Vallo Alpino

Vallo Alpino
Maschinengewehrscharte eines Vallo Alpino Werkes oberhalb der Cima Banche an der Grenze zwischen der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol und der Provinz Belluno
Bunker des Vallo Alpino auf einer Flussinsel am oberen Tagliamento
Beobachtungspanzerglocke eines Vallo Alpino Werkes oberhalb von Rijeka
Beobachtungs- und Maschinengewehrstand eines Vallo Alpino Werkes am Toblacher See im Höhlensteintal in Südtirol
Scharte des unvollendeten Vallo Alpino Artilleriewerkes am Gampenpass in Südtirol
Kaserne des Vallo Alpino in hochalpiner Lage am Kreuzjoch in der Nähe des Brennerpass
Betonierter Unterstand mit Verbindungsweg zu einem Bunker des Vallo Alpino auf dem Plamort oberhalb des Reschenpasses an der italienisch-österreichischen Grenze
Verbindungsgang in einem nach 1945 ausgebauten größeren Befestigungswerk des Vallo Alpino in der Nähe des Südtiroler Ortes Gossensaß
Gepanzerter Kampfstand für ein Maschinengewehr in einem Infanteriewerk des Vallo Alpino in der Provinz Belluno. Im unteren Bildausschnitt ist der Anschluss für die Atemluftversorgung des Schützen sichtbar. Da während des Schießens Gase entstehen, die nicht so schnell abziehen können, musste der Soldat eine Gasmaske tragen, um nicht selbst zu ersticken. Die Frischluftversorgungsleitungen und dazugehörigen Filteranlagen waren ein wesentlicher Bestandteil des Innenausbaus.

Vallo Alpino oder Vallo Alpino del Littorio (aus dem italienischen Alpenwall) ist der Name einer zu großen Teilen unfertig gebliebenen Befestigungslinie Italiens in den Alpen. Der Bau begann in den späten 1920er Jahren und endete offiziell 1942, an einigen Stellen wurde aber nach 1945 der Baubetrieb wieder aufgenommen.

Die Linie sollte die Grenzregionen zu Frankreich, der Schweiz, Jugoslawien und Österreich beziehungsweise dem Deutschen Reich (siehe Artikel Alpenwall in Südtirol) sichern. Eine Vielzahl der Anlagen ist heute noch erhalten. Straßen, Wege und Bunker werden mitunter privat, touristisch bzw. gewerblich genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Name

Der Name Vallo Alpino del Littorio leitet sich vom Liktor, dem römischen Träger der Fasces, ab und kann daher etwa mit faschistischer Alpenwall übersetzt werden. Die deutsche Bezeichnung wird häufig für den Abschnitt gegenüber dem Deutschen Reich, den Alpenwall in Südtirol verwendet.

Die Bezeichnung „Vallo Alpino“ resultiert aus der Tatsache, dass diese Befestigungskette keinen offiziellen (Propaganda)-Namen erhielt, wie etwa die französische Maginot-Linie, der Westwall oder der Atlantikwall. Diese wurden während ihrer Bauzeit von einer zielgerichteten Propaganda begleitet, die dem Gegner Stärke und Unverwundbarkeit vorgaukeln sollte. Somit sind diese Befestigungslinien heute auch einem breiteren Publikum sehr bekannt und ihr Name ist Programm. Bei den italienischen Befestigungsanlagen ist es dagegen etwas anders. Besonders die Arbeiten an den Befestigungen in Südtirol, fanden unter strenger Geheimhaltung statt. Eine klare Abgrenzung in der Begrifflichkeit ist letztendlich nicht möglich.

Geographie

Die Linie reicht von der französisch-italienischen Grenze in den Seealpen bis zum heutigen Rijeka (ital. Fiume) in Kroatien. Aufgrund von Grenzverschiebungen nach dem Zweiten Weltkrieg befindet sich eine große Anzahl von Anlagen des Vallo Alpino heute nicht mehr auf italienischem Staatsgebiet, sondern in Frankreich, Slowenien und Kroatien. Die Befestigungslinie ist im eigentlichen Sinne keine Linie, die wie eine Perlenschnur (wie etwa der Atlantikwall an der Küste) entlang der italienischen Grenze aufgereiht vorzufinden ist. Da größtenteils Hochgebirge Italien von seinen Festlandsnachbarn trennt, sind es vor allem die Pässe und Täler der Zufahrtswege, die befestigt wurden. Aber auch in den Kammregionen in der Nähe der Pässe lassen sich Anlagen finden, die durch ein gigantisches Straßennetz miteinander verbunden wurden.

Konstruktion

Die Befestigungsanlagen bestehen aus einer Kombination von Hindernissen verschiedenster Funktionen, Mannschaftsunterkünften, Betonbunkern und kavernierten Felsstellungen, die alle an taktisch günstigen Plätzen innerhalb der Alpen beziehungsweise dem slowenischen Karst errichtet wurden.

