Adolf Schandl

Adolf Schandl

Adolf Schandl (* 1936 in Wien) ist ein österreichischer Strafgefangener, der als Stein-Ausbrecher und Karlau-Geiselnehmer bekannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Straftaten

Adolf Schandl hatte in den Jahren 1967 und 1968 zusammen mit seiner Freundin drei bewaffnete Raubüberfälle begangen und dabei zwei Menschen niedergeschossen. Dafür wurde er am 11. Juni 1970 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen dreifachen schweren Raubes und zweifachen Mordversuchs zu zehn Jahren schwerem Kerker verurteilt und in die Justizanstalt Stein überstellt. Im Oktober 1971 versuchte Schandl mit einem Mithäftling zu flüchten und konnte über die Anstaltsmauer ins Freie springen; weil er sich dabei jedoch eine Beinfraktur zuzog, konnte er schnell wieder verhaftet werden. [1]

Stein-Ausbruch und Flucht

Aufgrund des wöchentlichen Rechtshilfetages ließ sich Schandl zusammen mit drei Mithäftlingen am 4. November 1971 dem diensthabenden Untersuchungsrichter vorführen. Schandl hatte mit zwei Mithäftlingen, darunter auch jener, mit dem er bereits im Oktober zu flüchten versuchte, ausgemacht, während dieses Termines Geiseln zu nehmen und so aus der Haftanstalt zu gelangen. Neben dem Richter waren auch eine Schriftführerin und zwei Wachebeamte anwesend. Da es bereits nach 17 Uhr war und der Personalstand zu dieser Zeit drastisch reduziert ist, waren die beiden Beamten mit Schusswaffen ausgerüstet. Schandl und seine beiden Mithäftlinge Alfred N. und Walter S. nutzten diese Gelegenheit und überwältigten die beiden Wachebeamten. Nachdem sie sich die beiden Dienstpistolen angeeignet hatten, nahmen sie Verhandlungen mit der Anstaltsleitung auf. Sie forderten Zivilkleider, freies Geleit mit zwei der Geiseln und einen Vorsprung von zwei Tagen, in denen nicht nach ihnen gefahndet werden sollte, dann erst würden sie die Geiseln freilassen. Es wurde ein Ultimatum von zehn Minuten gestellt. Den Verhandlungsleitern gelang es, das Ultimatum bis 19:30 Uhr zu verlängern und neben der Freilassung der beiden Wachebeamten auch die Freilassung der Schriftführerin zu erwirken. Stattdessen hatte sich der Polizeikommandant von Krems an der Donau als Ersatzgeisel angeboten. Mit dem Richter und dem Kommandanten als Geisel fuhren sie im Auto des Richters aus der Justizanstalt. Justizminister Christian Broda hatte die Anstaltsleitung ermächtigt, die Gefängnistore zu öffnen und den Tätern einen Vorsprung von mindestens 30 km zugesichert.

Nachdem sie in Wien-Penzing in eine Sackgasse gefahren waren, und sich am Eingang der Sackgasse Polizeifahrzeuge sammelten, wendeten sie und durchbrachen den Ring von Einsatzfahrzeugen. Anschließend fuhren sie zum Wiener Westbahnhof, stiegen dort mit ihren Geiseln aus, nahmen eine Zeitungsverkäuferin als zusätzliche Geisel und bestiegen ein Taxi, wobei sie den Fahrer ebenfalls als Geisel nahmen. Dann fuhren sie auf Vorschlag des Polizeikommandanten zum Polizeipräsidium Wien, um dort direkt mit der Polizeispitze zu verhandeln. Legendär wurde der Ausspruch des damaligen Polizeipräsidenten Holaubek beim Überreden zur Aufgabe „I bin's, dei Präsident!“. Schandl und seinen Komplizen wurde ein weiterer Fluchtvorsprung bis Freitag Mittag zugesichert, worauf diese als Gegenleistung die Verkäuferin freiließen. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, abgestellte Autos aufzubrechen und kurzzuschließen, hielten sie in Breitenlee einen PKW mit zwei Insassen an und zwangen diese ins Taxi umzusteigen. Danach fuhren die Täter mit beiden Autos zu einem verlassenen Steinbruch, machten das Taxi fahrunfähig und ließen den Taxilenker und die beiden Männer gefesselt zurück. Mit den beiden übriggebliebenen Geiseln setzten die Täter ihre Flucht in dem neuen Fahrzeug fort. Später ließen sie dann auch den Richter und den Kommandanten frei, nachdem diese versprochen hatten, 20 Minuten lang keine Polizei zu alarmieren.

