Britischer Humor

Britischer Humor
Fuß aus dem animierten Vorspann von Monty Python’s Flying Circus

Der Begriff britischer oder englischer Humor bezeichnet zum einen die Komik in Rundfunksendungen, Filmen und Büchern aus Großbritannien und dient zum anderen als verallgemeinernde Beschreibung des speziellen Witzes, der den Briten zugeschrieben wird. Englischer Humor der zweiten Bedeutung kann auch anderen Ursprungs sein, beispielsweise wird auch Loriot damit assoziiert.

Inhaltsverzeichnis

Hauptmerkmale

Als Hauptmerkmale britischen Humors werden häufig Trockenheit, Schwärze, unverblümte Direktheit, Absurdität und Understatement genannt. Gerade der spannungsreiche Gegensatz zwischen Understatement und (bisweilen grausamer) Direktheit macht dabei den Grundzug britischen Humors aus: Ungeheuerlichkeiten, so könnte man sagen, werden stets präsentiert, als seien sie etwas Alltägliches.

Bekannte Persönlichkeiten und Rezeption im Ausland

Personen, die häufig mit britischem Humor in Verbindung gebracht werden, sind die Komikergruppe Monty Python, die Schauspieler Benny Hill und Rowan Atkinson (Mr. Bean) oder der Science-Fiction-Autor Douglas Adams. Jedoch gilt auch der Humor vieler irischer Autoren (Oscar Wilde, Flann O'Brien) als „typisch englisch“. Viele britische Fernsehsendungen und Sitcoms (Britcoms), die mit typischen Kennzeichen englischen Humors arbeiten, erreichten auch außerhalb Großbritanniens einen hohen Bekanntheitsgrad, sodass britischer Humor in In- und Ausland als eine Art Markenzeichen englischer Kultur verstanden wird. Verständnisschwierigkeiten im Ausland treten allerdings ergeben auf, wenn britische Umgangssprache oder Dialekte (beispielsweise Cockney) verwendet werden oder auf Personen der öffentlichen Lebens angespielt wird, die außerhalb des Vereinigten Königreichs unbekannt sind.

Soziologische Erklärungen

In Deutschland hat sich vor allem der emeritierte Literaturwissenschaftler Hans-Dieter Gelfert darum bemüht, Merkmale des englischen Humors mit der britischen Kulturgeschichte – vornehmlich dem Verhältnis der britischen Bevölkerung zur Obrigkeit – zu verknüpfen. Cornelia Neumann schreibt in der Zusammenfassung ihrer Magisterarbeit, der englische Humor sei

böse, sadistisch, anarchisch (also von Grund auf ungemütlich), respektlos und stellt sich mit seinem Spott nicht über die Herrschenden, die er verspottet. Es dominiert die Selbstironie.[1]

Sie führt diese Kennzeichen, in Anknüpfung an Gelferts Thesen, auf unterschiedliche politische Grundlagen der Kulturnationen zurück:

Man kann also den englischen Humor also als Ausdruck einer egalitären, demokratischen Gesellschaft deuten, den deutschen Humor als Ausdruck einer Gesellschaft, die sich ihrer politischen und kulturellen Identität ungewiss ist.[1]

Weitere Kennzeichen

Logo der Britcom Little Britain

Eine feste Definition britischen Humors gibt es nicht. Als auffällige Merkmale britischen Humors gelten jedoch – neben der bereits genannten Trockenheit, Schwärze, Direktheit, Absurdität und einem offen zur Schau gestellten Understatement – Ironie, Sarkasmus, Zynismus, damit verbunden eine Missachtung von Tabus und Anflüge von Sadismus, die bis zur offenen Grausamkeit reichen können. Im Gespräch wird englischer Humor mit Schlagfertigkeit (englisch: wit) und Scharfzüngigkeit verknüpft, in Literatur und Film mit Formen der Hochkomik und des Nonsens. Slapstick-Effekte werden (wie in den Benny-Hill-Filmen) als Mittel der (Selbst-)Erniedrigung einer Figur verwendet. Interesse an Sexualität schlägt sich in zahlreichen Wortspielen, Anspielungen und Zoten nieder. Auch das britische Klassensystem spielt in komischen Produkten eine Rolle, die beispielsweise das Arbeitermilieu (Ganz oder gar nicht) oder die Unterschicht (Little Britain) thematisieren.

Im Folgenden werden einige der genannten Merkmale britischen Humors genauer ausgeführt und mit Beispielen aus der Literatur- und Mediengeschichte belegt.

Trockenheit

Komische Effekte werden (so beispielsweise bei den Pythons) in der Regel emotionslos dargeboten, was oft zu überraschten oder schockierten Zuschauerreaktionen im Ausland führt. Trockener Humor ist daher, ähnlich wie ironische Äußerungen, nur indirekt als Witz zu erkennen.

