Anna von Palant

Anna von Palant

Johanna bzw. Anna von Palant zu Breitenbend[1] und Reuland oder Anna Pallantia (* um 1550, vermutlich auf Burg Reuland[2] in der Eifel im heutigen deutschsprachigen Teil Ostbelgiens; † Mitte November, begraben am 17. November 1599 in Köln), war eine deutsche Humanistin und neulateinische Dichterin, die am Niederrhein wirkte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Familie

Anna von Palant war vermutlich die Tochter von Johann (Jan) IV. von Palant zu Breitenbend († vor 1556),[3] Herrn zu Weisweiler, Wildenburg, Nothberg und Berghe (Laurenzberg), seit 1541 Amtmann von Eschweiler und Wilhelmstein, und (∞ 1532)[4] Maria von Vlodrop († vor 1563).[5] Ihr Bruder war Johann V. von Palant zu Wildenburg, Weisweiler, Laurenzberg und Bottendorf († zwischen 1564 und 1572), 1559 Jülicher Amtmann von Wilhelmstein und Eschweiler, seit 1556 verheiratet mit Anna von Gertzen genannt Sintzig (Sinzenich) († 1611).[6]

Die Schwester ihrer Mutter Maria,[7] Ursula von Vlodrop, war mit dem flämischen Humanisten und Dichter Karl von Utenhove (1536–1600) verheiratet[8], der als Protestant aus Flandern an den Niederrhein geflüchtet war. Utenhove unterrichtete Anna von Palant,[9] korrespondierte mit ihr und förderte die Publikation ihrer Gedichte. Utenhove, der selbst keine Kinder hatte, adoptierte seine früh verwaiste Nichte Anna von Palant und überlebte sie, allerdings nur um ein Jahr.

Wirken

Anna von Palant lebte in Elberfeld,[10] Neuss (1583)[11] und Köln; Arnoldus Buchelius (1565–1641) berichtet von einem Zusammentreffen mit ihr in der Domstadt.[12]

Wegen ihrer umfassenden Bildung und ihrer Klugheit wurde Anna von Palant von zeitgenössischen Dichtern wie Johannes Posthius (1537–1597), Heinrich Smetius (1535/37–1614) und Paul Melissus (1539–1602) verehrt. Mit 12 Jahren hat sie Posthius mit einem extemporierten Gedicht in einem Wettstreit besiegt.[13] Posthius und Melissus widmeten Anna von Palant Gedichte. In Anspielung auf den griechischen Beinamen der Athene wird Anna dabei oft „Παλλάς“ (Pallas) = „die Heldin“[14] genannt. Melissus berichtet, dass er Anna von Palant bei einem Besuch in Köln im Hause von Karl von Utenhove ein Lied von Pierre de Ronsard (1524–1585) vortragen gehört hat.[15]

Gelegentlich wird vermutet, bei „Anna Utenhovia“ (um 1550–nach 1595 [1641?]) – einer weiteren Nichte Utenhoves – und „Anna Pallantia“ handele es sich um dieselbe Person,[16] aber in einem Akrostichon an Jan Gruter (1560–1627) nennen sich beide Dichterinnen nebeneinander und auch in den „Parerga (Adoptivis)“ des Posthius[17] und dem „Symbolum“ des Jakob Monau (1546–1603) sind beide vertreten.

Erkrankung und Pesttod

Im Sommer 1599 erkrankten Anna von Palant und Utenhoves Frau, konnten aber von dem herzoglichen Leibarzt Wilhelm Fabry (1560–1634) zunächst „aus dem Rachen des Orcus gerettet werden.[18] Arnoldus Buchelius, der sich 1599 bis 1600 in Köln aufhielt, notierte in seinem Tagebuch am 18. November 1599, dass er vom tags zuvor erfolgten Begräbnis der Anna Palant gehört hatte, „einer gelehrten deutschen und in der Dichtkunst nicht unbekannten Frau“; sie habe den Kölner Syndikus Hackstein zum Erben eingesetzt und Klöstern Legate hinterlassen.[19] Bei der Schilderung des Inhalts der letztwilligen Verfügung verwechselt Buchelius die Protestantin[20] Anna von Palant mit einer anderen Kölner „Heldin“: Margaretha Held oder „Heltin“ († 1600),[21] Tochter des verstorbenen Reichsvizekanzlers Matthias von Held (um 1490–1563), hatte wenige Tage zuvor am 14. November 1599 ein entsprechendes Testament aufgesetzt, in dem sie den Stadtsyndikus Dr. Wilhelm Hackstein († 1623)[22] als Alleinerben einsetzte[23] und ihr Haus den als Katholikinnen aus Holland und Seeland vertriebenen „Armen Klarissen“ vermachte.[24]

