Industrieemissionsrichtlinie

Industrieemissionsrichtlinie
Flagge der Europäischen Union
Basisdaten der
Richtlinie 2010/75/EU
Titel: Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates vom
17. Dezember 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (Text von Bedeutung für den EWR)
Kurztitel:
(nicht amtlich)
Industrieemissionsrichtlinie
Rechtsnatur: Richtlinie
Geltungsbereich: Europäische Union
Rechtsmaterie: Umweltrecht
Veröffentlichung: 17. Dezember 2010
(ABl. EG L 334, S. 17–119)
Inkrafttreten: 6. Januar 2011
Verabschiedung: 24. November 2010
In nationales Recht
umzusetzen bis:
6. Januar 2013
Umgesetzt durch:
Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung!

Die Industrieemissionsrichtlinie 2010/75/EU, engl. Industrial Emissions Directive, kurz IED genannt, ist eine EU-Richtlinie mit Regelungen zur Genehmigung, zum Betrieb und zur Stilllegung von Industrieanlagen in der Europäischen Union. Sie basiert auf einem Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2007 und wurde vom Europäischen Rat und Europäischen Parlament im Jahr 2010 verabschiedet. Die Richtlinie vereint sieben Vorläufer-Richtlinien mit Bezug zu Industrieemissionen und entwickelt diese teilweise weiter.

Inhaltsverzeichnis

Anlass

Die Industrieemissionsrichtlinie ersetzt die bisherige Genehmigungsgrundlage für Industrieanlagen in EU-Mitgliedsländern, die sogenannte IVU-Richtlinie (2008/1/EG), sowie

Die früheren Richtlinien wurde nach einer mehrjährigen Auswertung durch umfangreiche Studien[1][2] an mehreren Punkten von der EU-Kommission überarbeitet und in den Vorschlag zur Industrieemissionsrichtlinie übernommen. Im Gesetzgebungsverfahren wurden anschließend durch das EU-Parlament und den Europäischen Rat lediglich diese Änderungsvorschläge diskutiert ('Recast'-Verfahren).

Zielsetzung

Die Richtlinie verfolgt das Ziel, die Umweltverschmutzung durch Industrieanlagen durch eine integrierte Genehmigung zu vermeiden oder so weit wie möglich zu vermindern. Dafür müssen Industrieanlagen mit der besten verfügbaren Technik (BVT) arbeiten, die in den BVT-Merkblättern der EU-Kommission veröffentlicht sind. Die BVT-Merkblätter (engl. BREF documents) werden von einem Autor der EU-Kommission unter Mitwirkung von Vertretern aus Behörden, Industrie und Umweltschutzverbänden in einem 2- bis 5-jährigen Diskussionsprozess erstellt (sog. Sevilla-Prozess).[3]

Inkrafttreten und Umsetzung in nationales Recht

Die Richtlinie trat am 6. Januar 2011 in Kraft. Die Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie in nationales Recht der EU-Mitgliedstaaten muss bis zum 6. Januar 2013 erfolgen. Dies wird in Deutschland insbesondere mit Novellen des Bundesimmissionschutzgesetzes, des Wasserhaushaltsgesetzes und des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vollzogen.

Betroffene Industriebranchen

Der Geltungsbereich der Richtlinie schließt folgende Industriezweige ein (teilweise ab vorgegebenen Einsatzmengen):

  1. Energiewirtschaft (z. B. Verbrennungsanlagen ab 50 MW Feuerungswärmeleistung, Öl-/Gasraffinerien)
  2. Herstellung und Verarbeitung von Eisen und Nichteisenmetallen (z. B. Stahlerzeugung ab 2,5 t/h)
  3. Mineralverarbeitende Industrie (z. B. Zementwerk-Drehrohröfen ab 500 t/d, Kalköfen ab 50 t/d, Glasöfen ab 20 t/d)
  4. Chemische Industrie (z. B. Herstellung von Chemikalien, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel)
  5. Abfallbehandlungsanlagen zur Verwertung und Beseitigung (z. B. Deponie, Verbrennung, Mitverbrennung)
  6. Herstellung von Zellstoff
  7. Herstellung von Papier und Pappe (ab 20 t/d)
  8. Herstellung von Span-, OSB- und Faserplatten auf Holzbasis (ab 600 m3/d)(*)
  9. Vorbehandlung oder Färben von Textilfasern und Textilien (ab 10 t/d)
  10. Gerben von Häuten oder Fellen (ab 12 t/d)
  11. Nahrungsmittelproduktion (z. B. Schlachthäuser ab 50 t/d Schlachtkörper, Milchverarbeitung ab 200 t/d)
  12. Tierkörperbeseitigung (ab 10 t/d)
  13. Intensivtierhaltung (z. B. Geflügel ab 40.000 Plätzen, Mastschweine ab 2000 Plätzen je 30 kg)
  14. Oberflächenbehandlung mit organischen Lösemitteln ab 150 kg/h oder 200 t/Jahr (z. B. Appretieren, Bedrucken, Beschichten, Entfetten, Imprägnieren, Kleben, Lackieren, Textil-/Teile-Reinigen und/oder Tränken)
  15. Kohlenstoffherstellung
  16. CO2-Abscheidung(*)
  17. Konverservierung von Holz und Holzerzeugnissen (ab 75 m3/d)(*)
  18. bestimmte industrielle Abwasserbehandlungsanlagen(*)