Schandl und seine Komplizen fuhren weiter in den 7. Wiener Stadtbezirk, wo sie ein Auto aufbrachen und kurzschlossen. Doch ehe sie wegfahren konnten, tauchte der Besitzer des Wagens und zwei weitere Männer auf und trieben die Täter in die Flucht. Einer der Täter kehrte jedoch zum Wagen zurück und fuhr seinen Komplizen hinterher, die daraufhin ihre Verfolger mit Warnschüssen stoppten und ebenfalls in den Fluchtwagen sprangen. In der Davidgasse stieg Schandl aus dem Wagen und flüchtete alleine weiter, seine beiden Komplizen kaperten einen Streifenwagen und verschanzten sich umringt von Polizeieinheiten in einem Wohnhaus, wo sie sich nach 72-stündiger Flucht ergaben. Adolf Schandl entwendete kurz darauf einen weiteren PKW und fuhr damit zur Ehefrau eines Bekannten, die jedoch nicht zu Hause war. Nachdem er einige Tage bei Freunden untergetaucht war, stand er am 15. November vor der Wohnungstür der Mutter einer seiner Mithäftlinge in der Taubergasse. Er bedrohte die Frau mit einem Messer und richtete sich häuslich bei ihr ein. Obwohl er noch immer dieselbe Zivilkleidung wie bei seiner Flucht trug und umliegende Kaffeehäuser besuchte, blieb er unerkannt. Die Frau traute sich nicht die Polizei zu alarmieren, da sie glaubte ihr Sohn sei in die Flucht verwickelt.[2][3][1][4]

Nachdem die Polizei sämtliche Zellenkontakte von Schandl überprüft hatte, wurde auch das Haus in der Taubergasse observiert und Schandl schließlich in den frühen Morgenstunden des 20. November widerstandslos in der Wohnung verhaftet. Für die Flucht und die dabei begangenen Straftaten wurde er zusätzlich zu 16 Jahren Haft verurteilt. 1985 wurde er vorzeitig entlassen, jedoch 1992 wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes und einem Schusswechsel mit der Gendarmerie zu 19 Jahren Haft verurteilt und abermals in die Justizanstalt Stein überstellt. Anfang Oktober 1996 wurde er wegen akuter Fluchtgefahr in die Justizanstalt Graz-Karlau verlegt. [5]

