- Chemische Industrie
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Die Chemische Industrie (auch Chemieindustrie, Chemiewirtschaft, chemisches Gewerbe) ist ein Wirtschaftszweig (Branche), der sich mit der Herstellung chemischer Produkte beschäftigt.
Gewerbe der chemischen Industrie
Im Brockhaus findet man die folgende Definition:
- „Im weiteren Sinne diejenigen Industrien, die sich ausschließlich oder vorwiegend mit der Umwandlung von natürlichen und mit der Herstellung von synthetischen Rohstoffen befassen. Abgrenzungen sind schwierig und nicht einheitlich.“[1]
Seifen beispielsweise werden durch chemische Umwandlung von Fetten und Ölen (natürliche Rohstoffe), Kunststoffe werden aus Stoffen wie Ethylen, Styrol, Vinylchlorid (synthetische Rohstoffe) hergestellt. Diese Bereiche gehören eindeutig zur Chemieindustrie. Beim Kuchenbacken findet auch eine chemische Umwandlung statt, jedoch gehört ein derartiges Gewerbe zur Lebensmittelindustrie. Auch das Gewerbe, das Kunststoffe (unter Zusatz von Pigmenten und anderen Stoffen) verarbeitet (z. B. Reifen, Tragebeuteln), gehört nicht zur Chemieindustrie, sondern zur Kunststoffindustrie – obgleich auch hier chemische Umwandlungen stattfinden.
Zur Chemieindustrie gehören etwa auch: Gewerbe, die sich mit der Herstellung von Anstrichfarben, Kosmetika, Pharmazeutika, Pflastern, Pyrotechnika (Feuerwerkskörpern) befassen – mitunter findet in diesen Betrieben keine chemische Stoffumwandlung statt, und es werden lediglich chemische Spezialchemikalien von Großherstellern in geeigneter Weise mit physikalisch-chemischen Verfahren verarbeitet (vermischt, vermahlen, extrahiert, emulgiert).
Nicht zur chemischen Industrie gehören: Die Herstellung von Braunkohlenkoks, Teerprodukten, die Herstellung von Heizöl, Mineralölen für Autos, Flugzeuge, Schmierölen, der Raffineriegase (Propan-, Butan-, Ethylen, Propylen, Butadien), die Uran-Anreicherung (Kokerei- und Mineralölindustrie, bzw. Spalt- und Brutstoffindustrie). Die Metallherstellung (Metallindustrie), die Glas- und Keramikherstellung (Glas-, Keramikindustrie), die Herstellung von Leder (Lederindustrie), die Verwertung von Altmetallen, Alttextilien, Altölabfällen, Bruchglas, Elektronikschrott (Recyclingindustrie) sowie die Herstellung von Kokerei-, Hochofengase, Grubengas, Biogas, Dienstleistungen der Gasversorgung (Energieversorgung) und die Aufarbeitung von Wasser mit Trinkwasserqualität (Wasserversorgung), obgleich in diesen Bereichen chemisches Wissen benötigt wird.
Nach der Zuordnung des deutschen Statistischen Bundesamtes fallen die gewerblichen Hersteller von den folgenden Produkten (chemische Produkte nach Produktklassifikation) zur chemischen Industrie:
- Anorganische Grundstoffe und Chemikalien
- Organische Grundstoffe und Chemikalien
- Düngemittel, Pflanzenbehandlungsmittel und Schädlingsbekämpfungsmittel
- Kunststoffe und synthetischer Kautschuk
- Pharmazeutische Erzeugnisse
- Sonstige chemische Erzeugnisse (Klebstoffe, Gelatine, Hilfsstoffe für die Leder, Textilien, Farbstoffe und Pigmente, Papier, Dichtungsmaterialien, Bautenschutzmittel, Fotochemische Erzeugnisse, Seifen, Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel, Körperpflegemittel (Kosmetika), Konservierungsmittel, pyrotechnische Erzeugnisse, Sprengstoffe).[2]
Geschichtliches
Die chemische Industrie ist ein Wirtschaftszweig, der in Europa und den USA etwa 1850 eine eigenständige Industrie wurde.
