- EUCUSA-Methode
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Die EUCUSA-Methode ist ein Weg zur Durchführung von Mitarbeiter- und Kundenbefragung, der durch seinen systemischen Ansatz, fortgeschrittene Analysetechniken und andere methodische und inhaltliche Eigenheiten charakterisiert ist.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Das Acronym EUCUSA steht für European Customer Satisfaction Association und wurde im Jahre 1997 als Verein gegründet, um die Durchführung von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen auf der Basis soliderer wissenschaftlicher Grundlagen zu fördern.[1] Inhaltlich war hierfür das bereits 1996 entwickelte Modell auf Basis der Arbeiten von Kai Mertins der Fraunhofer-Gesellschaft in Berlin und seiner Forschungen über Qualitätsorientierung maßgeblich.[2] Ein weiterer wichtiger Bezugspunkt für den EUCUSA-Ansatz waren die Vorarbeiten von Ingwer Borg, dessen Expertise in mathematischer Psychologie (University of Michigan) und Facettenanalyse (Universität München) sowie starker Praxisbezug im Zusammenhang mit Mitarbeiterbefragungen die Basis für ein Modell wurden, das dem Anspruch gerecht werden sollte, sowohl praktikabel als auch wissenschaftlich fundiert zu sein.[3]
Prinzipien
Ein typisches Problem für das methodische Design für (Mitarbeiter-)Befragungen ist die Notwendigkeit für ein solides, substanzgebendes und normatives Fundament in der Theorie einerseits, und eine marktrelevante, in zahlreichen konkreten Anwendungsfällen nützliche, praxisorientierte Vorgehensweise andererseits. Die EUCUSA-Methode wurde vor allem deshalb entwickelt, um diesem Zielkonflikt gerecht zu werden.
Systemischer Ansatz
Die EUCUSA-Methode stellt
- den eigentlichen Prozess der Mitarbeiterbefragung,
- die Indexbildung rund um Aspekte und Dimensionen sowie
- die Einordnung und Handlungsempfehlung der Befragungsergebnisse
in den Vordergrund. Hierzu ist zu beachten, dass andererseits für den jeweiligen Unternehmenskontext, der sowohl die Konzeption als auch die Interpretation einer Befragung bestimmt, das betroffene Unternehmen zumeist über die entscheidenden Kompetenzen und die spezifische Expertise verfügt.
Grundsteine der Methode sind die Gliederung der Fragen in sogenannte Dimensionen und Aspekte. Dimensionen bezeichnen in diesem Kontext größere Themenfelder oder „Überschriften“. Traditionellerweise sind dies Arbeitsbedingungen, Ziele, Entwicklung, Entlohnung, Kollegen, direkte und höhere Vorgesetzte, Kommunikation und Unternehmen. In der EUCUSA-Methode werden diese je nach Bedarf um andere Standardthemen oder neuere psychologische Themen erweitert: Unternehmenskultur, Produktivität, Qualität, Veränderungsmanagement, Kundenorientierung, Reorganisation; aber auch Empowerment, Arbeitsplatzsicherheit, Stress und Burnout, Organisationsbürger-Verhalten, Selbstwertgefühl der Organisation, Gerechtigkeit, Psychologischer Kontrakt, Vertrauen sowie Arbeit und Familie (Work-Life-Balance). Aspekte hingegen beziehen sich auf die einzelnen Fragestellungen, deren genaue Formulierung ebenfalls mit sprachlichen, kulturellen, landesspezifischen, sozialen und anderen Kriterien abgestimmt werden muss. Die Kunst die richtigen Aspekte auszuwählen besteht darin, dass durch diese Anpassungen die höchste Validität für das Unternehmen erreicht wird, während gleichzeitig die Vergleichbarkeit mit anderen oder vergangenen Ergebnissen erhalten bleibt.
Dies impliziert, dass Standard-Indices und vorgefertigte Fragebögen für eine aussagekräftige Befragung nicht geeignet sind. Sie greifen zu kurz, wenn es darum geht mit einem hohen Erklärungsgrad die jeweilige Befindlichkeit des Unternehmens zu messen, bzw. aus den Ergebnisse strategierelevante Empfehlungen zu generieren.
Definition von „Zufriedenheit“
Die Mitarbeiterzufriedenheit ist traditionell ein zentraler Bestandteil innerbetrieblicher Umfragen, jedoch wird diese oft ohne explizite oder valide Definition ermittelt. (Beispielsweise wird Zufriedenheit oft einfach mit Formulierungen wie „Sind Sie mit ... zufrieden?“ abgefragt). Im EUCUSA-Modell kommen hier die Thesen von Anton Meyer bzw. Frank Dornach zur Anwendung, nach denen die Zufriedenheit aus dem Vergleich von Erwartung und erlebter Realität entsteht.[4]
Zusätzlich zur Umsetzung der Erhebung des theoretischen Zufriedenheitskonstrukts in der Befragungspraxis können mittels einer Begleitung dieser betrieblichen Analysen durch volkswirtschaftliche Panels zur Jobzufriedenheit in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch Trends in der Entwicklung von weiteren Dimensionen wie Engagement, Loyalität, aber auch Burnout-Risiko und andere makroökonomisch relevante Aspekte abgeglichen werden.