Am 13. Dezember 1599 trug Buchelius nach: Im Haus „der Heldin Anna Palantia“, die kürzlich an der Pest gestorben sei, habe es einen Diebstahl durch Dienstmägde gegeben.[25]

Quellen

Werke

  • Iohanna Pallantias P. Melisso viro clariss.. In: Paul Melissus / Felix Fiedler: Schediasmata poetica. Item Fidleri Flumina, Frankfurt am Main: Georg Corvinius 1574, S. 153
  • Anna Palanda Iohan. Posthio S.. In: Johannes Posthius: Parergorum poeticorum, Band II nunc recens edita cum Adoptivis, Heidelberg: Hieronymus Commelin 1595, S. 204
  • Annae Palandae Rulandidos ad Ioann. Posthium Iatropoëtam Incomparabilem Adonii (ursprünglich für Johannes Posthius bestimmt, auf Jakob Monau umgedichtet)[28] In: Jakob Monau (Hrsg.): Symbolvm Iacobi Monawi ipse faciet variis variorvm avctorvm carminibusexpressvm et decoratvm. Cum nonnullis appendicibus, Görlitz: Johannes Rhamba 1595, S. 221
  • (zusammen mit Anna von Utenhove) Annae Pallantiae et Annae Vtenhoviae Acrostichis. In: Joseph Justus Scaliger / Markus Welser / Jan Gruter: Inscriptiones Antiqvae Totius orbis Romani, in corpus absolutißimum redactae, Bd. I, o. O. [Heidelberg:] Commelin o. J. [1602/03]
    • 2. Aufl. Inscriptionvm Romanorvm corpus absolutissimvm, o. O. [Heidelberg:] Commelin 1616
    • 2. = 3. Aufl. Inscriptiones Antiquae totius orbis Romani ... Nunc curis secundis ejusdem Gruteri et notis M. Gudii emendatae et tabulis aeneis a Boissardo confectis illustratae, denuo cura ... J. G. Graevii recensitae, Amsterdam: Franziscus Halma 1707, S. 13

Literatur

  • Lotte de Coene / Anuschka de Coster: Vrouwencatalogi onder de loep. Geleerde vrouwen in de Zuidelijke Nederlanden (1500–1800). In: Anuschka De Coster u. a.: Van Dhuoda tot Aletta. Het eeuwenoude spanningsveld tussen vrouwelijkheid en geleerdheid (Focus Gender 6), Gent: Academia Press 2008, S. 75–107, bes. S. 82f
  • Leonard Wilson Forster: Charles Utenhove and Germany (1971). In: Kleine Schriften zur deutschen Literatur im 17 Jahrhundert (Beihefte zum Daphnis 1), Amsterdam: Rodopi, 1977, S. 60–80, bes. S. 66f
  • Georg Christian Lehms: CX. Palantia. (Johanna). In: Teutschlands Galante Poetinnen. Anhang Ausländischer Dames, Frankfurt am Main: Samuel Tobias Hocker / Anton Heinscheidt 1715, S. 185–190
  • Jane Stevenson: Women Latin poets, Oxford: University Press 2005, bes. S. 240, 244f.