- Anorganische Chemieindustrie
Ausgangspunkte für die Entstehung der chemischen Industrie war das Bleikammerverfahren (1740 Richmond bei London) zur Herstellung von Schwefelsäure. 1852 wurde Schwefelsäure nach Entwicklungen von Friedrich Wöhler, Clemens Winkler und Rudolf Knietsch im Kontaktverfahren erzeugt. Ein zweites Schlüsselprodukt der Chemieindustrie war das Soda (von Nicolas Leblanc 1791 entwickelt). James Muspratt baute im Jahr 1823 die erste Sodafabrik in England (Liverpool), in Deutschland errichtete Hermann in Schönebeck (bei Magdeburg) die erste Sodafabrik in Deutschland, Friedrich Engelhorn gründete 1865 in Mannheim die Badische Anilin- und Sodafabrik. Ab 1863 wurde das Solvay-Verfahren zur Herstellung von Soda eingeführt, dass sich seit 1870 industriell durchsetzte. Soda wirkte als Katalysator für die Entwicklung der Glasindustrie, neue Spezialgläser (Böhmisches Hartglas, Kristallglas, Crownglas) konnten erzeugt werden. Aus der Salzsäure als Nebenprodukt des Leblanc-Verfahrens konnte Chlorkalk ( Tennant (1799, Walter Weldon (1867), Henry Deacon (1872)) erzeugt werden. Seit 1890 wurden Chlor, Wasserstoff und Natronlauge durch Elektrolyse aus Natriumchlorid hergestellt.
- Organische Chemieindustrie
Die organische Chemieindustrie entwickelte sich aus einem Nebenprodukt der Steinkohleumwandlung zu Koks. Der Steinkohleteer war zunächst ein wertloses Nebenprodukt als Friedlieb Ferdinand Runge bei Oranienburg um 1833 die Inhaltsstoffe untersuchte. Dann entwickelten sich bald die großen Bereiche der Chemieindustrie (s. Farbstoffe#Synthetische Farbstoffe, Arzneimittel#19.–21. Jahrhundert, Kunststoffe#Entwicklung einer Kunststoffindustrie).
Das Aufblühen der chemischen Industrie ging Hand in Hand mit der Wissenzunahme und der Zahl der Absolventen in der Chemie. Zwischen 1860–1900 stiegen sowohl die Zahl als auch die Größe von Chemieunternehmen schnell an. Die Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF, gegr. 1865) beschäftigte 1885 2.330 Arbeiter und Angestellte, 1890 waren es 3.596, 1895 4.600 und 1900 6.711, davon etwas über 100 Chemiker. Bei Bayer/Elberfeld (gegr. 1863) gab es 1885 zunächst 24 Chemiker und 300 Arbeiter, und 1896 waren es 104 Chemiker und 2.644 Arbeiter.[4]
Die Chemie und die Chemiewirtschaft galten in dieser Phase als friedens- und damit staatserhaltend. Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Herbizide steigerten die Erträge in der Landwirtschaft. Farbstoffe und Pigmente brachten Farben für Kleidung, für Druckerzeugnisse, für Häuserfassaden, und für die Fotografie. Kunstfasern erhöhten das Angebot an preiswerten Textilien. Kunststoffe brachten ein großes Angebot an preiswerten Gütern für Haushalte und Gewerbe. Arzneimittel verbesserten den Gesundheitszustand und senkten das Infektionsrisiko bei gefährlichen ansteckenden Krankheiten (Tuberkulose, Syphilis, Diphtherie).
Bismarck bemerkte einmal, dass „es weniger die friedliche Gesinnung aller Regierungen ist, die den Frieden bisher erhält, als die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Chemiker“.[5]
Automatisierung und Effizienz
Ein Produktionsbetrieb der chemischen Industrie hat im Allgemeinen einen höheren Bedarf an Kapitalinvestitionen und einen geringeren Personalbedarf verglichen mit anderen Produktionsbetrieben mit vergleichbarem Umsatz.
Im weiteren zeichnet sich die chemische Industrie aus durch
- einen hohen Automationsgrad,
- eine hohe Wertsteigerung der verarbeiteten Rohstoffe,
- eine sehr teure Forschung,
- eine aufwändige Verfahrenstechnik sowie
- eine große Anzahl hergestellter Produkte.
Hergestellt werden Grundchemikalien, Spezialchemikalien, Zwischen- und Fertigprodukte. Abnehmer sind der Konsumgüterbereich sowie alle Bereiche des verarbeitenden Gewerbes und der Industrie (Automobilindustrie, Baugewerbe, Landwirtschaft).
Wirtschaftliches Profil des chemischen Gewerbes
Die chemische Industrie ist in der öffentlichen Wahrnehmung stark durch internationale Konzerne geprägt. Der überwiegende Teil der chemischen Industrie besteht jedoch aus mittelständischen Unternehmen.
