Stabilität (Schifffahrt)

Stabilität (Schifffahrt)

Der Begriff Stabilität bezeichnet im Schiffbau und der Nautik die Eigenschaft eines schwimmenden Körpers, beispielsweise eines Schiffes, eine aufrechte Schwimmlage beizubehalten oder sich als Reaktion auf ein krängendes Moment selbständig wieder aufzurichten.

Ein Schiff gilt im physikalischen Sinne als stabil, wenn eine positive Kraft aufgewendet werden muss, um das Schiff tiefer zu tauchen oder um es um seine Längs- oder Querachse zu drehen. Die Reaktionskräfte und Momente des Körpers wirken dem entgegen.

Inhaltsverzeichnis

Stabilität von Seeschiffen

Beeinflussende Faktoren

Die folgenden Faktoren bestimmen die individuelle Stabilität eines Schiffes:

  • Form und Größe des Schiffsrumpfs
  • Masse und Masseverteilung des Schiffskörpers
  • Ladungsgewicht und Ladungsverteilung (Trimmung)
  • Verhalten der Ladung (z. B. eventuelle Beweglichkeit von Schüttgut oder von Fahrgästen)
  • Dynamisches Verhalten des Schiffes z. B. bei Kursänderungen bei hoher Geschwindigkeit
  • Freie Oberflächen (Flüssige oder verbreite Ladung / Inhalte teilweise gefüllter Tanks)
  • Kranlasten

Weitere in Betracht zu ziehende Betriebsbedingungen sind:

Physikalische Grundlagen

Lage des Gewichtsschwerpunkt (G), Auftriebsschwerpunkt (B) und Metazentrum (M) bei aufrechtem, sowie gekrängtem Schiff

Die grundsätzlichen Parameter der Stabilität eines Schiffes sind der Gewichtsschwerpunkt und der Auftriebsschwerpunkt (auch Form- oder Verdrängungsschwerpunkt), sowie die sich aus ihnen ergebende Metazentrische Höhe. Im Gewichtsschwerpunkt kann man sich die gesamte nach unten wirkende Gewichtskraft des Schiffes auf einen Punkt konzentriert vorstellen. Bei einer Krängung des Schiffes behält der Gewichtsschwerpunkt seine Lage innerhalb des Schiffes bei, solange alle Massen im Schiff an ihrem Ort bleiben (Wenn zum Beispiel Ladung übergeht, ändert dies auch den Gewichtsschwerpunkt). Im Auftriebsschwerpunkt kann man sich die gesamte nach oben wirkende Gewichtskraft des verdrängten Wassers denken. Er ist gleich mit dem Gesamtgewicht des Schiffes und ändert seine Lage bei einer Krängung.

Bei aufrechter Schwimmlage des Schiffes liegen Gewichtsschwerpunkt und Auftriebsschwerpunkt senkrecht übereinander. Wird das Schiff durch einen äußeren Einfluss gekrängt, bleibt der Gewichtsschwerpunkt, auf das Schiff bezogen zwar an seinem Platz, wandert aber insgesamt gesehen zur Seite der Krängung aus. Der Auftriebsschwerpunkt wandert zur selben Seite aus, und zwar ins Zentrum des jetzt verdrängten Wassers. Wenn Gewichtsschwerpunkt und Auftriebsschwerpunkt jetzt nicht mehr senkrecht übereinanderstehen und der Gewichtsschwerpunkt unterhalb des Anfangsmetazentrums des Schiffes liegt, entsteht ein sogenannter „Aufrichtender Hebelarm“, der das Schiff bei Wegnahme des krängenden Einflusses in seine Ausgangslage zurückführt.

