- Work-life-balance
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Der Begriff Work-Life-Balance steht für einen Zustand, in dem Arbeit und Privatleben miteinander in Einklang stehen. Die Begriffsbildung Work-Life-Balance stammt aus dem Englischen: Arbeit (work), Leben (life), Gleichgewicht (balance). Der Ausdruck wird auch verwendet für das Bestreben, einen solchen Gleichgewichtszustand zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Wodurch ein Gleichgewicht charakterisiert ist, bleibt bei der Verwendung dieses Begriffs vielfach offen. Ein Gleichgewicht kann beispielsweise als eine bestimmte Verteilung der eingesetzten Zeit, um eine subjektiv als ausgewogen angesehende Priorisierung der Lebensbereiche oder um ein subjektive Zufriedenheit mit beiden Bereichen interpretiert werden.
Der Ausdruck Work-Life-Balance steht weitgehend für denselben Themenbereich wie der Begriff der Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf; bei der Verwendung des englischsprachigen Ausdrucks Work-Life-Balance liegt aber oft eine Betonung auf der individuellen Entscheidung und der Selbstorganisation einerseits und dem Abgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen andererseits, weniger auf den gesellschaftlichen Bedingungen, die das Erreichen eines Gleichgewicht erleichtern oder erschweren.
In dem Bestreben nach Gleichgewicht sind individuelle Einstellungen und Zielsetzungen sowie betriebliche und gesellschaftliche Bedingungen von Bedeutung. Die Schaffung von Bedingungen, die auch Eltern und Sorgepflichtigen eine Erwerbsintegration ermöglichen, hat sich im Zusammenhang mit veränderten Geschlechterrollen und demografischer Entwicklung im 20. und 21. Jahrhundert besonders in Europa zu einem zentralen gesellschaftlichen und politischen Thema entwickelt. In den USA und in Großbritannien überwiegen die Begriffsbildungen work-family balance oder work-life balance, wohingegen im deutschsprachigen Raum die Bedingungen für die Erzielung eines Gleichgewichts, insbesondere die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen hierfür, meist unter den Begriff der Vereinbarkeit thematisiert werden.
Inhaltsverzeichnis
Work-Life-Balance als individuelle Zielsetzung
Die Thematik der Work-Life-Balance hat für die Einzelperson je nach Lebensalter und Lebenssituation andere Schwerpunkte, auch in Abhängigkeit von der individuellen Antwort auf den Sinn des Lebens und der eigenen Auffassung von Glück. Ein großer Teil der Erwerbstätigen möchte Zeit mit den eigenen Kindern verbringen oder hat sich die Aufgabe gestellt, pflegebedürftige Angehörige zu betreuen. Für andere Personen steht etwa der Ausgleich zum Beruf durch Freizeit und Sport im Vordergrund, der Einsatz im sozialen, kulturellen oder politischen Bereich oder die Möglichkeit für ein Sabbatical als längere berufliche Auszeit, die Gewährleistung von Phasen der Erholung, eine Arbeitszeitveringerung zu Ende des Berufslebens oder Zeit für die Pflege der Gesundheit.
Einige Personen halten im Hinblick auf eine größere zeitliche Freiheit für soziales und persönliches Engagement ihren Zeiteinsatz für die Erwerbsarbeit bewusst in Grenzen. Nach Art des Simple living Lebensstils kann eine Einschränkung des persönlichen Konsums eine größere Unabhängigkeit von der Erwerbsarbeit ermöglichen.