Geiselnahme in der Haftanstalt Karlau

Innerhalb weniger Wochen gelang es Schandl dort während seiner täglichen, einstündigen Hofgänge, zwei Komplizen für einen Ausbruchsversuch zu finden. Dabei handelte es sich um den Mörder und Zuhälter Peter Grossauer, sowie den palästinensischen Terroristen und zweifachen Mörder Tawfik Ben Chaovali. Am 14. November 1996 durften aus bis heute ungeklärten Gründen die drei Männer zusammen im Anstaltsgeschäft einkaufen. Aus einem dort deponierten Plastiksack zückte Chaovali ein Messer und überwältigte zwei Wachebeamte durch Messerstiche, während sich Schandl und Grossauer auf die drei Verkäuferinnen stürzten und diese fesselten. Einem dritten Wachebeamten gelang es, seine beiden schwer verletzten Kollegen auf den Gang zu ziehen, bevor er Alarm auslöste. Chaovali band den Frauen anschließend selbstgebastelte Flaschenbomben um den Körper. Die dafür notwendige Nitroverdünnung hatte er aus der Gefängniswerkstätte entwendet. Schandl telefonierte inzwischen mit der Anstaltsleitung und forderte einen Hubschrauber sowie acht Millionen Schilling. Zugleich drohte er damit, bei Ablehnung der Forderung die Frauen zu töten und Selbstmord zu begehen, sowie bei Zeitgewinnungsversuchen die Geiseln zu foltern und sexuell zu missbrauchen. Sofort wurde die Polizei alarmiert, die wiederum das Einsatzkommando Cobra zu Hilfe rief. Einem speziell geschulten Verhandlungsleiter der Verhandlungsgruppe Süd gelang es, das Ultimatum zu verlängern, während Scharfschützen Stellung bezogen.

Nach rund neun Stunden bereiteten sich die Cobra-Beamten darauf vor, die Geiseln zu befreien und installierten spezielle Türöffnungsgeräte, was durch den Lärm eines Hubschraubers gedeckt wurde, der den Geiselnehmern gleichzeitig eine Erfüllung ihrer Forderungen vortäuschen sollte. Tawfik Ben Chaovali hörte jedoch die Beamten und beschimpfte sie durch die geschlossene Tür, während diese ihm versicherten, nur das Lösegeld zu überbringen. Nachdem Schandl die Türe geöffnet und einen Koffer voll Geld übernommen hatte, ging er zurück zu seinen Komplizen und öffnete dort den Koffer. Diesen Moment der Ablenkung nutzten die Cobra-Beamten, um die Türen aufzusprengen, Warnschüsse über die Köpfe der Geiselnehmer hinweg abzufeuern und die Täter schließlich zu überwältigen. Während des zwei Minuten und 14 Sekunden dauernden Zugriffs blieben alle Beteiligten unverletzt. Anschließend wurden die Täter einer Leibesvisitation unterzogen und unter Isolationshaft gestellt. Die Geiselnahme führte auch dazu, dass die Sicherheits- und Haftbedingungen der Justizanstalt verschärft wurden. [6]

Verbleib

Am 18. Dezember 1997 wurde er am Landesgericht für Strafsachen in Graz in einem Geschworenenprozess zu 19, seine Mittäter zu 19 bzw. 17 Jahren Haft verurteilt. Die Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde wurde am 23. Juni 1998 vom Obersten Gerichtshof verworfen.[7] Am 11. Februar 2009 wurde Adolf Schandl vom Hochsicherheitstrakt der Haftanstalt Karlau in die Justizanstalt Garsten verlegt. Seine Haftentlassung ist durch seine vorherige Strafe auf das Jahr 2027 festgesetzt.

Trivia

Für die ORF-Dokumentation "Cobra – übernehmen Sie!" wurde die Geiselnahme in der Justizanstalt Graz-Karlau nachgestellt und mit Originalfilm- und tonaufnahmen ergänzt. [8]

Einzelnachweise

  1. a b Manchmal hing das Leben der Geiseln wahrhaftig nur an einem Haar. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 6. November 1971, S. 4.
  2. „Die Galerie“ zum Stein-Ausbruch
  3. Gangsterflucht nach 2 Ultimaten. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 5. November 1971, S. 5.
  4. Wien atmet auf: Die Gangster ergaben sich. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 7. November 1971, S. 1.
  5. „Wiener Weg“ bestätigt: Schandl blieb keine Wahl. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 21. November 1971, S. 1.
  6. „News.at“ über die Geiselnahme
  7. OGH Urteil laut RIS- Datenbank RIS - 14Os55/98 - Entscheidungstext
  8. ORF.at über die Dokumentation Cobra – übernehmen Sie!

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