- Amatoxine
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Bei den Amatoxinen handelt es sich um zyklische Oligopeptide, die aus acht Aminosäuren aufgebaut sind. Es gibt acht Amatoxine, von denen das α-Amanitin, das β-Amanitin und das γ-Amanitin die bekanntesten sind. Amatoxine kommen neben den Phallotoxinen in einigen Arten der Gattung Wulstlinge (Amanita) vor, z. B. in den europäischen Vertretern Grüner Knollenblätterpilz (A. phalloides), Kegelhütiger Knollenblätterpilz (A. virosa) und Frühlingsknollenblätterpilz (A. verna).
[1] 1 2 3 4 5 6 7 8 LD50 (mg/kg)
oral, Mausα-Amanitin Dihyile Hytrp Gly Ile Gly Cys Asn Hypro 0,3 β-Amanitin Dihyile Hytrp Gly Ile Gly Cys Asp Hypro 0,5 γ-Amanitin Hyile Hytrp Gly Ile Gly Cys Asn Hypro 0,2 ε-Amanitin Hyile Hytrp Gly Ile Gly Cys Asp Hypro 0,3 Amanullin Ile Hytrp Gly Ile Gly Cys Asn Hypro >20 Amanin Dihyile Trp Gly Ile Gly Cys Asp Hypro 0,5 Amaninamid Dihyile Trp Gly Ile Gly Cys Asn Hypro ? - Dihyile = (3R,4R)-4,5-dihydroxyisoleucin[2]
- Hyile = (3R,4S)-4-hydroxyisoleucin[2]
- Hytrp = 6-Hydroxytryptophan
Inhaltsverzeichnis
Eigenschaften
Die Amatoxine sind resistent gegen Kochen und Trocknen und werden auch nicht durch die Proteasen im Magentrakt zerlegt. Der Grund hierfür liegt im Ringschluss und der Verbrückung des Peptids.
In Amanitinen wurde erstmals das Aminosäure entdeckt. Des Weiteren sind die Aminosäuren Asparagin, Asparaginsäure, Cystein, Glycin, Hydroxyprolin, Isoleucin und Tryptophan als Bausteine enthalten.
α-Amanitin hat die Summenformel C39H54N10O14S, eine Molmasse von 918,84 g/mol und die CAS-Nummer 23109-05-9.
β-Amanitin hat die Summenformel C39H53N9O15S, eine molare Masse von 920,0 g/mol und die CAS-Nummer 21150-22-1.
γ-Amanitin hat die Summenformel C39H54N10O12S, eine molare Masse von 886,98 g/mol und die CAS-Nummer 13567-11-8.
Alle drei sind kristallin, farblos, hitzestabil und löslich in Ethanol, Methanol und Wasser.
Biosynthese
Kleine Peptide wie Amanitin werden im allgemeinen von nichtribosomalen Peptidsynthasen aufgebaut. Daher wurde davon ausgegangen, dass auch Amanitine von NRSPs synthetisiert wird. Nachdem das Genom von A.bisporigera vollständig sequenziert wurde, fanden sich aber keine für NRSP kodierende Gene, was diese Möglichkeit ausschloss. Eine Suche nach einer für die acht in Amanitin enthaltenen Aminosäuren IWGIGCNP kodierende Sequenz führte aber zu einem Gen, welches AMA1 genannt wurde. Das von AMA1 kodierte Protein ist aber wesentlich länger als das fertige Amanitin, was posttranslationale Modifikationen nötig macht.[3] Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Aminosäurensequenz IWGIGCNP in einem ersten Schritt von Prolyloligopeptidasen aus dem Propeptid herausgeschnitten wird [4]. Die weitere Verarbeitung - welche unter anderem eine Zyklisierung des Peptides und Hydroxylierung einzelner Aminosäuren beinhaltet - ist noch nicht bekannt.
Toxizität
Amatoxine hemmen die Transkription durch Blockade der RNA-Polymerase. Die Polymerasen des Pilzes selbst sind nicht betroffen, im Gegensatz zu denjenigen der Tiere. Durch die Hemmung der mRNA-Synthese kann keine genetische Information mehr aus dem Zellkern in das Zellplasma gelangen, und die Proteinbiosynthese ist blockiert.
Die verschiedenen RNA-Polymerasen sind unterschiedlich empfindlich: Am stärksten betroffen ist die Polymerase II der Eukaryoten, welche für die mRNA-Synthese zuständig ist. Die Polymerase I, welche für die rRNA-Synthese zuständig ist, wird gar nicht und die Polymerase III, welche tRNA herstellt, nur schwach gehemmt. Durch die mannigfaltigen Funktionen der Proteine sind viele Stellen des Organismus betroffen:
- Enzyme werden nicht mehr gebildet, die von ihnen katalysierten Stoffwechselprozesse kommen zum Erliegen.
- Strukturproteine werden bei Alterung nicht mehr ersetzt.
- Hormone (sowohl Peptid- als auch die enzymatisch gebildeten Hormone) tragen nicht mehr zur Steuerung von Stoffwechselvorgängen bei.
- Membranrezeptoren, z. B. an Nervenzellen, werden nicht nachgebildet.
Die Effekte zeigen sich zunächst als Durchfall, welcher durch die Schädigung der Epithelzellen des Darmes ausgelöst wird. Der Tod tritt durch Leberversagen ein. Die Toxizität der Amanitine wird durch den enterohepatischen Kreislauf verstärkt. Durch diesen Kreislauf zirkuliert das Amanitin zwischen Leber, Gallenblase und Darm und verbleibt somit länger im Körper.
Gegenmittel
Ein Gegenmittel ist Silibinin.[5]
Geschichte
α-Amanitin wurde 1941, die anderen Amatoxine später von Heinrich Otto Wieland entdeckt.[6][7]
Literatur
- Römpp-CD 2006. Ihre persönliche Enzyklopädie. 60000 Stichwörter, 200000 Querverweise, 10000 Strukturformeln und Grafiken. Chemie mit Lacke und Druckfarben, Biotechnologie und Gentechnik, Lebensmittelchemie, Naturstoffe, Umwelt. Thieme, Stuttgart u. a. 2006, ISBN 3-13-143321-3 (Thieme Chemistry).
Einzelnachweise
- ↑ David G. Spoerke, Barry H. Rumack: Handbook of mushroom poisoning: diagnosis and treatment. CRC Press, 1994. ISBN 0849301947 S. 167ff
- ↑ a b UniProt P85421 (α-, γ-Amanitin)
- ↑ Heather E. Hallen (2007) "Gene family encoding the major toxins of lethal Amanita mushrooms" Proceedings of the National Academy of Sciences Vol. 104, no. 48
- ↑ Hong Luo (2009) "Processing of the Phalloidin Proprotein by Prolyl Oligopeptidases from the Mushroom Conocybe albipes" Journal of Biological Chemistry Vol. 284 No. 27
- ↑ Zilker Th; Kleber JJ; Haberl B (2000): AMATOXINSYNDROM
- ↑ Wieland T: The toxic peptides of Amanita phalloides. In: Fortschr Chem Org Naturst. 25, 1967, S. 214–50. PMID 4879549.
- ↑ Wieland T: Poisonous principles of mushrooms of the genus Amanita. Four-carbon amines acting on the central nervous system and cell-destroying cyclic peptides are produced. In: Science. 159, Nr. 818, März 1968, S. 946–52. PMID 4865716.
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