Zwischen der Babyboomer-Generation, der Generation X und der Generation Y wurden deutliche Unterschiede in der Einstellung zu Work-Life-Balance beobachtet. Vereinfachend ausgedrückt handele es sich für Babyboomer um einen Balance-Akt zwischen Beruf und Familie, für die Generation X seien abwechselnde Phasen von Erwerbstätigkeit und Phasen der Kindererziehung oder außerberuflicher Tätigkeiten typisch, und Angehörige der Generation Y legten weniger Wert auf eine strikte Trennung von Erwerbstätigkeit und Privatleben und zielten vor allem darauf, die eigene Zeit sinnvoll und nützlich einzusetzen.[1]
Ein Gleichgewicht zwischen den Lebensbereichen ist insofern ein dynamisches Gleichgewicht als dass sich die persönlichen Lebensumstände und äußeren Bedingungen stets wandeln können, andererseits ist auch Nachhaltigkeit für ein Gleichgewicht im Sinne einer Work-Life-Balance erforderlich: so wird insbesondere nicht von einer gelungenen Balance gesprochen, wenn eine Person dem Burn-out nahe ist.
Teils wird hervorgehoben, dass es bei Work-Life-Balance darum gehe, die Bedeutung der Arbeit in eine geeignete Perspektive zum Leben als Ganzes zu rücken.[2]
Auch für Personen, die nicht erwerbstätig sind, stellt sich gegebenenfalls die Frage der Work-Life-Balance, zumal durch die Arbeit in starkem Maße die Teilhabe an der Gesellschaft bestimmt. So stellt sich für Jugendliche das Erfordernis des Einstiegs in das Berufsleben bzw. der Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums; für andere nicht erwerbstätige Personen stellt sich, beispielsweise für oder nach einer Auszeit für die Familie oder aufgrund persönlicher Umstände, das Erfordernis des beruflichen Wiedereinstiegs bzw. der Rückkehr in den Beruf. Auch in diesem Zusammenhang wird die in vielen westlichen Industrienationen zunehmende Arbeitslosigkeit, insbesondere bezüglich der Jugendarbeitslosigkeit, sowie eine zunehmende Prekarisierung als gesellschaftlich problematisch angesehen.
Für Rentner, deren Rente ohne Nebenverdienst zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreicht, stellt sich zwar nicht die Frage einer Work-Life-Balance als Gleichgewicht bezüglich der Erwerbsarbeit, wenn aber Arbeit („work“) allgemeiner als Arbeit im Sinne einer zielgerichteten und sinnhaften Tätigkeit interpretiert wird, stellt sich sehr wohl die Frage des individuellen Einsatzes der eigenen Kräfte. Ein großer Anteil der Rentner engagiert sich in Freiwilligenarbeit oder in der Betreuung und Erziehung der Enkel. In Paaren mit sehr großem Altersunterschied kommt es vor, dass bei Geburt eines Kindes der Vater bereits pensioniert ist oder kurz vor der Pensionierung steht und sich daher stärker als andere Väter in der Kindererziehung engagiert. Umgekehrt kann es zutreffen, dass Erwerbstätige Zeit für die Erziehung der Enkel benötigen, falls eines ihrer Kinder sehr früh Mutter oder Vater wird.
Wechselwirkungen zwischen Lebensbereichen
- Hauptartikel: Wechselwirkungen zwischen Lebensbereichen
In einer Sichtweise, die auch als Segmentationsmodell bezeichnet wird, werden die verschiedenen Lebensbereiche als getrennte und voneinander weitgehend unabhängige Teile angesehen. Andere Modelle betrachten die positiven und negativen Wechselwirkungen zwischen den Lebensbereichen. Wenn beispielsweise am Arbeitsplatz und im Privatleben unterschiedliche Rollenerwartungen vorliegen und verschiedene soziale Rollen eingenommen werden, kann ein Inter-Rollenkonflikt entstehen oder Rollendistanz erforderlich sein. Andere Modelle stellen dar, dass Defizite in einem Bereich durch den anderen kompensiert werden können (Kompensationsmodell) oder Ressourcen von einem Lebensbereich abgezogen werden (Ressourcen-Abfluss-Modell). Wenn die Grenzen zwischen Erwerbstätigkeit und den weiteren Lebens verwischen, spricht man von Entgrenzung der Arbeit.