Schwärze

Die Grundzüge des schwarzen Humor (engl.: black oder dark comedy) – die Behandlung makabrer, morbider, sexueller oder anderweitig tabuisierter Themen in satirischer, emotionsloser und/oder bewusst verharmlosender Weise – sind bereits in der elisabethanischen Tragödie zu finden. Später machte unter anderem Jonathan Swift davon Gebrauch. Der britische Film Dr. Strangelove kulminiert in der Szene, in der Major Kong auf einer Atombombe jubilierend in den Untergang reitet. Der schwarze Humor ähnelt der Groteske. Auch (komische) Geschmacklosigkeiten (engl.: sick comedy) werden oft mit schwarzem Humor in Verbindung gebracht.

Understatement

Understatement (dt.: Untertreibung) bedeutet, dass dramatische Situationen (vor allem im Gespräch) in unaufgeregter Weise präsentiert werden. Als in einer Szene aus The Meaning of Life der Sensenmann auf einer Dinnerparty erscheint, um alle Gäste zu holen, kommentiert einer der Gäste: “Well, that’s cast rather a gloom over the evening, hasn’t it?“ (dt.: „Nun, das hat den Abend ein wenig verdorben, nicht?“).

Nonsens

Jabberwocky, illustriert von John Tenniel

Nonsens ist regelhaft betriebener „Nicht-Sinn“, der inkongruente Elemente nicht etwa wahllos mischt, sondern eine neue Wirklichkeit installiert oder simuliert, die nach eigenen Gesetzen funktioniert und in sich stimmig ist. Der britische Nonsens hat seinen Ursprung bei viktorianischen Schriftstellern wie Edward Lear, der als Meister des Limerick gilt, und Lewis Carroll, dem Schöpfer der Kinderbücher Alice im Wunderland und The Hunting of the Snark. Carrolls Gedicht Jabberwocky etwa, das seine Wirkung durch Lautmalereien, Kofferworte und Assoziationen erzielt, beginnt mit den Versen:

'Twas brillig, and the slithy toves
Did gyre and gimble in the wabe:
All mimsy were the borogoves,
And the mome raths outgrabe.

Gobbledygook

Der Ausdruck gobbledygook (im Deutschen mit Galimathias oder auch Fachchinesisch zu übersetzen) bezeichnet besonders jargonlastiges, verworrenes oder anderweitig unverständliches Englisch. Das folgende Beispiel stammt vom Vorsitzenden der US-Notenbank Alan Greenspan:

It is a tricky problem to find the particular calibration in timing that would be appropriate to stem the acceleration in risk premiums created by falling incomes without prematurely aborting the decline in the inflation-generated risk premiums.

Gobbledygook wird aber auch häufig in britischen Komödien oder Fernsehserien verwendet: In Carry On Regardless, einem Teil der populären Carry-on…-Filmreihe, spielt Stanley Unwin einen Kunden, der seine Wünsche nicht verständlich machen kann, da er gobbledygook spricht.

Cringe comedy

Cringe comedy (dt.: zusammenzucken) sucht dort nach Komik, wo peinliches oder beschämendes Verhalten dem Zuschauen lustvolle Schmerzen bereitet, eine komische Spielart, für die in Deutschland der Begriff Fremdscham in Mode gekommen ist. Als maßgebliche britische Produktionen der cringe comedy gelten The Office mit Ricky Gervais (nach dessen Vorbild die deutsche Serie Stromberg modelliert wurde) und Schauspieler wie Rowan Atkinson, Harry Enfield oder Steve Coogan

Spoof comedy

Spoof comedy (dt.: Schwindel/Parodie) bezeichnet komische Fernsehsendungen, die die Form einer etablierten Fernsehsendung annehmen, um diese zu parodieren und mit formfremden Inhalten komisch zu brechen. So wird in Look Around You das Schulfernsehen der 80er Jahre auf den Arm genommen. Beliebte Vorlagen sind darüber hinaus Fernsehnachrichten (The Day Today), Talkshows (Knowing Me, Knowing You with Alan Partridge) und Dokumentationen (siehe: Mockumentary).

Literatur

  • Gelfert, Hans-Dieter: Max und Monty. Kleine Geschichte des deutschen und englischen Humors. München 1998
  • Gelfert, Hans-Dieter: Madam I'm Adam: Eine Kulturgeschichte des englischen Humors. München 2007
  • Marhenke, Dietmar: Britischer Humor im interkulturellen Kontext. Dissertation 2003 (PDF, 1,4 MB)

Quellen

  1. a b Quelle

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