Kennzeichnend ist eine imposante Tiefenstaffelung der Sperrbereiche. Sie reicht bis zu 70 Kilometer ins Landesinnere und kann bis zu sechs Sperren hintereinander vorweisen. Dabei bilden die Sperren in unmittelbarer Grenznähe die baulich ältesten. Die Sperranlagen sind in Ausbau und Stärke sehr verschieden. Manche Sperren verfügen nur über kleine Bunker für Maschinengewehre, andere über im Fels untergebrachte Artillerie und ein ganzes Tal durchziehende Panzergräben bzw. –mauern. Diese Sperren können bis zu einem Dutzend oder mehr autarke Anlagen einschließen und finden sich oft, an den in den Tälern gelegenen natürlichen Hindernissen, an Verkehrsknotenpunkten oder beziehen Ortschaften in das Verteidigungskonzept mit ein.

Der heutige bauliche Zustand der Anlagen variiert sehr stark. So existieren weiterhin verschlossene Anlagen, die nur mit örtlicher Genehmigung zu besichtigen sind. In der Regel sind viele Bunker und Felskavernen offen und stellen Gefahrenquellen dar, besonders wenn sie noch unvollendet geblieben sind. Manche Anlagen bestehen aus Hunderten von Metern von Stollenanlagen, ungesicherten Schächten und stellenweise maroden Zugängen, die nicht nur ein Orientieren erschweren sondern deren Betreten lebensgefährlich sein kann. Oft erschweren Bewuchs und noch gut erhaltene Tarnung die Entdeckung der Bauwerke.

Geschichte

Bereits nach 1918 machten sich Militärplaner an die Auswertung des Krieges und kamen zu dem Schluss, dass man einem zukünftigen Krieg mit einer starken Landesbefestigung an den Grenzen begegnen müsse. So entstanden die bekannten Befestigungen in Frankreich (Maginot-Linie), in Deutschland (Oder-Warthe-Bogen und Westwall), in Griechenland (Metaxas-Linie), der Tschechoslowakei sowie in Jugoslawien, Polen, der Sowjetunion (Stalin-Linie), der Schweiz (Schweizer Reduit) und in weiteren europäischen Ländern. Landesbefestigungen waren nicht nur teuer, auch eine Vielzahl besonders jüngerer Militärs sah deren militärischen Wert angesichts neuer Waffen und Taktiken als überholt an und forderte, die Geldmittel in die Mobilität der Armeen zu investieren.

In Italien begannen die Planungen für eine Befestigung der besonders nach den Friedensverhandlungen von Paris 1919 neu gewonnenen Gebiete bereits vor dem endgültigen Machtantritt Mussolinis 1926. Im Kriegsfall, so die Strategen, sollte ein gegnerischer Vormarsch nach Italien erschwert werden, um dem italienischen Heer Zeit zur Mobilisierung zu verschaffen. Damit sollten mit einer relativ kleinen Zahl von Grenztruppen die Einfallswege im Gebirge gesperrt werden können. Dieser Gedanke resultierte noch aus den italienischen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und wurde später selbst in die Planung der NATO nach dem Zweiten Weltkrieg integriert. Viele Werke in Südtirol und Friaul wurden nach 1945 fertiggestellt und ausgerüstet.

Aber erst die politischen und wirtschaftlichen Kraftanstrengungen der faschistischen Regierung erlaubten es, die Planungen umzusetzen. Gebaut wurde gleichzeitig im Westen an der Grenze zu Frankreich, wie im Osten an der Grenze zu Jugoslawien. Bevor mit dem Bau der eigentlichen Befestigungswerke begonnen werden konnte, mussten Hunderte von Kilometern an neuen Straßen in schwierigem Berggelände gebaut werden. Dieser Teil verschlang schon eine Unsumme des vorhandenen Budgets. So mussten Arbeitskräfte aus dem Süden Italiens angeworben, Transportmittel bereitgestellt und letztendlich Baumaterialien beschafft werden. Da Stahl knapp war und meist zur Waffenproduktion verwendet wurde, griffen die italienischen Ingenieure zu altbewährten Lösungen des letzten Krieges und konnten so die Kosten gering halten. Wo immer es möglich war, wurden Stollen in den vorhandenen Fels getrieben und nur Eingänge und Waffenstände entstanden im herkömmlichen Bunkerbau, wobei aber größtenteils auf Armierungsstahl verzichtet wurde. Auch die Inneneinrichtungen waren spartanisch und die Italiener verzichteten auf aufwändige technische Einrichtungen. Im Gegensatz zu den bekannten Landesbefestigungen wie der französischen Maginot-Linie oder dem deutschen Westwall ist der Vallo Alpino ohne propagandistisches Begleitprogramm errichtet worden. Daher zählt er heute noch zu den eher unbekannten Befestigungslinien Europas.