Work-Life-Balance Maßnahmen in Unternehmen
- Hauptartikel: Familienfreundlichkeit in Unternehmen und Institutionen und Betriebliche Gesundheitsförderung
Von Seiten des Betriebes stellt die Ermöglichung einer Work-Life-Balance und die Positionierung als familienfreundliche Organisation Vorteile in Bezug auf Anwerbung und Motivation der Mitarbeiter dar und dient zudem der Verringerung der Mitarbeiterfluktuation. In den letzten Jahren der Berufstätigkeit gerät die Erhaltung der Gesundheit, der Leistungsfähigkeit und der Motivation sowie die Vorbereitung der Pensionierung ins Augenmerk der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, die öffentliche Hand und beispielsweise die Krankenkassen haben gegebenenfalls bei Arbeitsunfähigkeit, verminderte Erwerbsfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit unter Anderem finanzielle Einbußen. Der Arbeitgeber hat zudem eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern: er hat für ihr Wohlergehen Sorge zu tragen. Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements konzentrieren sich auf den Arbeitsschutz, die Verringerung von Stress, gesundheitliche Prophylaxe, Suchtprävention und die Vermeidung von Burnout. Auch Angebote zur ausgewogenen Ernährung, etwa in betriebseigenen Kantinen, und betrieblich geförderte Sportangebote zur Vorbeugung von Bewegungsmangel sind Bestandteil betrieblicher Gesundheitsvorsorge.
Durch Modelle der Arbeitsorganisation wie Telearbeit und Arbeitszeitflexibilisierung können Wünsche der Mitarbeiter nach größerer Orts- und Zeitsouveränität realisiert werden. Zugleich sind gegenläufige Interessen der Arbeitgeber nach flexiblen, auftrags- und serviceorientierten Einsätzen ihrer Mitarbeiter zu berücksichtigen. Entsprechende Absprachen werden in den Arbeitsverträgen und kollektiven Verträgen festgelegt. Einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf dienen insbesondere betriebliche oder betriebsnah organisierte Angebote zur Kinderbetreuung, etwa Betriebskinderkrippen oder -kindergärten. Teilweise bieten größere Organisationen Hilfe bei der Vermittlung von Angeboten der Work-Life-Dienstleistungsbranche, beispielsweise auf Basis eines Vertrags zwischen Arbeitgeber und Vermittlungsagentur bezüglich der Kostenübernahme der Vermittlungsgebühr.
Arbeitsplatzsicherheit und Entgelt stellen ebenfalls bedeutende Faktoren der Work-Life-Balance dar, da die individuelle Lebensplanung und insbesondere die Familienplanung hiervon beeinflusst wird und zudem das subjektive Gefühl materieller Sicherheit einen Einfluss auf die Psyche nimmt. Entsprechende Kompromissmodelle werden im Konzept des Flexicurity aufgestellt.
Auch Offensiven zur Humanisierung der Arbeitswelt sollen einem besseren Gleichgewicht dienen, indem innerhalb der Arbeit mehr Raum für Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung geschaffen wird.
Work-Life-Balance nach Branche und Art der Tätigkeit
Es bestehen keine einheitlichen Methoden zur Messung der individuellen Work-Life-Balance. Untersuchungen zur Work-Life-Balance setzen daher jeweils eine eigene Art der Auswertung der Ergebnisse voraus.
Der Grad der Zufriedenheit mit der eigenen Work-Life Situation hängt von vielen Faktoren ab, so von der Arbeitsorganisation,[3] von Alter, Geschlecht, Art der beruflichen Tätigkeit und von der Branche.