Ermittlung und Bewertung

Hebelarmkurve. GZ entspricht dem "Aufrichtenden Hebelarm"

Die maßgeblichen Kennwerte zur Bewertung der Stabilität eines Schiffes sind die die Metazentrische Anfangshöhe, der Stabilitätsumfang und die Fläche unter der Hebelarmkurve. Die Metazentrische Höhe ist eine Kenngröße für den aufrichtenden Hebelarm. Der Stabilitätsumfang bezeichnet die rechnerische Krängung des Schiffes in Winkelgraden bis zum Kenterpunkt und die Hebelarmkurve ist eine grafische Darstellung des jeweiligen "Aufrichtenden Hebelarms" über den vollen Krängungsbereich bis zum Kenterpunkt. Der Hebelarm wächst bei zunehmender Krängung erst leicht, dann stärker an und wird bei noch stärkerer Krängung wieder geringer, bis er schließlich den "Kenterpunkt" erreicht, wenn der Gewichtsschwerpunkt über den Auftriebsschwerpunkt hinauswandert. Mit der Fläche unter der Hebelarmkurve lässt sich nicht nur die Erfüllung der Mindeststabilität belegen, sondern auch eine ungewollt große Stabilität nachweisen.

Gesetzliche Bestimmungen

Maßgeblich für die Stabilität von Schiffen sind mehrere IMO-Resolutionen. Die bedeutendsten hiervon sind die Resolutionen A.749(18) und MSC.267(85) (2008 IS Code) für die Intaktstabilität von Seeschiffen oder entsprechend die SOLAS-Vorschrift für Passagierschiffe. Auch wenn die darin formulierten Forderungen nicht bindend sind, haben viele Flaggenstaaten und z. B. auch die EU die Vorschriften der IMO in ihre eigenen Stabilitätsvorschriften übernommen. Handelsschiffe unter deutscher Flagge müssen diesbezüglich allerdings auch die strengeren Vorschriften der See-Berufsgenossenschaft erfüllen.

Typische Anforderungen an die Stabilität sind zum Beispiel:

  • Mindestabstand von Gewichtsschwerpunkt und Metazentrische Höhe.
  • Fläche unter der Hebelarmkurve.
  • Winkel des Maximums der Hebelarmkurve.
  • aufrichtendes Moment bei definierter Last.

Der Nachweis der Stabilität erfolgt heute in der Regel mittels eines Bordcomputers der alle Ladungs- und Stabilitätskriterien vorausberechnet. Das den Ladefällen zugrunde liegende Leerschiffsgewicht wird experimentell in einem Krängungsversuch bestimmt. Die Rechnung wird bei einer vom Flaggenstaat autorisierten Klassifikationsgesellschaft geprüft und gilt dabei als anerkannt, wenn alle für das betreffende Schiff geltenden Stabilitätsvorschriften eingehalten werden. Die geprüften Stabilitätsunterlagen (schon von der Werft werden verschiedene sogenannte Standard-Ladefälle gerechnet), gehören mit zu den Borddokumenten.

Praktische Überlegungen

Das Rollverhalten von Schiffen mit einem großen "Aufrichtenden Hebelarm" nennt man "steif", das von Schiffen mit einem geringen "Aufrichtenden Hebelarm", bezeichnet man als "weich" und ein Schiff mit nur noch sehr geringem "Aufrichtenden Hebelarm" nennt man "rank".

Schiffstypen, wie Containerschiffe oder Fährschiffe haben, bedingt durch Beladung und Bauart, oft einen unerwünscht hohen Gewichtsschwerpunkt, was eine zu geringe Stabilität zur Folge hätte. Um eine genügende Stabilität zu gewährleisten, wird eine hohe Beladung an Deck daher mit großen Ballastwasserkapazitäten, hauptsächlich in Doppelbodentanks ausgeglichen. Die gegenteilige Situation findet sich beispielsweise bei Erzschiffen, welche in der Regel im beladenenen Zustand einen äußerst tiefgelegenen Gewichtsschwerpunkt besitzen. Ein Schiff mit unerwünscht hoher Stabilität hat eine sehr kurze Rollperiode mit kleinen Rollwinkeln, welche durch die hohen auftretenden Beschleunigungen ein Übergehen der Ladung begünstigen, Personenschäden begünstigen und die Schiffsverbände sehr stark belasten würde. Hier wird der Gewichtsschwerpunkt durch die Aufnahme von Ballastwasser in Hochtanks nach oben verlegt um dieses Verhalten zu verbessern.