Die mit (*) gekennzeichneten Industrieanlagen werden mit der geltenden IVU-Richtlinie (2008/1/EG) nicht geregelt.

Änderungen gegenüber der IVU-Richtlinie u.a. integrierter Richtlinien

Die IVU-Richtlinie sieht lediglich eine Berücksichtigung der besten verfügbaren Techniken (BVT) vor, die in den europäischen BVT-Merkblättern dokumentiert sind. Die Industrieemissionsrichtlinie verlangt hingegen die verbindliche Einhaltung der mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerten (z.B. Staub-Tagesmittelwert für Drehrohröfen der Zementherstellung: <10-20 mg/Nm3)[4]. Um die in den BVT-Merkblättern festgelegten Emissionswerte beim Betrieb der Anlage sicherzustellen, müssen von den Genehmigungsbehörden entsprechend niedrige Grenzwerte festgelegt werden. Problematisch dürfte die Abweichungsmöglichkeit von den assoziierten Emissionswerten in Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie sein. Danach kann die zuständige Behörde in besonderen Fällen und wenn aufgrund des geografischen Standorts und der lokalen Umweltbedingungen oder technischen Merkmale der betroffenen Anlage, die Festlegung der assoziierten Grenzwerte unverhältnismäßig wäre, von einer solchen Festlegung absehen. Inwieweit diese Regelung die angestrebte europaweite Vereinheitlichung beeinträchtigt, bleibt abzuwarten, denn aufgrund des Art. 193 AUEV muss ein Mitgliedstaat diese nicht umsetzen.

Eine Neuerung gegenüber der IVU-Richtlinie ist die Bestimmung, dass Betreiber bestimmter Anlagen in den Genehmigungsunterlagen und bei Aktualisierung der Genehmigung über den Zustand des Bodens und des Grundwassers berichten müssen, damit bei Stilllegung der Anlage ein Vergleich mit dem Zustand im Zeitpunkt der Erstellung des sog. Ausgangszustandsberichts (engl. baseline report) möglich ist.

Bei der Integrierung der Richtlinie für Großfeuerungsanlagen (2001/80/EG) wurde die Regelung aufgenommen, dass EU-Staaten für Großkraftwerke einen nationalen Übergangsplan aufstellen können. Wenn dieser Plan von der EU-Kommission akzeptiert wird, müssen alte Kohlekraftwerke nicht 2016 sondern erst 2020 die gleichen Grenzwerte wie neue Kraftwerke einhalten. Weiterhin gilt für alte Kraftwerke, die nicht erneuert werden sollen, eine Sonderregelung: sie dürfen weitere 17.500 Stunden bis 2023 betrieben werden.[5]

Während die höhere Verbindlichkeit der BVT-Merkblätter von Umweltschutzverbänden begrüßt wird, stehen die Regelungen zu Großkraftwerken stark in deren Kritik.[6]

Text der Richtlinie

  • EUR Lex - HTML- und PDF-Version der Richtlinie wahlweise in 23 Sprachen

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. EU-Kommission - Hintergrundstudien zur IED-Richtlinie (engl.)
  2. z.B. Studie zur Revision der Abfallverbrennungsrichtlinie: Sander/Tebert/Schilling/Jepsen: Assessment of the application and possible development of community legislation for the control of waste incineration and co-incineration. Ökopol, Hamburg, 2006. Endbericht und Anhang
  3. BREF Outline and Guide EU-Kommission - Joint Research Centre, Sevilla/Spanien, 2005.
  4. Reference Document on Best Available Techniques in the Cement, Lime and Magnesium Oxide Manufacturing Industries, Joint Research Centre, Europäische Kommission, Sevilla/Spanien, 2010.
  5. Ralf Ahrens: Kompromiss mit Schwächen. In: VDI-Nachrichten, Düsseldorf, 16. Juli 2010. http://www.vdi-nachrichten.com/artikel/EU-Richtlinie--Kompromiss--mit-Schwaechen/48753/2
  6. Christian Schaible, EU Puts Industry Interests First. European Environmental Bureau (EEB), Brüssel, 18. Juni 2010. http://www.eeb.org/EEB/index.cfm/news-events/news/eu-puts-industry-interests-first/
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