Nach Empfehlungen der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound), basierend auf Ergebnissen der vierten Europäische Erhebung über Arbeitsbedingungen, die 2005 von Eurofound durchgeführt wurde, kann eine Förderung von Arbeitsorganisationsformen nach dem Prinzip des „selbstbestimmten Lernens“ („Discretionary Learning“), im Vergleich zur Organisationsform der „schlanken Fertigung“ und der tayloristischen Organisationsform zu besserer Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben führen.[3] Die Organisationsform des „selbstbestimmten Lernens“ sei (auf 2005 bezogen) beispielsweise in der Dienstleistungsbranche besonders ausgeprägt, sei vor allem bei Führungskräften, Selbständigen und Fachkräften gegeben, und vorrangig bei älteren Arbeitnehmern.[3]
Gemäß einer Befragung von 2007 unter circa 250 Managern, zu 80 Prozent aus der obersten Führungsebene, lagen im Baugewerbe, in der Automobilindustrie und bei Unternehmensberatungen größere Probleme bezüglich der Work-Life-Balance vor als im Medienbereich und in der Elektrotechnik, während in der Pharmaindustrie und im Versicherungsbereich geringere Probleme vorlagen. Gerade im höheren Management sei die Balance vor allem vom Individuum selbst abhängig – von seinem Zeit- und Selbstmanagement, der Bereitschaft zum Delegieren, der Stressverarbeitung und einem eventuellen Medikamenten- oder Drogenmissbrauch – in zweiter Linie von der Unternehmenskultur, und an dritter Stelle von der Unterstützung durch den Lebenspartner.[4] Anzumerken ist, dass es sich hierbei nicht notwendigerweise um kausale Zusammenhänge handelt, und dass die Befragung beschränkt war auf einen Personenkreis, dem der Aufstieg in das Management bereits gelungen war.
Gesetzgebung (Deutschland)
Gesetzliche Regelungen in Deutschland sind unter Anderem durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV), Betriebssicherheitsverordnung das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), das Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG), das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) und das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorgeschrieben.
Siehe auch
Weblinks
- Steve Beutler: Initiativen zur Förderung einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. In: Lizentiatsarbeit, Universität Basel. 2002. Abgerufen am 7. Dezember 2008. (PDF) (Version aus dem Internet Archive vom 22. März 2004, da Original nicht mehr verfügbar)
- Familienorientierte Arbeitszeitmuster – Neue Wege zu Wachstum und Beschäftigung. BMSFSJ, Juni 2005. Abgerufen am 7. Dezember 2008.
- Führungskräfte und Familie. Wie Unternehmen Work-Life-Balance fördern können, BMFSFJ, Stand: Sommer 2004, Nachdruck: November 2006. Abgerufen am 7. Dezember 2008.
- Alexander Wegener, Inge Lippert: Studie Familie und Arbeitswelt. Rahmenbedingungen und Unternehmensstrategien in Großbritannien, Frankreich und Dänemark, Berlin, 30. Juli 2004. Abgerufen am 7. Dezember 2008.
- Work-Life-Balance: Ein weltweites Problem, Ergebnisse der IriS-Studie, Vocatus Presseinformation, 5. Februar 2007, (PDF, 50 KB) (Version aus dem Internet Archive vom 29. September 2007, da Original nicht mehr verfügbar)
- Andreas Schmitz: Work-Life-Balance. Der tägliche Balance-Akt, manager-magazin.de, 28. Mai 2008. Abgerufen am 7. Dezember 2008.
Einzelnachweise
- ↑ What Gen Y Really Wants. In: Time Magazine. Abgerufen am 16. Dezember 2008. (Englisch)
- ↑ Susan Cramm: Your Work or Your Life, in: CIO Magazine, Juni 2005, Jg. 18, Nr. 16, ISSN 0894-9301, S. 38–40
- ↑ a b c Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union: Die Arbeitsorganisation – Einleitung (Zusammenfassung), EF/08/68/DE. Herausgegeben durch Eurofound, 19 September, 2008. Abgerufen am 14. Detember 2008
- ↑ Ruth Stock-Homburg und Eva-Maria Bauer: Abschalten unmöglich?. In: Harvard Businessmanager: Trends. manager-magazin.de, 14. Dezember 2008. Abgerufen am 14. Dezember 2008.
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