Mit dem Ende des Westfeldzuges im Juni 1940 wurden auch die Arbeiten an der italienischen Alpengrenze zu Frankreich eingestellt. Nach dem deutsch-italienischen Balkanfeldzug 1941 endeten die Arbeiten an der italienischen Ostgrenze ebenso.

Paradoxerweise hielten aber die erst 1938 begonnenen Arbeiten am Alpenwall an der Grenze zum Dritten Reich an. Nicht die „Ironie der Geschichte“ sondern ein tiefes Misstrauen zwischen den Nationalsozialisten und vor allem den italienischen Militärs ließ besonders in Südtirol ein Befestigungswerk entstehen, das einer Achse Berlin-Rom einen erheblichen Knick verpasste. Daran änderten auch die Freundschaftsgesten beider Diktatoren nichts. Als sich die Anzeichen auf deutscher Seite mehrten, dass die aus dem „Stahlpakt“ zwischen Rom und Berlin beschlossenen Mittel unter anderen in den Bunkerbau flossen, intervenierte Hitler direkt in Rom. Der Bau wurde offiziell eingestellt. Die Anlagen waren trotz heimlichen Weiterbaus an den tiefer im Landesinneren gelegenen Sperren nicht fertiggestellt worden, als deutsche Truppen den Norden Italiens besetzten, um Mussolini noch einmal kurzfristig die Macht zu ermöglichen (Republik von Salò) und um die eigene Front im Süden weiterhin versorgen zu können. Die an einigen Stellen stattfindenden Kampfhandlungen waren nur eine Randnotiz des Krieges.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen die Franzosen im Westen damit, viele Anlagen des Vallo Alpino zu zerstören. Im Osten befand sich der gesamte Befestigungsbereich nun auf dem Territorium des neu entstandenen Jugoslawien. Nur im Norden blieben die Anlagen auf italienischem Staatsgebiet. Einige Sperren wurden fertig gestellt und sollten mit dem beginnenden Kalten Krieg den befürchteten Angriff der Roten Armee erschweren. Immerhin war Österreich bis zum Staatsvertrag von 1955 auch noch in vier Besatzungszonen geteilt. Dazu wurden einige Sperranlagen mit Panzertürmen ausrangierter M4 Sherman sowie M26 Pershing armiert. Bis zum Fall des Eisernen Vorhanges blieben die Anlagen militärisches Sperrgebiet und nur deshalb lässt sich erklären, warum die Forschung zu den Bauten noch sehr jung ist. Viele Unterlagen in den italienischen Militärarchiven sind nur unvollständig oder fehlen ganz. Nach dem Ende des Kalten Krieges hat das Militär die noch bis 1990 betriebenen Anlagen desarmiert und endgültig aufgegeben. Die Anlagen blieben bis 1999 im Besitz des Militärs bzw. des italienischen Staates und wurden dann an die Landesregierungen von Südtirol bzw. Friaul rückübertragen. Ehemalige Militärstraßen und Wege dienen heute vielfach als Wander- und Mountainbikerouten.

Literatur

  • Autonome Provinz Bozen Südtirol (Hrsg.): Bunker, Bozen 2005.
  • Alessandro Bernasconi, Giovanni Muran: Le fortificazioni del Vallo Alpino Littorio in Alto Adige, Trient 1999.
  • Alessandro Bernasconi, Giovanni Muran: Il testimone di cemento. Le fortificazioni del «Vallo Alpino Littorio» in Cadore, Carnia e Tarvisiano, Udine 2009.
  • Florian Brouwers: Il Vallo Alpino – Der Alpenwall. In: Fortifikation, Nr. 12, 1998, S. 5-22.
  • Florian Brouwers, Matthias Schneider: Der östliche Teil des Vallo Alpino zwischen Postojna und Rijeka. In: Fortifikation, Sonderausgabe 6, Befestigungen in Italien (1), 2000, S. 83-137.
  • Hans-Otto Clauß: Die Tagliamento-Linie. Befestigungsanlagen des Vallo Alpino in Karnien. In: Fortifikation, Nr. 21, 2007, S. 95-109.
  • Pier Giorgio Corino: L’opera in caverna del Vallo Alpino, o. O. 1995.
  • Claude Rybaud: Les fortifications françaises et italiennes dans les Alpes-maritimes, o.O. 2002.
  • Oliver Zauzig: Der Vallo Alpino von Winnebach bis Cortina d’Ampezzo. In: Fortifikation, Nr. 22, 2008, S. 93-116.

Weblinks

 Commons: Alpine Wall – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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