- Dietrich Staritz
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Dietrich Staritz (* 11. Juli 1934 in Berlin) ist ein deutscher Politologe. Er war Professor an der Freien Universität Berlin und an der Universität Mannheim. In Mannheim war er geschäftsführender Leiter im Arbeitsbereich DDR-Geschichte von Hermann Weber. Von 1961 bis 1972 arbeitete Staritz unter dem Decknamen „Erich“ als Agent des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Staritz studierte ab 1956 an der Humboldt-Universität in Ostberlin und ab 1958 Politologie an der Freien Universität in Westberlin. Nach einer führenden Tätigkeit im Berliner Sozialistischen Deutschen Studentenbund wurde er 1968 Redakteur beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel. 1972 setzte er seine wissenschaftliche Karriere als DDR-Forscher fort. Er wurde zunächst Professor an der FU Berlin und wechselte dann an die Universität Mannheim. Seine zuerst 1985 in der edition suhrkamp erschienene Geschichte der DDR (erweiterte Neuauflage 1996) galt als Standardwerk der zeitgeschichtlichen DDR-Forschung. Weitere Bücher erschienen im Deutschen Taschenbuchverlag sowie in den Berliner Verlagen Wagenbach und Metropol.
Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR
Staritz war in seiner Ost-Berliner Studienzeit Kandidat der SED, überwarf sich jedoch mit der Partei und flüchtete 1958 in den Westen. Sein Bruder war Regimekritiker und hatte in dieser Zeit eine achtjährige Zuchthausstrafe angetreten. Dietrich Staritz setzte seine politischen Hoffnungen auf das blockfreie Jugoslawien, eine Reise dorthin enttäuschte ihn jedoch. Auf welche Weise er vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR als Mitarbeiter angeworben wurde, ist unklar. Hermann Weber geht davon aus, dass Staritz zunächst von dessen Freund Walter Barthel für das MfS ausspioniert und danach von diesem selbst angeworben wurde. Die Chronologie der Ereignisse lässt diese Annahme jedoch als wenig plausibel erscheinen. Vier Wochen nach dem Mauerbau im September 1961 jedenfalls sei Staritz, so berichtet der Anwerbevermerk des MfS, klar geworden, „daß dem Sozialismus die Perspektive gehört“. Das MfS machte ihm zudem Hoffnung auf eine Verkürzung der Haft seines Bruders; tatsächlich wurde dieser später nach viereinhalb Jahren im Gefängnis entlassen. 1964 wurde Staritz Mitglied der SED. Im selben Jahr verlieh ihm Erich Mielke die Medaille der Nationalen Volksarmee für treue Dienste. Fünf Jahre später, 1969, erhielt er die NVA-Verdienstmedaille in Bronze.
Von 1961 bis 1972 traf sich Staritz regelmäßig mit Mitarbeitern des MfS in Ost-Berlin. Er berichtete, was er von Politikern und Kollegen im Westen erfahren hatte. So übermittelte er Informationen, die er von Karlheinz Vater erhalten hatte, der von 1966 bis 1973 Leiter des Berliner SPIEGEL-Büros war. Vater hatte Zugang zum Bonner Ost-Unterhändler Egon Bahr und zu Dietrich Spangenberg, dem Staatssekretär des Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der zuvor Berliner Senator gewesen war. Zu den wichtigsten Informanten Staritz' gehörte der SED-Funktionär Hermann von Berg, in den sechziger und siebziger Jahren enger Mitarbeiter des DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph. Allgemein sollte Staritz die Westmedien zu freundlicherer Berichterstattung über die DDR animieren. Zumindest ein so genannter Westspion wurde durch seine Hinweise enttarnt: Nach einem MfS-Vermerk vom 14. Dezember 1970 wurde durch eine „Erich“-Information „ein konkreter Hinweis über Spionagetätigkeit eines DDR-Bürgers ersichtlich“. In einem weiteren Fall erhielt Staritz von einem Bekannten Informationen zu einer Analyse aus dem „Restapparat des SPD-Ostbüros über die wirtschaftliche Situation der Datenverarbeitung in der DDR“.
1972 beendete Staritz seine Tätigkeit für das MfS. Er wies darauf hin, dass er ein „Amateur“ sei und kein „Profi“ im Milieu. Am 16. Januar 1973 – so berichtete Der Spiegel 1994 – fuhr IM „Erich“ mit einem Stasi-Hauptmann durch Ost-Berlin. Man einigte sich auf die Trennung in gegenseitigem Einvernehmen. In der Nähe des Alexanderplatzes öffnete IM „Erich“, wie der Hauptmann später notierte, „mit der Bemerkung: ‚Mach's beim nächsten besser‘“ die Autotür und verließ „ohne Gruß das Fahrzeug“.
Danach hielt ein Bericht des MfS fest, dass sich Staritz' Tätigkeit als „sog. Ostexperte“ „gegen die DDR“ gerichtet habe. Ein MfS-Generalmajor entwickelte einen Drei-Stufen-Plan zur Entlarvung von Staritz' „möglicher Feindtätigkeit“, zum Abbruch seiner BfV-Kontakte, zur Verhinderung der von Staritz gewünschten Tätigkeit als Spiegel-Korrespondent in Moskau und letztlich zum „schrittweisen Abbruch der Zusammenarbeit mit dem IM ‚Erich‘“. Von der (bundes-) deutschen Justiz hatte Staritz nach 1989 nichts zu befürchten: Seine Spitzeltätigkeit war verjährt. Ob er während seiner Tätigkeit für das MfS Kontakte zum Bundesamt für Verfassungsschutz unterhalten hatte und ein Doppelagent gewesen war, ist unklar.
Werke
- Geschichte der DDR. Erweiterte Neuausgabe, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3518112600.
- Was war. Historische Studien zu Geschichte und Politik der DDR. Metropol, Berlin 1994, ISBN 3-926893-04-4.
Literatur
- Hubertus Knabe: Die unterwanderte Republik. Stasi im Westen. Propyläen, Berlin 1999, ISBN 3-549-05589-7, S. 197 ff.
- Hermann Weber, Gerda Weber: Leben nach dem „Prinzip links“. Links, Berlin 2006, ISBN 3-86153-405-3.
- Berichte von Erich. In: Der Spiegel. Nr. 38, 1994 (19. September 1994, online).
Weblinks
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