Der weltweite Gesamtumsatz der chemischen Industrie betrug 2002 1.847 Milliarden Euro. In Deutschland 132,5 Milliarden, in den USA 489 Mrd., in Japan 204 Mrd. und in der Schweiz 35,1 Milliarden. Beschäftigt wurden in Deutschland 462.000 Personen, in der Schweiz 64.000 Personen. Aus Deutschland wurden Waren im Wert von 80,2 Milliarden Euro exportiert und importiert wurden Waren für 57,9 Milliarden Euro.[6]
Länder
Deutschland
Wirtschaftliche Entwicklung
Die Chemiewirtschaft in Deutschland ist stark wachstumsorientiert. Der Umsatz steigerte sich von 87,6 Mrd. € (1992) auf 129,6 Mrd. € (2006). Mit etwas mehr als 10% des Gesamtumsatzes des verarbeitenden Gewerbes ist sie ein besonders wichtiger Wirtschaftszweig in Deutschland nach der Automobil-, Maschinenbau- und Elektronikindustrie. Deutlich mehr als 50% der in Deutschland hergestellten Chemieprodukte werden exportiert. Deutschland war im Jahr 2006 die exportstärkste Chemienation (116 Mrd. €, Weltmarktanteil: 12,3%) vor den USA (107,5 Mrd. €, Weltmarktanteil: 11,4%), Frankreich (62,1 Mrd. €, Weltmarktanteil: 6,6%), Großbritannien (53,4 Mrd. €, Weltmarktanteil: 5,6%), Japan (44,2 Mrd. €, Weltmarktanteil: 4,7%).
Deutschland ist auch ein wichtiges Importland für ausländische Chemiewaren mit 86,6 Mrd. € (8,9% der Weltchemieimporte) und es belegt den zweiten Platz hinter den USA mit 113,7 Mrd. € (11,7% der Weltimporte) noch vor China mit 72,2 Mrd. € (7,4% der Weltimporte). Während bei den Sachanlageinvestitionen der Chemieindustrie in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch zwei Dritteln im Inland und nur ein Drittel im Ausland getätigt wurden, verstärkten sich nach dem Jahr 2000 die Auslandsinvestitionen auf ca. 50% und mehr an den Gesamtinvestitionen.
Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung der Umsätze nach Chemiesparten
Chemiesparte Umsatz Mio. € 2006 Anorganische Grundchemikalien 9.833 Petrochemikalien und Derivate 21.882 Polymere (Kunststoffe) 25.882 Fein- und Spezialchemikalien 32.623 Pharmazeutika 29.326 Wasch- und Körperpflegemittel 10.017 - Quelle: VCI[7]
Derzeitige Tendenzen und Sorgen
Die Chemische Industrie in Deutschland nutzt derzeit ca. 10% des gesamten Strom- und Gasbedarfs. Da die Preise in Deutschland für Strom und Gas im internationalen Vergleich aber auch innerhalb Europas auf sehr hohem Niveau liegen, fordert der Verband der chemischen Industrie mehr Wettbewerb bei den Energiepreisen, da andernfalls die Chemieproduktion für chemische Grundstoffe in Deutschland einseitig gegenüber anderen Ländern belastet werden. Zwischen 1990-2006 konnte die chemische Industrie ihren Energiebedarf um 40% senken, weitere Effizienzmaßnahmen sind aber nur mit erheblichen Kosten oder einer deutlichen Wettbewerbsverschlechterung möglich. Sehr kritisch wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz(EEG) vom VCI beurteilt, wonach bis zum Jahre 2020 etwa 20% des gesamten Energiebedarfs in Europa aus erneuerbaren Energie gedeckt werden sollen.[8] Der VCI hält nationale Alleingänge beim EU-Emissionshandel mit Klimagaszertifikaten, insbesondere die Senkung der Zuteilungsmenge von 495 Millionen auf 453 Millionen Zertifikate, für schädlich.[9] Für jede zusätzlich emittierte Tonne Kohlendioxid müssen Unternehmen mit höherem Kohlendioxidausstoß CO2- Zertifikate von Anlagebetreibern mit CO2- Einsparungen kaufen. Zwischen 2013 bis 2020 will die europäische Kommission die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten schrittweise auf null zurückfahren. Je Tonne Kohlendioxid müssen Chemieunternehmen dann etwa 30 € zahlen, die Gesamtkosten für den Zertifikathandel werden sich ab 2013 auf 1 Milliarde Euro belaufen und verdoppeln sich bis 2020.[9] Diese Reglungen führen zu erheblichen Kosten für deutsche und europäische Chemieunternehmen. Der Verband der chemischen Industrie fordert von der Politik stattdessen unentgeltliche Zertifikate für Chemieanlagen, die nach technischen Standards effizient arbeiten (benchmark).