Die Stabilitätsbewertung eines Schiffes bezieht sich nicht nur auf den reinen Schiffskörper allein sondern auch auf unterschiedliche und im Betrieb variierende Zustände. Das umfasst in der Hauptsache die Beladung des Schiffes, bei der beispielsweise auf die besonderen Vorschriften für Getreideladungen oder auf kleine Krängungswinkel bei Schwergutkollis an Deck Rücksicht genommen werden muss. Weiterhin müssen die Bedingungen, insbesondere durch Verbräuche von Bunker, Betriebsstoffen und Frischwasser, sowie durch die Veränderung der Ballastwassermengen von Beginn bis Ende der Reise vorausberechnet werden. Der Einfluss unterschiedlicher äußerer Betriebsbedingungen, etwa durch Winddruck, Seegang, Wasseraufnahme der Decksladung und Wasserstau an Deck, oder Vereisungen in kalten Regionen muss ebenfalls in die Betrachtungen eingehen. Nicht zuletzt muss auch auf innere Einflüsse, wie zum Beispiel auf das Legen von Hartruder bei voller Fahrt, oder auf die mögliche Situation, dass sich alle Passagiere auf eine Seite des Fahrgastschiffes begeben, Rücksicht genommen werden.

Durch Wind und Seegang können während einer Reise weitere sogenannte dynamische Stabilitätsbelastungen entstehen. In der Hauptsache handelt es sich hier um die Einflüsse von starken Windböen, dem Seeverhalten des Schiffes in Seegang und Dünung, sowie auftretenden Rollperiodenresonanzen. Da diese Phänomene aufgrund der zugrundeliegenden hochkomplexen Energiebilanzen nicht ohne weiteres in Formeln zu fassen sind, ist deren Beurteilung immer noch weitestgehend der nautischen Erfahrung der Schiffsführung überlassen. Aus all dem Vorgenannten ergibt sich, dass die Bewertung der Stabilität von Schiffen umso schwieriger ist, je komplexer es aufgebaut ist und je variabler die Betriebsbedingungen sind.

Schiffsstabilisatoren

Hauptartikel: Schiffsstabilisator

Bei größeren Schiffen, vor allem bei Passagierschiffen, werden häufig Add-on-Systeme eingesetzt, mit denen sich die Bewegung eines Schiffes an der Längsachse dämpfend beeinflussen, oder wie z.B. mit Flossenstabilisatoren, aktiv steuern lässt.

Sportboot-Bereich

Im Gegensatz zu Schiffen der Berufsschifffahrt und Marine sind Sportboote einfacher und überschaubarer aufgebaut. Häufig besteht das Sportboot im Wesentlichen aus einem offenen oder geschlossenen hohlen Rumpf und dem Mast samt Segel. Die Betrachtung der Stabilität kann sich daher für den praktischen Gebrauch auf die Betrachtung des mittleren Rumpfquerschnitts und eines als feststehend angenommenen Schwerpunktes und/oder eines zusätzlichen Stabilisierungsgewichtes beschränken. Die Darstellung hat sich mit Varianten und teilweise spezielleren Unterteilungen etwa in der folgenden Weise verbreitet:

Unter der Stabilität eines Schiffes versteht man seine Fähigkeit, eine Krängung durch Wind und Seegang auszugleichen und wieder in die aufrechte Lage zurückzukehren. Das Krängungsverhalten eines Segelbootes hängt wesentlich von der Rumpfform und Gewichtsverteilung des Bootes (inklusive der Besatzung) ab. Es gibt zwei Komponenten, durch die eine Krängung wieder ausgeglichen werden kann. Außer in wenigen Sonderfällen (rein formstabile Boote) setzt sich die Stabilität immer aus beiden aufrichtenden Komponenten zusammen: einerseits durch Gewichtsstabilität, bei der ein tief liegender Gewichtskiel das Boot wieder in die aufrechte Lage zwingt (Stehaufmännchen-Prinzip) und zusätzlich durch seine Formstabilität, bei der die Rumpfform des Bootes eine Rückkehr in die Ausgangslage begünstigt.

