Camp King

Camp King

Das Camp King war ein Militärstützpunkt der United States Army in Oberursel (Taunus). Heute befindet sich auf dem 15 Hektar großen Areal ein Wohngebiet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ende der 1930er Jahre entstand auf dem nördlichen Teil des Geländes der so genannte Reichssiedlungshof. Einige Gebäude wurden 1938 im Rahmen der 1. Deutschen Bau- und Siedlungsausstellung in Frankfurt am Main errichtet und anschließend in Oberursel wieder aufgebaut. Die 21 Wohn- und Wirtschaftsgebäude dienten der Universität Frankfurt als Reichssiedlungsschule. Die heute noch vollständig erhaltenen Gebäude stehen mittlerweile unter Denkmalschutz.

Ab 1939 wurde das Gelände von der deutschen Luftwaffe als Durchgangslager für Kriegsgefangene und insbesondere zur Vernehmung britischer und amerikanischer Piloten genutzt. Insgesamt wurden im Dulag Luft, wie das Gelände damals genannt wurde, etwa 40.000 Verhöre durchgeführt. In dieser Zeit entstanden auf dem südlichen Teil des Geländes zahlreiche Baracken.

Nach dem Kriegsende 1945 wurde das Areal zunächst als Kriegsgefangenenlager und Interrogation Center (Verhörzentrum) für hochrangige Nationalsozialisten, Geheimdienstleute und Militärs wie General Gehlen, Schacht, Reitsch, Speer, Streicher, Feldmarschall Kesselring und Admiral Dönitz genutzt.[1][2] Robert Kempner führte hier Vernehmungen von zahlreichen prominenten Nazis durch, deren Ergebnisse er später als Ankläger bei den Nürnberger Prozessen nutzte. Neben Kempner verbrachte auch Eugen Kogon, der bis 1945 im KZ Buchenwald inhaftiert war, einige Zeit in dem Lager. Er betätigte sich als Chronist der US-Armee und begann hier auch sein Buch Der SS-Staat. Prominente Häftlinge wurden in der Villa des beschlagnahmten Frankfurter Lehrerinnenheims (Militärbezeichnung "Haus Alaska") gegenüber dem Camp King einquartiert. Zu ihnen gehörten auch Fritz Thyssen, bei den Nationalsozialisten in Ungnade gefallener Großindustrieller und Finanzier der NSDAP, General Adolf Heusinger, später erster Generalinspekteur der Bundeswehr, Oberst Bogislaw von Bonin, Befreier von Geiselhäftlingen aus den Händen der SS in Südtirol, und Generalleutnant Gerd von Schwerin, zuletzt Kommandeur einer Panzerdivision im Westen. In langen Gesprächen und schriftlich konzipierten sie bereits die Grundlagen für eine westliche Streitmacht mit deutscher Beteiligung zur Abwehr denkbarer Angriffe aus dem sowjetischen Machtbereich.[3]

Um Erkenntnisse über die Organisationsstrukturen der Nazis sowie über die Sowjetunion zu gewinnen wurden ca. 200 inhaftierte ehemalige Mitarbeiter der Schutzstaffel, des Sicherheitsdienstes und der Reichsabwehr beauftragt, schriftliche Aufzeichnungen anzufertigen. Zu diesem Zweck wurden die Autoren in vielen Fällen stillschweigend freigelassen und auf die Gehaltsliste des britischen oder amerikanischen Geheimdienst gesetzt.[1]

1946 wurde das Lager nach dem bei der Invasion der Alliierten in Frankreich gefallenen Colonel Charles B. King benannt, geleitet zunächst durch Colonel William R Philp, später durch Colonel Roy M. Thoroughman. Im gleichen Jahr begann die Nutzung durch den US-amerikanischen Geheimdienst Office of Strategic Services (OSS). Unter seiner Obhut war hier auch die Organisation Gehlen, ein Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes, tätig. In den 1950er Jahren sind im Camp King von deren Nachfolgebehörde CIA auch Menschenversuche zur Gehirnwäsche durchgeführt worden. Unter dem Decknamen Artischocke wurden im nahegelegenen Haus Waldhof in Kronberg im Taunus sowjetische Agenten in geheimen Experimenten mittels Drogen, Hypnose und Folter zur Preisgabe von Informationen gezwungen.

Während der Nutzung durch OSS, CIA und US-Army entstand auf dem Gelände eine weitgehend autonome Siedlung für etwa 500 Menschen, inklusive Einkaufszentrum, Kino, Sporthalle und Kapelle.

Abzug 1993 und Aktuelles

1993 verließ das amerikanische Militär das Camp King und das Gelände fiel in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Im Mai 1998 wurde das Areal von der Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH Oberursel (Taunus) erworben, um dort ein Wohngebiet für etwa 1.200 Menschen zu entwickeln. Im Jahr 2006 wurde das Wohngebiet komplett fertiggestellt.

Literatur

Manfred Kopp: "Im Labyrinth der Schuld. US Army Interrogation Center in Oberursel, 1945-1952", in: "Jahrbuch Hochtaunuskreis 2010". Herausgeber Hochtaunuskreis - Der Kreisausschuss. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2009, S. 232–244, ISBN 978-3-7973-1165-8

Weblinks

Quellen

  1. a b Christopher Simpson: Blowback - The first full account of America's recruitment of nazis, and its disastrous effect on our domestic and foreign policy. Collier Books, New York 1989, ISBN 0-02-044995-X, S. 72.
  2. Hermann Göring war entgegen manchen Annahmen nicht in Oberursel interniert. Siehe Manfred Kopp: "Im Labyrinth der Schuld. US Army Interrogation Center in Oberursel, 1945-1952", in: "Jahrbuch Hochtaunuskreis 2010". Herausgeber Hochtaunuskreis - Der Kreisausschuss. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2009, S. 240.
  3. Manfred Kopp: "Im Labyrinth der Schuld. US Army Interrogation Center in Oberursel, 1945-1952", in: "Jahrbuch Hochtaunuskreis 2010". Herausgeber Hochtaunuskreis - Der Kreisausschuss. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2009, S. 239.
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