Die Gefahr besteht in einer Abwanderung von energieintensiven Betrieben in Weltregionen mit geringeren Kostenbelastungen. Große Länder wie USA, China, Indien weigern sich bislang an einem Emissionshandel oder an der Minimierung von Treibhausgasemissionen teilzunehmen und daher würde der Emissionshandel einseitig die Wirtschaft in Europa belasten.
Der Verband der chemischen Industrie schlägt statt eines Zertifikathandels mit Emissionsrechten ein Bonussystem vor. Dabei erhalten Hersteller erneuerbarer Energien neben dem Marktpreis für Energie einen europaweit abgestimmten Bonus für diesen Strom. Der Vorteil: Spekulationen im Bereich Zertifikathandel werden eingeschränkt.
Der VCI betont die Bereitschaft der Chemieindustrie beim Klimaschutz aktiv mitzuhelfen. Bei einer Ausrüstung von 24 Mio. Haushalten mit Wärmedämmstoffen für Aussenfassaden von der chemischen Industrie könnten zukünftig 120 Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen vermieden werden.[10] Die Chemieindustrie leistet auch einen Beitrag zur Herstellung von Photovoltaikmodulen womit derzeit 0,5 Mio. Tonnen Kohlendioxid in Deutschland eingespart werden.
In Dubai haben sich 120 Staaten bereit erklärt, den Umgang mit Chemikalien weltweit für Mensch und Umwelt einheitlicher und sicherer zu gestalten. Chemikalien sollen weltweit nach Gefährlichkeit eingestuft und für Transport und Umgang gekennzeichnet werden. Regelungen sollen international vereinheitlicht werden. Dazu dient auch die sogenannte REACH-Verordnung vom 1. Juli 2007 in Europa. Hersteller oder Unternehmen, die chemische Stoffen und Zubereitungen mit mehr als eine Tonne/Jahr in der EU in den Verkehr bringen, müssen umfangreiche Dokumentationen über Toxikologische Wirkungen, Ökotoxizität sowie physikalisch-chemischen Daten dieser Stoffe an die Chemieagentur in Helsinki einreichen. Ferner haben die Unternehmen Informationspflichten für die gesamte Lieferkette wahrzunehmen. Ca. 80.000 Registrierdosiers wurden eingereicht, die Erstellungskosten lagen bei 2 Milliarden €. Hersteller mit Produkten von geringen Gewinnmargen - das sind ca. 5-10 % aller Chemikalien und Zubereitungen - können die Anmeldungskosten vermutlich nicht aufbringen und werden ihre Produktion einstellen.
Chemiewirtschaft in der Krise
Zwischen Januar 2008 und Januar 2009 nahm der Absatz der Chemieproduktion in Europa dramatisch ab. Der Absatzrückgang bei Kunststoffen und Polymeren lag um 31 %, bei Chemiefasern um 33,6 %, Düngemitteln 44,2 %, Farbstoffen, Pigmenten 26,7 %, anorganischen Basischemikalien 33 %.[11]
Die BASF musste seit November 2008 Großanlagen herunterfahren. Nur noch 75 % der Kapazität sind ausgelastet. Betroffen sind insbesondere die Zulieferindustrien für die Automobilindustrie. Zu Kurzarbeit kam es in der Lack- und Farbenindustrie; im Werk in Münster wurden 2/3 der Beschäftigten (1500 Personen) in Kurzarbeit geschickt. Die Anlage der BASF-Coating in New Jersey wurde wegen Überkapazitäten geschlossen, ferner eine Anlage in Korea für Kunststoffvorprodukte.[12] Nur in den Sektoren Pflanzenschutzmittel und Pharmaprodukte steigerte der Konzern seine Erlöse.
Bei Lanxess kam es zu einem 50-prozentigen Rückgang an Kautschuk für Autoreifen. Das Schweizer Unternehmen Clariant sparte bis Ende 2008 etwa 2200 (von insgesamt 20.000) Mitarbeiter weltweit ein, 1000 weitere Mitarbeiter sollen in naher Zukunft folgen.[12] Im Raum um Frankfurt beschäftigt das Unternehmen etwa 2500 Mitarbeiter.
Auch bei der Wacker Chemie kam es zu einem Ertragsrückgang von 42%.
