bayern
- ↑ Landtag Baden-Württemberg
- ↑ Ordnungshüter hoch zu Ross, FAZ, 2010
- ↑ Blogeintrag mit Fotos über NRW Reiterstaffeln
- ↑ Information der Behörde für inneres und Sport Hamburg 29. September 2010
- ↑ Gute Polizeipferde bewahren auch im Karneval die Ruhe, Zeit, 1992
- ↑ Neue Polizeireiterstaffeln in NRW , Streife Online, 2006
- ↑ oe24.at - "Fekter prüft berittene Polizei für Wien" v. 29. Juni 2010
- ↑ Imagepflege hoch zu Ross, NZZ, 21. März 2011
- ↑ Webseite des Nationalen Pferdezentrum Bern
- ↑ Imagepflege hoch zu Ross, NZZ, 21. März 2011
- ↑ Artikel über Kolumbianische Polizei bei globalsecurity.org
Weblinks
Commons: Berittene Polizei – Album mit Bildern und/oder Videos und AudiodateienKategorien:- Führungs- und Einsatzmittel
- Reiten und Fahren
- Pferd nach Einsatzgebiet
- Organisation der Polizei (Deutschland)
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