Definition von „Engagement“
Bei der genauen Bestimmung der im Brennpunkt des betrieblichen Interesses stehenden Konstrukte wie jene des „Engagements“ hat EUCUSA im Laufe von mehreren hundert unabhängigen Befragungsprojekten einige entscheidende Grundsätze entwickelt.
Eine taugliche Definition für Engagement ist beispielsweise: „Engagement ist ein erstrebenswerter Zustand der Erfüllung, hervorgerufen durch Ausübung sinngebender Tätigkeit.“ Die Voraussetzungen für Engagement liegen einerseits in den Rahmenbedingungen, in denen Handlungen ausgeübt werden, andererseits in den persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten (Qualifikation, Sozialisation, Vitalität, etc.). Stimmen Anforderungen und persönliche Potenziale überein und wird auch ein Sinn in der Ausübung der Tätigkeit erkannt, ist Spitzenleistung das Ergebnis.
Es hat sich zunehmend herausgestellt, dass das von vielen zur Messung des „Engagementes“ herangezogene und von der Forschung über Burnout und betriebliche Gesundheit inspirierte Konzept von Schaufeli, Bakker und Demerouti vor allem wegen der für die Praxis weitgehend untauglichen Frageformulierungen, aber auch wegen der Konzentration auf die Einzelbefindlichkeit, dem Anspruch an die praktische Nutzbarkeit für Unternehmen nicht gerecht wurde.[5] Deshalb wurde für diesen Aspekt unter Wahrung der wissenschaftlichen Vorgangsweise sehr pragmatisch das „say-stay-strive“-Modell nach Pritchard[6][7] herangezogen. Engagement besteht demnach aus den Komponenten positive verbale Stellungnahmen (Befürwortung), dem Bemühen um das Unternehmen (Motivation) und der Intention beim Unternehmen zu bleiben (Loyalität).
Motivation
Ein weiterer offensichtlicher, aber auch aus der Befragungspraxis bestätigter Zusammenhang ist jener zwischen Zufriedenheit und Leistungsmotivation. Hier ist eine besonders nützliche methodische Vorgehensweise entstanden, die mittels der Verteilung der Ergebnisse in Extrem- und Durchschnittswerte („Extrema-Portfolio“) die Unterscheidung zwischen Faktoren der Motivation und sogenannten Hygienefaktoren nach Frederick Herzberg ermöglicht.[8] Das Verfahren erzielt mittels der Interpolation mit der dem Aspekt zugeschriebenen Wichtigkeit eine demoskopische Trendlinie, die Rückschlüsse auf die Rolle des Aspektes bei der Motivation zulassen.
Wenn also beispielsweise der Aspekt „Spaß am Job“ eine sinkende Trendlinie aufweist, also die besonders Unzufriedenen diesen Aspekt besonders wichtig nehmen, während die besonders Zufriedenen diesem Aspekt keine große Bedeutung beimessen, dann handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen solchen Hygienefaktor.[9]
Indizierung und Benchmarking
Die Methodik der Berechnung der jeweiligen Indikatoren erreicht vor allem dadurch eine hohe Validität, dass die Errechnung eines Indexes von beispielsweise Loyalität[10] nicht mittels einer a priori definierten taxativen Liste von Merkmalen, die diesen Index bestimmen, durchgeführt wird, sondern stattdessen eine auf die Unternehmensgegebenheiten angepasste Kombination von teilweise auch sehr spezifischen Aspekten zur Anwendung kommt, wobei durch ein bewährtes Gewichtungsverfahren ein zusätzlich verfeinertes Ergebnis erzielbar ist. Durch diese teilweise individualisierte Kalkulation kann ein hoher Grad an Relevanz erreicht werden, der in bei der strategischen Verwendung der Befragungsergebnisse in der Management-Praxis unabdingbar ist, ohne allerdings auf den validen Vergleich mit standardisierten Benchmarks verzichten zu müssen.[11]
- So beschreibt beispielsweise der Commitment-Index, wie sehr aus innerem Antrieb Höchstleistung in die Arbeit eingebracht wird.
- Durch den Leadership-Index wird beschrieben, wie sehr Führung optimale Rahmenbedingungen zur Potenzialentfaltung schafft.
- Mit dem Innovation-Index wird ausgedrückt, wie sehr das Betriebsklima das Erzeugen und Umsetzen von Ideen begünstigt.
- Der Loyalty-Index ist ein Mass für die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen.