Vom Abschwung sind auch Mitarbeiter von Evonik und Celanese betroffen. Um 800 Mitarbeiter wurden in die Kurzarbeit geschickt.[12]
Entwicklung der Chemieindustrie seit 1990
Die petrochemische Industrie in Europa war vorwiegend national geprägt, in vielen Ländern war dieser Industriesektor in Staatsbesitz. Viele nationale Anbieter hatten eine alte und zu geringe Anlagenkapazität. Es fehlte an Kapital. Im Jahr 1993 verschmolzen die staatlichen Konzerne Neste (Finnland) und Statoil (Norwegen) zu Borealis. Ebenfalls im Jahr 1993 verschmolz das Polypropylengeschäft; die italienische Montedison fusionierte mit Shell, es entstand Montell. Die Firmen BASF und Shell legten ihren Polyethylensektor zusammen, es entstand Basell. Im Jahr 2004 wurde Basell für 4,4 Mrd. Euro verkauft. Die Käufer waren Access Industries, New York und die Chatterjee Group.[13]
Unter dem Druck, möglichst hohe Gewinne für die Aktionäre zu erzielen und unter dem Eindruck der Entwicklungen in China, bündelten die bisher breit aufgestellten Großunternehmen ihre Aktivitäten auf einzelne Chemiesektoren. Die Chemiefirmen Bayer AG und Hoechst AG waren im Jahr 1993 noch sehr breit aufgestellt. Die beiden Einzelunternehmen verfügten über praktisch alle wichtigen Chemiesektoren wie Kunststoffe, Spezialitäten, Coatings, Agrarchemikalien, Pharma, Feinchemie.
Aus der Bayer AG und der Hoechst AG sind Life-Science-Unternehmen entstanden. Durch Fusion von Hoechst mit der französischen Rhone-Poulenc entstand Aventis, bzw. später Sanofi-Aventis. Alle nicht zum Pharmasektor gehörenden Bereiche wurden abgestoßen.
Bayer ist heute schwerpunktmäßig auf Pharma, Kunststoffe, Agrochemikalien ausgerichtet, die anderen Bereiche wurden abgestoßen.
Im August 2008 kaufte Dow Chemical den Chemiehersteller Rohm & Haas für 15,3 Mrd. US$. Rohm & Haas stellt Spezialchemikalien für die Elektronik, Baubranche, Beschichtung her. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 16.500 Mitarbeiter und 500 Mitarbeiter in Deutschland.[14]
Durch Staatsfonds, beispielsweise aus China, werden sich die Besitzstrukturen der westlichen Chemieindustrie möglicherweise ändern.[15]
Branche lässt Krise 2010 hinter sich
In allen Regionen und in fast allen Ländern der Welt stieg die Industrieproduktion 2010 kräftig an. Von dieser Entwicklung profitierten die deutschen Chemieunternehmen vor allem durch den Export ihrer Produkte. Bereits im Jahresverlauf 2009 deutete sich an, dass die Branche die Krise rascher überwinden würde als von den meisten Wirtschaftsexperten angenommen. Nach dem Anziehen der Nachfrage aus dem Ausland trug auch die Inlandsnachfrage zur Erholung der wirtschaftlichen Situation bei. Bereits im Sommer 2010 erreichte die Kapazitätsauslastung so wieder ihr normales Niveau Deutschlands viertgrößte Branche erlebte 2010 ein bemerkenswertes Jahr, das sich in dieser Weise wohl kaum mehr wiederholen lässt. Sie konnte mit einem Produktionsplus von 11 Prozent den größten Zuwachs seit 1976 verbuchen. Die Chemieproduktion verfehlte damit das Vorkrisenniveau nur noch knapp. Höhere Preise und größere Mengen führten zu einem deutlichen Umsatzplus: Das Geschäft mit Chemikalien in Deutschland legte um 17,5 Prozent auf 170,6 Milliarden Euro zu. Der Auslandsumsatz lag 2010 bereits wieder höher auf einem höheren Niveau als im Jahr 2007. Die Produktionsanlagen, die im Zuge der Krise stark heruntergefahren und teilweise auch ganz abgestellt worden waren, laufen inzwischen wieder auf Hochtouren. Die Unternehmen konnten deshalb die Kurzarbeit beenden [16].
Beschäftigungssituation in der Chemieindustrie
Während zwischen 1991 und 2006 der Umsatz pro Chemiebeschäftigten von 148.700 €/Jahr auf 372.000 €/Jahr gestiegen ist, wurde gleichzeitig die Zahl der Beschäftigten in diesem Zeitraum von 716.700 auf 436.000 Personen abgebaut. Der durchschnittliche Bruttolohn in der chemischen Industrie stieg von 36100 €/Jahr (1994) auf 46.800 €/Jahr (2006). Besonders einschneidend war der Abbau (1995–2006) im Bereich der organischen Chemikalien (-17.000 Beschäftigte), Polymere (-30.000 Beschäftigte), Fein-, Spezialchemikalien (-21.000 Beschäftigte), Wasch- und Körperpflegemittel (-13.000 Beschäftigte).
