- Aberkennung eines akademischen Grades
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Akademische Grade werden durch Hochschulen nicht nur verliehen, sondern können auch in bestimmten Fällen aberkannt werden. Die Kriterien zur Aberkennung eines akademischen Grades, insbesondere die Aberkennung des Doktorgrades, werden in den Studien- und Promotionsordnungen der Universitäten als auch in den Hochschulgesetzen festgelegt.
Eine Aberkennung kann rechtmäßig erfolgen, falls in einer wissenschaftlichen Arbeit zur Erlangung eines akademischen Grades der Bewerber sich einer Täuschung schuldig gemacht hat[1] (dies ist in der Regel dann ein Plagiat); in seltenen Fällen auch, wenn sich eine Person durch ihr Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat. Unrechtmäßige Aberkennungen können auch aus politischen Gründen erfolgen, wie zahlreiche Fälle aus dem Dritten Reich belegen.
Inhaltsverzeichnis
Aberkennungen wegen Plagiats
Hierzu maßt sich der Bewerber bei der Abschlussarbeit fremde Urheberschaft bewusst an. Dieses kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wenn entweder der Titel benutzt wurde, um eine Stellung zu erhalten, die ohne den Titel nicht möglich geworden wäre oder die Urheber klagen. In diesem Rahmen kann die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Aufsehen erregte in den 1970ern der Wall von Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen, des Urenkels von Kaiser Wilhelms II.. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entschied 1973, Prinz von Preußen den akademischen Grad des „Dr. phil.“ zu entziehen, der von ihm 1971 erworben wurde.[2][3]
Im Februar 2011 begann die Guttenberg-Affäre. Die Internetplattform GuttenPlag Wiki hatte eine Untersuchung der Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg angestoßen. Zu Guttenberg trat im März von seinen Ämtern zurück, die Uni Bayreuth erkannte ihm im Mai den Titel ab[4] In den darauffolgenden Monaten wurden im Internet weitere Doktorarbeiten vor allem von Politikern auf der Plattform VroniPlag Wiki auf Plagiate untersucht. Dies führte beispielsweise zur Aberkennung der Doktortitel des FDP Bundestagsabgeordneten Georgios Chatzimarkakis[5] und der FDP Europaabgeordeneten Silvana Koch-Mehrin, FDP-Politikerin und ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Juni 2011[6]
Zu den Experten für die Feststellung von Plagiaten bei Dissertationen zählt der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber.[7]
Aberkennung auf Grund unwürdigen Verhaltens
Insbesondere der Doktorgrad kann auch durch Fehlverhalten nach der Verleihung wieder entzogen werden.
Die rechtlichen Hürden für eine derartige Aberkennung sind jedoch durch die aktuelle Rechtsprechung ausgesprochen hoch; als exemplarisch gilt der Fall Jan Hendrik Schön: Dieser wurde 1998 an der Universität Konstanz promoviert.[8] In seinen späteren Publikationen wurden Schön wiederholt Manipulationen nachgewiesen; 2004 versuchte darauf hin die Universität Konstanz den Doktorgrad zu entziehen.[9] Schön legte Widerspruch ein. Im September 2010 entschied das Verwaltungsgericht Freiburg, Schön dürfe den Grad weiterhin führen, da die Begründung der Universität für eine solche Maßnahme nicht ausreiche.[10]. Die Universität ging daraufhin in Berufung; der Verwaltungsgerichtshof Mannheim stellte dabei fest, dass im „Interesse einer funktionstüchtigen Wissenschaft“ die Aberkennung zu Recht erfolgt sei [11].
Aberkennung in der Zeit des Nationalsozialismus wegen Verurteilung in einem Strafverfahren
Nach einer Verurteilung in einem Strafverfahren oder wenn einem Universitätsabsolventen vom Gericht die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt wurden, konnte die in Kenntnis gesetzte Universität auch die Universitätsdiplome entziehen. Insbesondere für die Zeit nach 1933 ist es im Nachhinein schwer feststellbar, in welchen Fällen unter den degradierten Akademikern auch gewissenlose Ärzte, Brandstifter, Sexualstraftäter und finanzielle Gauner waren, oder ob ihre strafrechtliche Verurteilung aus politischen Gründen erfolgte.[12]
Beispielsweise „die Schwangerschaftsabtreibung war schon vor 1933 ein Straftatbestand, der als hinreichend galt, dem ausführenden Arzt den Doktortitel zu entziehen“.[13]. Nach 1933 kam straferschwerend hinzu, dass der Schwangerschaftsabbruch auch der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik widersprach. An der Münchener Universität waren es in der Zeit von 1933 bis 1945 dreizehn Aberkennungen mit dieser Begründung.