Gewichtsstabilität

Gewichtsstabilität

Bei überwiegend gewichtsstabilen Booten, meist Yachten, setzt der Kiel, der oft etwa 35–50 % zum Gesamtgewicht des Bootes beiträgt, der Krängung eine aufrichtende Kraft entgegen, die eine Kenterung nur unter sehr schweren Wind- und Seegangsbedingungen möglich macht.

Im nebenstehenden Bild sind der Gewichtsschwerpunkt G und der Formschwerpunkt A dargestellt, in denen man sich die wirkenden Gewichts- bzw. Auftriebskräfte vereinigt denken kann. Der Gewichtsschwerpunkt G ist der Schwerpunkt des Schiffes, der Formschwerpunkt A ist der (gedachte) Schwerpunkt der verdrängten Wassermasse. Bei zunehmender Krängung verringert sich einerseits der Winddruck am Segel, während andererseits gleichzeitig der Gewichtsschwerpunkt nach außen wandert und damit das aufrichtende Drehmoment erhöht.

Formstabilität

Formstabilität

Im Unterschied zu Kielyachten sind die meisten Jollen überwiegend formstabil. Das (meist ausklappbare) Schwert einer Jolle hat keinen nennenswerten aufrichtenden Effekt, setzt der Krängung aber einen Wasserwiderstand entgegen.

Im nebenstehenden Bild sind der Gewichtsschwerpunkt G und der Formschwerpunkt A dargestellt, in denen man sich die wirkenden Gewichts- bzw. Auftriebskräfte vereinigt denken kann. Der Gewichtsschwerpunkt G ist der Schwerpunkt des Schiffes, der Formschwerpunkt A ist der (gedachte) Schwerpunkt der verdrängten Wassermasse. Wie zu erkennen ist, nimmt mit zunehmender Krängung das aufrichtende Drehmoment durch das Auswandern des Formschwerpunktes A zunächst zu, bei weiterer Krängung jedoch, durch ein Zusammenwandern der Wirklinien der beiden Schwerpunkte, wieder ab. Eine leichte Krängung kann daher leicht durch Verlagerung des Crewgewichtes nach Luv und durch den nachlassenden Winddruck im Segel kompensiert werden, während eine zu starke Krängung zum Kentern des Bootes führt.

Katamarane haben aufgrund ihrer Breite eine hohe Formstabilität.

Es gibt sogar Beispiele für komplett formstabile Bootstypen mit negativer Anfangsstabilität. Diese besitzen im Ruhezustand keine aufrechte Schwimmlage.

Kenterwinkel

Hauptartikel: Kenterwinkel

Sowohl bei form- als auch bei gewichtsstabilen Booten gibt es einen bestimmten Krängungswinkel, den Kenterwinkel, bei dem das Gewicht des Kiels bzw. der Besatzung eine Verstärkung der Krängung bewirken, so dass das Boot kentert. Bei gewichtsstabilen Kielyachten liegt der Kenterwinkel meist zwischen 110° und 160°, bei Schwertjollen dagegen in der Regel unter 90°. Je nachdem, wie sich ein bestimmtes Boot bei verschiedenen Krängungswinkeln verhält, spricht man von hoher Anfangs- bzw. Endstabilität. Während bei Kielyachten die Kieloben-Lage schwer erreichbar ist und in der Regel durch Seegang schnell wieder beendet wird, kentern Jollen leicht durch und liegen mit dem Schwert nach oben stabil im Wasser.

Siehe auch

Weblinks


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