Eine Übersicht über die Schichtungen von beschäftigten Personen in Betrieben gibt die folgende Tabelle:
Beschäftigte Personen Anzahl der Unternehmen Gesamtzahl Beschäftigte Gesamtumsatz Mio. € 1 - 9 1.494 6.449 829 10 -19 609 8.464 1.865 20 - 49 390 13.262 3.548 50 - 99 369 26.037 6.833 100 - 249 330 52.250 15.736 250 - 499 149 54.920 17.638 500 - 999 77 53.123 16.336 Über 1000 67 237.084 91.639 - Quelle: VCI[17]
Österreich
Die Chemieindustrie ist der zweitwichtigste Industriebereich Österreichs. Die Chemieindustrie Österreichs hat 41.700 Beschäftigt in 283 meist mittelständischen Betrieben. Das größte Chemieindustriegebiet liegt bei Linz.
Schweiz
In der Schweiz gibt es ca. 71.000 Beschäftigte in der Chemieindustrie, ca. die Hälfte davon arbeitet in der Forschung und Entwicklung. Rund 95 Prozent aller im Land hergestellter Produkte gehen in den Export.[18]
Große Unternehmen sind Novartis (29,0 Mrd. € Jahresumsatz) und die Roche-Gruppe (28,1 Mrd. € Jahresumsatz). Sie produzieren zu großen Teilen im Ausland, gehören sie doch zu den größten Pharma-Konzernen weltweit.
USA
Das Produktionsvolumen der Chemieindustrie der USA[19] ist um den Faktor 5 größer als die deutsche Chemieindustrie. Große Unternehmen (ohne Pharmazeutika) in den USA sind Dow Chemical (Umsatz 2006: 49,1 Mrd. US$), DuPont (Umsatz 2006: 27,4 Mrd. US$), Lyondell (Umsatz 2006: 22,2 Mrd. US$). Marktführer bei Pharmaprodukten sind Pfizer (Umsatz 2006: 26,7 Mrd. US$) und GlaxoSmithKline (Umsatz 2006: 21,7 Mrd. US$). Deutschland lieferte im Jahr 2006 an die USA Chemikalien im Wert von 11,3 Mrd. US$. Aufgrund hoher Kosten für fossile Rohstoffe werden in den USA neue Großanlage zur Kohleverflüssigung mit einem Investitionsvolumen von über 600 Mio. US$, sowie Bioethanolanlagen (Investitionsvolumen 200 Mio. US$) mit einer jährlichen Produktionskapazität von ca. 10 Mio. Tonnen geplant.
China
China[20] ist weltweit bislang der drittwichtigste Produktionsstandort für Chemikalien auf der Welt. Bis zum Jahr 2015 soll China zum größten Produktionsstandort für Chemikalien weltweit werden. Das jährliche Wachstum der Chemiewirtschaft liegt zwischen 10 und 20 %. Die drei wichtigsten (Staats-)Konzerne sind PetroChina, Sinopec, SNOOC. In China gibt es eine Vielzahl von Kooperationsprojekten mit Unternehmen aus der USA, Großbritannien, Deutschland und anderen Staaten (z. B. ein Joint-Venture mit Shenua und DOW-Chemical zum Aufbau einer Kohleverflüssigungsanlage, ferner mit BASF, Bayer, DuPont, BP usw.). [21]
In China sind die Investitionen in neue Chemieanlagen (Arzneimittelbereich, Kunststoffe, Kautschuk) hoch. Besonders hoch sind die Investitionen im Raffineriebau, 21 Großanlagen sind in Planung. Seit der Wirtschaftskrise Oktober/November 2008 kam es in vielen Sektoren der Chemie (z. B. Kunststoffe) zu einem erheblichen Preisverfall von chemischen Produkten (bis zu 50 %). Überseeische Kunden orderten kaum noch Chemikalien aus China, viele Produktionsstätten (Dünger, PVC) mussten still gelegt werden.
Großbritannien
In Großbritannien gibt es fünf große Chemieunternehmen: AstraZeneca Plc (Pharma, 67.900 Beschäftigte), Unilever (Haushaltsprodukte, Kosmetika, 174.000 Beschäftigte), GlaxoSmithKline Plc (Pharma, 103.000 Beschäftigte), BOC (Gase, zur Linde Gruppe gehörig, 50.000 Beschäftigte)
Viele Industriebereiche in Großbritannien (Bau-, die Kunststoff- sowie die Nahrungsmittelindustrie), die wichtige Abnehmer von Chemie sind, schrumpfen zurzeit. Dies hat Folgen für die Chemiewirtschaft. Eine große Erdölraffinerie und einige Bioethanolanlagen werden zurzeit in England errichtet.