Nachdem 1935 der Paragraf 175 RStGB von den Nationalsozialisten grundlegend revidiert worden war, waren nun alle sexuellen Handlungen zwischen Männern, die als "unzüchtig" gewertet werden konnten, strafbar. In München wurde nach der strafrechtlichen Verurteilung in fünf Fällen der Doktorgrad durch den Universitätsausschuss aberkannt.[14]
Aberkennung aus „rassischen“ oder politischen Gründen und Wiederverleihungen
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde 2000 jüdischen Akademikern der Doktortitel aberkannt.[15] Deren Rehabilitierung ist noch nicht abgeschlossen. Einige Hochschulen haben die Betroffenen rehabilitiert, darunter Hamburg 1991, Frankfurt am Main 1995, die Universität Bonn 1998, die Humboldt-Universität Berlin, Münster 2000, Marburg 2002, Gießen 2006.[15]
Die Zahl der Depromotionen an der Universität Leipzig umfasste mindestens 73 Betroffene in der Zeit von 1933 bis 1944, wie Burkhard Boemke in einer Feierstunde am 30. April 2007 zur Aufhebung erklärte.[16] Die Universität Würzburg erkannte zwischen 1933 bis 1945 insgesamt 184 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Doktorwürde ab. Vor allem Wissenschaftler jüdischer Herkunft sollten damit herab gewürdigt werden. In Einzelfällen wurde die Aberkennung auf Antrag der Betroffenen nach der Zeit des Nationalsozialismus widerrufen. Nach einer länger andauernden Aufarbeitung dieser Depromotionen durch eine Kommission im Jahr 2010 hat die Universität alle Betroffenen, zu einem großen Teil posthum, in einem Festakt am 30. Mai 2011 wieder in ihre akademische Würden eingesetzt.[17][18]
An der Universität Wien setzte sich das Projekt „Akademische ‚Würde‘ – Aberkennungen und Wiederverleihungen akademischer Grade an der Universität Wien“ mit den Aberkennungen und Wiederverleihungen akademischer Grade zwischen 1845 und 2005 auseinander. Es ging aus einer Studie hervor, die sich 2003 bis 2004 mit der „Nichtigerklärung von Aberkennungen“ aus der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt hatte. Im Rahmen einer Gedenkveranstaltung an der Universität Wien im März 2004 wurden 31 Aberkennungen aus der Zeit des Nationalsozialismus für nichtig erklärt: etwa die von Otto Abeles, Peter Ludwig Berger, Bruno Bettelheim, Paul Stefan, Otto Stern, Leopold Weiß und Stefan Zweig.[19]
Siehe auch
Literatur
- Volker Rieble: Das Wissenschaftsplagiat – Vom Versagen eines Systems. Frankfurt/Main (Verlag Vittorio Klostermann) 2010, ISBN 978-3-465-04101-6
- Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren : die Aberkennung der Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München während der Zeit des Nationalsozialismus, München : Utz, 2007 ISBN 978-3-8316-0691-7
Einzelnachweise
- ↑ Beispiel: Promotionsordnung für die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth vom 27. November 1979 in der Fassung der Fünften Änderungssatzung vom 30. März 2000, Universität Bayreuth
- ↑ AFFÄREN – Still behandelt DER SPIEGEL 31/1973. Abgerufen 1. Juli 2011.
- ↑ Der Hochadel und das wissenschaftliche Arbeiten - Die zwei Dissertationen des Doktor Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen. Peter Mühlbauer, Februar 2011, Website Telepolis. Abgerufen 1. Juli 2011.
- ↑ Uni Bayreuth erkennt Guttenberg Doktortitel ab in: Die Zeit vom 24. Februar 2011. Abgerufen am 6. Juli 2011.
- ↑ Wissenschaftliches Fehlverhalten - Philosophische Fakultät entzieht Georgios Chatzimarkakis den Doktorgrad. Universität Bonn, 13. Juli 2011, abgerufen am 13. Juli 2011.
- ↑ Silvana Koch-Mehrin – Universität Heidelberg beschließt die Entziehung des Doktorgrades. Universität Heidelberg, 15. Juni 2011, abgerufen am 15. Juni 2011.
- ↑ http://www.zeit.de/studium/hochschule/2011-09/portraet-weber
- ↑ Presseinformation Nr. 163 Universität Konstanz (online)
- ↑ Fälschungsskandal: Physiker wird Titel aberkannt. In: ORF (online)
- ↑ Streit um Doktortitel. In: Die Welt, Online, 29. September 2010 (online)
- ↑ Ex-Spitzenforscher bleibt "unwürdig" für Doktortitel. In: Spiegel online, 14. September 2011 (online)
- ↑ Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren, München : Utz, 2007, S. 112f
- ↑ Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren, München: Utz, 2007, S. 110
- ↑ Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren, München : Utz, 2007, S. 111
- ↑ a b Gelsenzentrum (online)
- ↑ Unwirksamkeit der Aberkennung von Doktorgraden 1933 - 1945 Rede des Dekans der Juristenfakultät der Universität Leipzig Prof. Dr. Burkhard Boemke am 30. April 2007 anlässlich der Feierstunde zur Aufhebung der Aberkennung von Promotionen jüdischer Akademiker durch die Juristischen Fakultät der Universität Leipzig von 1933 bis 1945 im Rahmen der 17. Jahrestagung der DIJV/IDJV im Bundesverwaltungsgericht Leipzig. Universität Leipzig, 2007 (online)
- ↑ Pressemitteilung Universität Würzburg. (online, nicht mehr verfügbar)
- ↑ Titel-Raub der Nazis: „Es war die absolute Perversion“. In: Der Spiegel, 31. Mai 2011 (online)
- ↑ Herbert Posch: Akademische ‚Würde’ – Aberkennungen und Wiederverleihungen akademischer Grade an der Universität Wien. Abstract. Universität Wien, o.J. (online)
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