- Anton Kiesselbach
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Anton Kiesselbach (* 13. Juni 1907 in Kempenich; † 27. Juli 1984 in Düsseldorf) war ein deutscher Anatom und Hochschullehrer.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Kiesselbach studierte nach dem Abschluss seiner Schullaufbahn im Hauptfach Zoologie und promovierte 1934 an der Universität Köln mit der Dissertation Untersuchungen über den Descensus testiculorum bei Didelphis zum Dr. phil. In der zweiten Hälfte des Jahres 1934 untersuchte Kiesselbach am Deutsch-Italienischen Institut für Meeresbiologie Rovigno d’Istria im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft Wimpertierchen aus der Adria. Danach war Kiesselbach am Zoologischen Institut der Universität Köln und ab 1935 am Institut für Entwicklungsmechanik der Universität Greifswald als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Seine Habilitation erfolgte mit der Schrift „Das Verhalten einiger mariner hypotricher Ciliaten bei normalen und veränderten Umweltbedingungen unter besonderer Berücksichtigung der Großkernverhältnisse“, die 1939 in Greifswald veröffentlicht wurde. Zu dieser Zeit war Kiesselbach wissenschaftlicher Mitarbeiter von August Hirt, dem er im April 1939 an das Anatomische Institut der Universität Frankfurt folgte.[1]
Während des Zweiten Weltkrieges wurde Kiesselbach, Mitglied der NSDAP und SA, 1941 zur Wehrmacht eingezogen. Als Truppenarzt war er zunächst in einem Lazarett in Oberhof tätig. Diese Tätigkeit setzte er ab 1942 auch halbtags in Lingolsheim fort und war mit einer halben Stelle als Lehrbeauftragter an der Reichsuniversität Straßburg unter Hirt für die anatomischen Einführungsveranstaltungen der Erstsemester verantwortlich. Kiesselbach gab später an, an Hirts Menschenexperimenten mit Lost im KZ Natzweiler-Struthof nicht teilgenommen zu haben.[1] Ernst Klee führt jedoch an, dass es während der Lostversuche im Vorfeld der Menschenexperimente bei Hirt und dessen weiteren Assistenten Karl Wimmer zu Lostschäden gekommen ist. Auch Kiesselbach soll nach mehreren Aktenvermerken von Wolfram Sievers, Geschäftsführer der SS-Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe, aufgrund der Lostversuche Nierenblutungen erlitten haben.[2] Kiesselbach sezierte die linken Hoden von 30 Häftlingen aus dem KZ Natzweiler, die diesen zuvor entfernt worden waren. Kiesselbach konnte so seine Forschungen zur „gestoppten Spermatogenese“ fortführen und stellte fest, dass die Spermienbildung bei Todesangst versagte.[3] Nach der Einnahme Straßburgs durch die US-Armee Ende November 1944 wurden Kiesselbach und Wimmer zur Wehrmacht eingezogen.[4]
Zum Kriegsende geriet Kiesselbach in amerikanische Internierung und versorgte bis zu seiner Entlassung im Mai 1947 als Arzt Kriegsgefangene in Augsburg. Anschließend war Kiesselbach am Anatomischen Institut der Universität München an deren Außenstelle Regensburg tätig. Von dort wechselte er 1953 als Lehrbeauftragter für vergleichende Anatomie an die Philosophisch-theologische Hochschule Regensburg, wo er 1955 zum ordentlichen Professor für Biologie berufen wurde. Noch im selben Jahr wurde er als planmäßiger Extraordinarius für Topographische Anatomie an die Medizinische Akademie Düsseldorf berufen und leitete das dortige Anatomische Institut. Ab 1962 war er an der Medizinischen Akademie Düsseldorf ordentlicher Professor und dort im Amtsjahr 1963/1964 Rektor.[1] In Düsseldorf soll Kiesselbach während seiner Vorlesungen in Anlehnung an seine früheren Tätigkeiten auch darauf hingewiesen haben, dass die Spermienbildung „bei Todesangst“ sistiere.[5]
Wegen seiner Assistenzzeit bei Hirt, der an jüdischen Häftlingen Menschenversuche unternommen hatte und eine Skelettsammlung aufgebaut hatte, wurde gegen Kiesselbach vor dem Landgericht Düsseldorf 1963 ein Verfahren eröffnet und mangels Beweisen 1965 eingestellt.[6]
„An den von Prof. Hirt durchgeführten Lost-Versuchen habe ich nicht mitgewirkt, und zwar auch nicht an den Tierversuchen.“
– Aussage Anton Kiesselbach am 23. Juni 1965[7]
In der Auseinandersetzung um die Umbenennung der Universität Düsseldorf in Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf war Kiesselbach Gegner der Umbenennung und äußerte sich in einem Interview Anfang 1969 folgendermaßen gegenüber dem Befürworter der Umbenennung Manfred Windfuhr: „Es liegt im öffentlichen Interesse, die Frage der Benennung frei zu diskutieren. Ich verfolge die Entwicklung der Philosophischen Fakultät mit großem Unbehagen umso mehr, als zum Beispiel ein Professor, der noch nicht zu unserem Lehrkörper gehört und hier noch keine Vorlesung gehalten hat, taktlos und dreist durch eine demokratische Vergewaltigung einen Namen für die Universität erzwingen will“.[8]
Kiesselbach gehörte dem Kuratorium bei den Nobelpreisträgertagungen in Lindau an. Er war Träger der Médaille de Vermeil de la Société, Sciences, Lettres, Paris sowie bei der Gemeinnützigen Vereinigung der Präparatoren und Dermoplastiker Deutschlands Ehrenmitglied.[9] Der Oberbürgermeister von Regensburg verlieh ihm 1979 die Reichssaalmedaille.[1]
Literatur
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1984. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 3-596-16048-0.
- Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer. 3. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-596-14906-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main 1997, S. 374ff.
- ↑ Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main 1997, S. 362
- ↑ Fritz Bauer Institut (Hrsg.): „Beseitigung des jüdischen Einflusses …“ Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus. Frankfurt a.M. / New York 1999, S. 127, ISBN 3-593-36098-5.
- ↑ Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main 1997, S. 384
- ↑ Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main 1997, S. 376f.
- ↑ Der Archivar, Jg. 58, 2005, Heft 3, S. 225
- ↑ Zitiert bei: Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer., Frankfurt am Main 1997, S. 375.
- ↑ Thomas Gutmann: Heine nach 1945, In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 3/2006 sowie Abdruck in den Düsseldorfer Nachrichten vom 25. Januar 1969
- ↑ Dietmar Goltschnigg, Charlotte Grollegg-Edler u. Peter Revers: Harry … Heinrich … Henri … Heine – Deutscher, Jude, Europäer, Verlag Erich Schmidt, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-09840-8, S. 403
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