Deutschland, Frankreich, Holland und die USA sind wichtige Chemieimporteure für Großbritannien.
Frankreich
Der Umsatz im Chemiebereich betrug etwa 81 Mrd. €. Davon gehen 55 % in den Export. Im Chemiebereich ist Frankreich nach Deutschland Frankreich hat 190.000 Chemiebeschäftigte die in 907 Betrieben arbeiten.
In Frankreich gibt es fünf Großkonzerne: L'Oréal (Kosmetik), Air Liquide (Industriegase), Total (Erdöl), Sanofi-Aventis (Pharma).
Niederlande
In der Niederlande gibt es drei Großunternehmen der Chemie: Royal Dutch Shell ( 2007: 356 Mrd. US$ Umsatz; 104.000 Beschäftigte), Akzo Nobel ( 14,4 Mrd. Euro, 60.000 Beschäftigte) und DSM (8,8 Mrd. Euro, 23.254 Beschäftigte). Deutschland ist der wichtigste Handels- und Investitionspartner für die Chemie in Holland.
Italien
Ein Drittel des Chemieumsatzes wird von ausländischen Unternehmen in Italien erwirtschaftet. Aufgrund von Bürokratiekosten wollen jedoch internationale Konzerne Personal abbauen.
Wichtige Chemieunternehmen Italiens sind Polimeri (Tochter des Energiemultis Eni, 6,8 Mrd. € Jahresumsatz), Gruppo Mossi&Ghisolfi (Kunststoffhersteller, 1,7 Mrd. € Jahresumsatz), Mapei (Bauchemie, 1,46 Mrd. € Jahresumsatz).
Spanien
Die spanische Chemieindustrie erwirtschaftete 48 Mrd. € Umsatz im Jahr 2007. In den letzten Jahren erhöhte sich das Produktionsvolumen um 3 – 6 % jährlich. Es ist der viertwichtigste Industriebereich in Spanien. In Katalonien sind 47 % der Chemiebetriebe ansässig. Viele internationale Unternehmen haben in Spanien Zweigwerke gegründet.
Russland
Ausländische Investitionen in Russland sind stark angestiegen. Im Jahr 2007 betrugen die ausländischen Investitionen bereits 6,4 Mrd. US$. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Russlands in der Chemiewirtschaft.
Die größten Chemiekonzerne sind die Holding Sibur (Mehrheitsaktionär: Gasprom, Umsatz: 142,7 Mrd. Rbl.), Salawatnefteorgsines (Petrochemie, Umsatz: 97,0 Mrd. Rbl.), MChK Ewrochim (Mineraldünger, Petrochemie, Umsatz: 73,8 Mrd. Rbl.). Eine große Erdölraffinerie (Kapazität: 20 Mio. Tonnen) ist von Rosneft geplant.
Brasilien
Die brasilianische Chemiebranche verkaufte im Jahr 2007 Waren im Werte von 101 Mrd. US$. Deutschland ist ein sehr wichtiger Chemiehandelspartner Brasiliens.
Das größte Unternehmen der Chemiebranche ist Petrobras (Petrochemie, 119 Mrd. US$ Jahresumsatz). Ferner gibt es noch Braskem (Petrochemie, 10,9 Mrd. US$ Jahresumsatz) und Copesul (Petrochemie, 6,2 Mrd. US$ Jahresumsatz). Petrobras plant erhebliche Investitionen in den Bau von Öl- und Gasförderung und dem Bau von Bioethanolanlagen.