Einzelnachweise

  1. In dem vom Verfasser Karl von Utenhove zugeeigneten Exemplar von Paul Melissus: Schediasmata poetica (a. a. O.), S. 88 (Universitätsbibliothek Gent, Signatur BL 005471), ist handschriftlich „Palantiae“ in „Pallantiae“ verbessert und „Bredebentiae“ hinzugefügt.
  2. Arnoldus Buchelius notiert zwar 1587 in seinem Tagebuch (vgl. Hermann Keussen: Die drei Reisen des Utrechters Arnoldus Buchelius nach Deutschland, insbesondere sein Kölner Aufenthalt I. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das Alte Erzbistum Köln 84 (1907), S. 1–102, bes. S. 82): Köln „hat auch eine sehr gefeierte Dichterin, Anna Palantia, geboren“; die Selbstbezeichnung von 1595 der „Annae Palandae Rulandidos“ dürfte jedoch als Hinweis auf den Geburtsort stärkeres Gewicht haben.
  3. Vgl. Hauptstaatsarchiv Münster (A 450 Gesamtarchiv von Landsberg-Velen, 11747) u. a.
  4. Ehevertrag im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Reichskammergericht, Bestand 4290, Az. P 64/109); Testament vom 19. August 1532 im Historischen Archiv der Stadt Köln (Best. 110P, U 3/50).
  5. Gilles Dionysius Jacobus Schotel: Letter- en oudheidkundige avondstonden, Dordrecht: Blussé & Van Braam, 1841, S. 97, nennt fälschlich als Eltern: Dietrich (Dirk) I. von Pallant († um 1610), Herr zu Bredebent (Breidenbend), Jülicher Rat, Amtmann von Wassenberg und Boslar, Burggraf von Alpen, und (Johanna) Irmgard von Leerod (Leraedt) († 1580); deren Tochter Anna von Palant starb 1628.
  6. Vgl. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Reichskammergericht, Bestand 1894, Az. G 100/232; 1896, Az. G 102/234; 3726, Az. M 814/2280; 4296, Az. P 71/116; Harff-Dreiborn 608 u. a.) Ihre Söhne Johann VI. († 1591) und Werner von Palant († 1602) starben vor ihr. Anna von Palant, geb. von Gertzen (Gartzen), geriet 1572 in Konflikt mit Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg (1516–1592), weil sie die Reformation begünstigte.
  7. Vgl. L. W. Forster, a. a. O., S. 88f, s. auch Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (Reichskammergericht, Bestand 737, Az. B 2000/5980 u. a).
  8. Franciscus Modius: a.a.O., S. 50, bezeichnet Karl von Utenhove als einen „affinis“ (= Verschwägerten) von Anna von Palant.
  9. Brief von Johannes Posthius an Johannes Weidnerus vom 3. Oktober 1595; vgl. Klaus Karrer: Johannes Posthius (1537–1597). Verzeichnis der Briefe und Werke mit Regesten und Posthius-Biographie (Gratia 23), Wiesbaden: Harrassowitz 1993, S. 326.
  10. Vgl. J. Stevenson, a. a. O., S. 244.
  11. Vgl. z. B. Franciscus Modius: a.a.O., S. 49, 54.
  12. Auch Aernout van Buchel; Brief vom 16. September 1633; vgl. Pieta van Beek: The first female university student: Anna Maria van Schurman (1636), Utrecht: Publishing & Archiving Services 2010, S. 34. (Online-Ressource, abgerufen am 7. Mai 2011. Buchelius war vom 5. Juni bis 24. September 1587, im Mai 1588, vom 17. Juli bis zum 23. September 1591 und vom 25. August 1599 bis zum 18. Januar 1600 in Köln; vgl. Hermann Keussen: a. a. O., S. 1–6. Buchelius’ Großvater Edmund Buchel war aus der Nähe von Köln nach Holland übersiedelt; vgl. Buchelius bei Keussen: a. a. O., S. 26, 75.)
  13. Vgl. Elisabeth Gössmann: Eva, Gottes Meisterwerk (Archiv für philosophie- und theologiegeschichtliche Frauenforschung 2), München: Iudicium 1985, S. 119; J. Posthius: Parergorum poeticorum (a. a. O.), S. 133.