- Mit dem Reputation-Index wird ausgedrückt, wie sehr es das Unternehmen schafft, Vertrauen und Glaubwürdigkeit auszustrahlen.
Passende Likert-Skala
Psychometrische Validierungen der Skalen wurden zwischen 2001 und 2006 von Claus C. Carbon, Universität Bamberg, vorgenommen.[12]
Bei Likert-Skalen zum Ankreuzen stellt sich immer die Frage, ob die Skala eine gerade oder eine ungerade Anzahl an Optionen haben sollte. Bei einer ungeraden Anzahl entsteht optisch und psychologisch eine „Mitte“, die basierend auf den Datenbeständen von EUCUSA vornehmlich dann angekreuzt wird, wenn die Frage bei dem Befragten auf geringeres Interesse stößt. Dies kann dadurch zustande kommen, dass (z. B. gegen Ende des Fragebogens) Ermüdungserscheinungen auftreten, oder es kommt zu einer nicht intendierten Vermischung mit der Dimension der Wichtigkeit der Frage im Gegensatz zur Zufriedenheit mit hinsichtlich des Themas der Frage. Bei einer geraden Zahl von Optionen hingegen ist der Befragte quasi genötigt eine, wenn auch nur in geringem Ausmaß, positive oder negative Position einzunehmen. Dies wiederum hat den Effekt einer differenzierteren Antwortbreite, wohl weil eine eingehendere Beschäftigung mit der Frage gleichsam erzwungen wird.
Neben der geraden oder ungeraden Anzahl der Optionen stellt sich noch die Frage der günstigsten absoluten Anzahl der Optionen. Durch die erwähnten Recherchen hat sich schließlich eine Skala mit sechs Antwortmöglichkeiten als die gültigste und verlässlichste erwiesen.
Kritik
Die individuelle Anpassung an die Gegebenheiten der untersuchten Unternehmen führt zwangsweise dazu, dass die Vergleichbarkeit über Unternehmensgrenzen hinweg vor allem hinsichtlich des Benchmarking ein Kritikpunkt sein kann. Die EUCUSA-Methode wägt die Kriterien Vergleichbarkeit und Relevanz für die betrieblichen Erfordernisse sorgfältig ab um trotz des hohen Grads an Individualisierung brauchbare Vergleichsdaten zu erhalten, bei denen bisher nicht nachgewiesen wurde, dass sie den herkömmlichen Benchmarking-Methoden unterlegen sind.
Weblinks
- Offizielle Webseite von EUCUSA
Quellennachweise
- ↑ H. Preyer: Mitarbeiter- und Kundenbefragungen in Österreich. Wien 1998.
- ↑ K. Mertins, R. Jochem: Qualitätsorientierte Gestaltung von Geschäftsprozessen. Beuth, Berlin 1997.
- ↑ I. Borg: Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung – Theorien, Tools und Praxiserfahrungen. 2. Aufl. Verlag für Angewandte Psychologie, Göttingen 2000.
- ↑ A. Meyer, F. Dornach: Kundenmonitor Deutschland – Qualität und Zufriedenheit, Jahrbuch der Kundenorientierung in Deutschland 2000. München 2000.
- ↑ W. B. Schaufeli, A. B. Bakker: Job demands, job resources and their relationship with burnout and engagement: A multi-sample study. In: Journal of Organizational Behavior. 25, 2004, S. 293-315.
- ↑ K. Pritchard: Employee engagement in the UK: meeting the challenge in the public sector. In: Development and Learning in Organizations. Vol. 22 Iss: 6, 2008, S. 15–17.
- ↑ G. Elsey: Building employee engagement at Sensis. In: Strategic HR Review. Vol. 4 Iss: 2, 2005.
- ↑ F. Herzberg, B. Mausner, Bloch Snyderman: The Motivation To Work. Transaction Publishers, 1993.
- ↑ M. Carbon, H. Preyer: E=m.k² - where dedication counts. EUCUSA Sachbuch, Wien 2005.
- ↑ Wie in: K. Matzler, B. Renzl: The Relationship between Interpersonal Trust, Employee Satisfaction, and Employee Loyalty. In: Total Quality Management & Business Excellence. Vol. 17, Iss. 10, 2006, S. 1261-1271.
- ↑ Siehe auch: K. Mertins, S. Kempf, G. Siebert (Hrsg.): Benchmarking-Praxis in deutschen Unternehmen. Springer-Verlag, Berlin 1995. Mertins war an der Entwicklung der Grundlagen des EUCUSA Modells maßgeblich beteiligt.
- ↑ Um die Methodik von Carbon zu illustrieren, siehe beispielsweise: C. Carbon, H. Leder: The Wall inside the brain: Overestimation of distances crossing the former Iron Curtain. In: Psychonomic Bulletin & Review. 2005, 12 (4), S. 746-750.
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