Japan
Japan ist der zweitgrößte Chemiestandort auf der Welt. Mitsubishi Chemical, Sumitomo Chemical, Mitsui Group Chemical und Asahi Chemical sind die größten japanischen Chemiekonzerne. [22]
Konzerne
Die größten Chemiekonzerne der Welt: Die Dynamik des Industriezweigs macht die Liste der größten Chemiekonzerne der Welt 2007 im Vergleich zu 2002 deutlich:
2002 Konzern Land
(Hauptsitz)Umsatz
(Mrd. €)BASF D 28 Dow Chemical USA 27 DuPont USA 24 3M USA 21 (2005) Bayer D 20 Exxon Mobil Chemicals USA 20 Atofina F 20 BP Chemicals GB 13 Mitsubishi Chemicals J 12 Degussa D 11 Shell Chemicals NL/GB 11 Cognis Deutschland GmbH D 9,37 (2004) INEOS GB 2007 Konzern Land
(Hauptsitz)Umsatz
(Mrd. €)BASF D 58 Dow Chemical USA 39,1 Ineos England 32,6 Bayer D 32,4 Lyondell-Basell USA 31,4 DuPont USA 22,4 Sabic Saudi-Arabien 21,6 Reliance Industries Indien 18,6 Evonik D 14,4 Linde D 12,3 Air Liquide Frankreich 11,8 Akzo Nobel Niederlande 10,2 Solvay Belgien 9,6 DSM Niederlande 8,8 Huntsman Corporation USA 7,1 - Quelle: Die Rheinpfalz[23]
- Anm.: Die Umsatzzahlen sind teilweise nicht direkt vergleichbar, da bei den Mineralölkonzernen die Aufteilung zwischen den Sparten Öl und Chemie nicht nach den gleichen Kriterien erfolgt.
Literatur
- Alfred Dupont Chandler Jr.: Shaping the industrial century. The remarkable story of the evolution of the modern chemical and pharmaceutical industries. Harvard Univ. Press, Cambridge MA 2005, ISBN 0-674-01720-X
- Ludwig Klasen: Grundriss-Vorbilder von Gebäuden aller Art. Abth. XV. Industrielle Anlagen. Theil 7. Fabriken für die chemische Industrie. Baumgartner, Leipzig 1896 (Digitalisat)
- Hermann-Josef Rupieper, Friederike Sattler, Georg Wagner-Kyora (Hrsg.): Die mitteldeutsche Chemieindustrie und ihre Arbeiter im 20. Jahrhundert. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2005, ISBN 3-89812-246-8
Weblinks
Commons: Unternehmen des chemischen Gewerbes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Europäischer Dachverband der Chemischen Industrie
- Verband der Chemischen Industrie (Deutschland)
- Arbeitgeberverband der chemischen Industrie (Deutschland)
- Fachverband der chemischen Industrie Österreichs
- scienceindustries Schweizer Wirtschaftsverband Chemie Pharma Biotech
Einzelnachweise
- ↑ Brockhaus-Enzyklopädie. F.A. Brockhaus GmbH Mannheim 1987, 19. Auflage, Band 4, S. 447
- ↑ Hans-Bernd Amecke: Chemiewirtschaft im Überblick. Verlag Chemie, Weinheim 1987, S. 14
- ↑ Ersttagsblatt 21/1975.
- ↑ Hans-Werner Schütt: Der Chemiker im Wandel der Zeiten. Verlag Chemie, Weinheim 1973, S. 302.
- ↑ Hans-Bernd Amecke: Chemiewirtschaft im Überblick. Verlag Chemie, Weinheim 1987, S. 10
- ↑ Quelle der Zahlen: Verband der Chemischen Industrie, o.n.A.
- ↑ Homepage des VCI: Chemiewirtschaft in Zahlen 2007, Tab. 15a
- ↑ Verband der Chemischen Industrie: Fakten*Analysen*Perspektiven. Jahresbericht - Verband der Chemischen Industrie e.V. In: Chemie 2007, 30. Juni 2007, S. 6–7
- ↑ a b Fakten*Analysen*Perspektiven, S. 8
- ↑ Fakten*Analysen*Perspektiven, S. 9
- ↑ Chemische Rundschau: CEFIC-Trendreport, April 2009, S. 12
- ↑ a b c Chemische Rundschau, Februar 2009, S. 4–6
- ↑ Chemische Rundschau, Mai 2005, S. 10
- ↑ Chemische Rundschau, August 2008
- ↑ Alfred Widmer: Reinrassig und hochgezüchtet. Chemische Rundschau, Nr. 1–2, 8, Februar 2008, S. 5–9
- ↑ Rede VCI-Präsident Engel Jahrespressekonferenz 14. Dezember 2010
- ↑ Homepage des VCI: Chemiewirtschaft in Zahlen 2007. Tab. 18
- ↑ Scienceindustries
- ↑ http://www.bfai.de Branche kompakt - Chemische Industrie USA 2007
- ↑ http://www.bfai.de Branche kompakt - Chemische Industrie China 2008
- ↑ http://www.bfai.de Branche kompakt - Chemische Industrie China 2006
- ↑ http://www.bfai.de Branche kompakt - Chemische Industrie Japan 2006
- ↑ Die größten Chemiekonzerne der Welt. In: Die Rheinpfalz vom 25. April 2008, Seite Wirtschaft 01
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