  14. Vgl. P. Schede: Schediasmatvm poeticorvm (a. a. O), Bd. III, S. 97, u. ö.; Tagebucheinträge von Buchelius (1587) bei Keussen: a. a. O., S. 82, und „vulgo dicebatur de Heldin“ (1599); bei Hermann Keussen: Die drei Reisen des Utrechters Arnoldus Buchelius nach Deutschland, insbesondere sein Kölner Aufenthalt II./III. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das Alte Erzbistum Köln 85 (1908), S. 43–114, bes. S. 101.
  15. Vgl. Pierre de Nolhac (1859–1936): Ronsard et l'humaniste Melissus. In: Revue Musicale 2 (1921), S. 24–26. Die Angabe von J. Stevenson: a. a. O., S. 245, Melissus habe Anna von Palant 1569 in Paris im Hause von Henri Estienne (1531–1598) getroffen hat, wo sie von Orlando di Lasso (1532–1594) sang und sich dabei selbst auf der Laute begleitete, ist nicht zutreffend. In dem Brief an Hieronimus Baumgarten (1537–1602) vom 29. Juni 1590; spricht Melissus von einem Besuch im Mai 1569 in Genf und einer nicht genannten vornehmen Französin, vielleicht ist eine der Morel-Töchter gemeint; vgl. Ernst Weber: Virorum clarorum saeculi XVI et XVII Epistolae selectae, Leipzig: Benedictus Gotthelf Teubner 1894, S. 29.
  16. Vgl. dazu Lotte de Coene / Anuschka de Coster: a. a. O., S. 83f.
  17. J. Posthius, a. a. O., Band II, S. 204 (Anna Palanda) bzw. 339f (Anna Vtenhouia).
  18. Vgl. Brief Utenhoves vom 18. September 1599. In: Guilhelmus Fabricius Hildanus: Observationum et Curationum Chirurgicarum Centuria Quarta (Bd. IV). Accessit Eivsdem Avthoris Epistolarvm ad amicos, eorundemque ad ipsum, Oppenheim: Johann Theodor de Bry 1619, S. 276: „quippe qui Flodropiam & filiolam adoptivam Annam ab orci faucibus, Carolíque familiam Utenhovi integram, hac eruere non gravatus aestate es, Deo juvante“ (= „der du ja im diesem Sommer keine Mühe gescheut hast, die Vlodrop und das Adoptivtöchterchen Anna und eine unversehrte Familie des Karl Utenhove - mit Gottes Hilfe - aus den Schlunden des Orcus hervorzuholen“).
  19. „Audio heri sepultam Annam Palantiam, mulierem Germanam doctam et poesios non ignaram, cuius versus ad Johannem Posthium scripti extant typis excusi; vulgo dicebatur de Heldin. Relliquit heredem Hacsteinium, syndicum Coloniensem, et quaedam monasteriis legavit“; Hermann Keussen: a. a. O.
  20. Vgl. Brief von Posthius an Weidnerus vom 3. Oktober 1595 bei K. Karrer: a. a. O.
  21. Keussen: a. a. O. versteht die Bezeichnung Anna von Palants als „die Heldin“ (= „Pallas“) fälschlich als Familienname „Held“ und hält Margaretha Held für die Tochter von Anna von Palant. Die Mutter von Margaretha Held war jedoch Magdalena Brandis; vgl. Historisches Archiv der Stadt Köln (Reichskammergericht Bestand 310H, A 47 u. a.).
  22. 1571 Baccalaureat in Köln, 1573 immatrikuliert in Padua, 1578 Dr. jur. utr. in Köln, Kölner Syndikus seit 1585, 1608 bis 1622 Bürgermeister.
  23. Vgl. Historisches Archiv der Stadt Köln (Bestand 223 Jesuiten; A 439, A 896, A 897 und U 2/445).
  24. Vgl. Leonard Ennen: Der Reichsvicekanzler Dr. Matthias Held. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das Alte Erzbistum Köln 25 (1873), S. 131–172, bes. 150f.
  25. Keussen, a. a. O., S. 109: „Cum furtum fuisset factum in aedibus Heroinae Annae Palantiae nuper peste demortuae idque ab ancillis …“.
  26. Vgl. J. Stevenson, a. a. O., S. 565.
  27. Aus Brügge (1536–1597), Jurist und Philologe.
  28. Vgl. K. Karrer a. a. O., S. 545.

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