Erich Schenk

Erich Schenk

Erich Schenk (* 5. Mai 1902 in Salzburg; † 11. Oktober 1974 in Wien) war ein österreichischer Musikhistoriker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Erich Schenk studierte am Salzburger Mozarteum und anschließend an der Universität München, wo er 1925 auch promoviert wurde. Seine Habilitierung folgte 1930 an der Universität Rostock. An dieser Universität leitete er ab 1936 das musikwissenschaftliche Institut. Nach der Emeritierung von Robert Lach 1940 folgte ihm Schenk als ordentlicher Professor am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien. Er konnte sich auch nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft halten und wurde 1946 in die Österreichische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. In der Folgezeit wurden mehrere Verfahren gegen Schenk eingeleitet, die jedoch allesamt für ihn folgenlos blieben.

Schenk, seit 2. August 1934 Mitglied im NS-Lehrerbund,[1] leistete als Lektor und zeitweiliger Mitarbeiter für das Amt Rosenberg Spitzeltätigkeiten, indem er Auskünfte über ehemalige jüdische Studenten der Musikwissenschaften bekanntgab[1] und eng mit Herbert Gerigk und dessen Lexikon der Juden in der Musik zusammenarbeitete.[2] Gerigk bedankte sich herzlich bei Schenk: „Eine genaue Durchsicht der Wiener Promoventen [sic!] würde wahrscheinlich noch manchen fetten Juden zu Tage fördern.“[3] Schenk war wegen der Mitarbeit in Rosenbergs „Sonderstab Musik“ vom Wehrdienst freigestellt worden und wirkte zusätzlich in Rosenbergs Zeitschrift Musik im Kriege mit.[4]

1941 betrieb er die Arisierung der Privatbibliothek seines Vorgängers Guido Adler[5][6] – behauptete aber noch 1963 wahrheitswidrig in der MGG, dass er die „Bibliothek vor dem Zugriff der NS-Behörden“ bewahrt habe.[1][7] Rudolf von Ficker erinnerte sich „wie dort gerade die Bibliothek Adlers samt allen persönlichen Dokumenten und Zubehör abgeladen und aufgestapelt wurde. Prof. Schenk, den ich vorher nicht kannte, teilte mir zur Aufklärung mit, Frl. Adler habe sich ‚saudumm‘ benommen, sie habe sich gegen das Gesetz vergangen, weil sie gegen die von ihm bei der Gestapo bewirkte Beschlagnahme der Bibliothek protestiert hätte. Sie sei jetzt geflüchtet, werde jedoch von der Gestapo schon gefunden werden und dann heiße es: ‚Marsch, nach Polen!‘“[8] Adlers Tochter, Melanie Adler, hatte sich von Schenk vergeblich Hilfe für ihre Emigration erhofft, wurde aber am 20. Mai 1942 deportiert und in Maly Trostinec am 26. Mai 1942 ermordet.[9] Trotz dieser Skandale wurde Schenk im Jahr 1950 zum Dekan der Philosophischen Fakultät gewählt und 1957 schließlich zum Rektor der Universität Wien. Er lehnte in den 1950er und 1960er Jahren mehrere Arbeiten über Franz Schreker und Gustav Mahler wegen ihrer jüdischen Herkunft ab. Als Gösta Neuwirth Anfang der sechziger Jahre eine Arbeit zu Franz Schreker begann, soll sie von dem durch Honorarprofessuren geehrten Wiener Ordinarius abgefertigt worden sein mit dem Verweis auf Mahlers jüdische Herkunft. Ein Verfahren gegen Schenk wurde 1967 eingestellt.

Unabhängig von seiner politischen Gesinnung erhielt er für seine wissenschaftlichen Verdienste das Große Silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich und bekam das Ehrendoktorat der Universitäten Brünn und Rostock verliehen. 1966 erhielt er den Wilhelm-Hartel-Preis, 1971 wurde er emeritiert. Seit 2003 verleiht die „Mozartgemeinde Wien“ einen neuen Preis an Nachwuchsmusiker und -musikerinnen unter dem Namen „Erich-Schenk-Preis“.[10] Dieser wurde von der Witwe des Musikwissenschaftlers testamentarisch verfügt und ersetzt den zuvor von der Stadt Wien verliehenen Interpretationspreis.

Zum geschichtsklitternden Opportunismus von Schenk gehört, dass er seine während des Nationalsozialismus entstandenen Schriften anlässlich der Neuherausgabe seiner Ausgewählten Aufsätze, Reden und Vorträge bereinigte und umfärbte.[11]

Seinen Ruf als Musikwissenschaftler erwarb er sich u. a. als Herausgeber der musikwissenschaftlichen Reihe Denkmäler der Tonkunst in Österreich (DTÖ)[12] und durch seine Forschungen zur Wiener Klassik und der Musik des Barocks. [13]

Publikationen (Auswahl)

  • Giuseppe Antonio Paganelli. Sein Leben und seine Werke. Nebst Beiträgen zur Musikgeschichte Bayreuths. Dissertation 1925, München. Waldheim-Eberle, Wien 1928.
  • Johann Strauß [Sohn], in der Reihe Herbert Gerigk (Hg) Unsterbliche Tonkunst, Athenaion, Potsdam 1940.
  • Das Ahnenerbe, in: W. A. Mozart. Zur Mozart-Woche des Deutschen Reichs in Zusammenarbeit mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und dem Reichsstatthalter in Wien, hrsg. v. Walther Thomas, Wien 1941, S. 16-22
  • Mozart und der italienische Geist, in: Geist der Zeit. Wesen und Gestalt der Völker, Organ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes 19 (1941), S. 580-590.
  • Musik in Kärnten, in: Schriften zu den Klagenfurter Hochschulwochen, Klagenfurt 1941
  • Organisationsformen deutscher Gemeinschaftsmusik, in: Musikverein für Kärnten. Festschrift 1942, Klagenfurt [1942], S. 58-63.
  • 950 Jahre Musik in Österreich. 1946
  • Kleine Wiener Musikgeschichte. Neff, Wien 1947.
  • Mozart: Eine Biographie. Amalthea Verlag, 1955 (Neuauflage: Piper Schott, Wien-München 1989. ISBN 3-7957-8268-6)
  • Die italienische Triosonate. Das Musikwerk, Köln 1955.
  • Ausgewählte Aufsätze, Reden und Vorträge (= Wiener musikwissenschaftliche Beiträge 7), Graz 1967
  • Die außeritalienische Triosonate. Das Musikwerk, Köln 1970.

Einzelnachweise

  1. a b c Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. Kiel 2004, CD-ROM Lexikon, S. 6070f.
  2. Eva Weissweiler: Ausgemerzt! Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen. Dittrich, Köln 1999, S. 71f.
  3. Gerhard Scheit: Die deutscheste der Wissenschaften: Über die Sonderkommandos der deutschen Musikwissenschaft. In: Konkret 8/2001 (abgerufen am 2. September 2009)
  4. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 519.
  5. Gerhard Oberkofler: Zum Raub aus Wiener Privatbibliotheken: Die Bibliotheken Schönfeld und Adler. In: Über sozialistische Privatbibliotheken in Wien und ihr Schicksal. Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2/2004 (abgerufen am 2. September 2009)
  6. Michael Lissek: Abhanden gekommen. Vom Verschwinden eines Mahlerliedes. (abgerufen am 2. September 2009)
  7. Eva Weissweiler: Ausgemerzt! Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen. Dittrich, Köln 1999, S. 30; Originalzitat bei Theophil Antonicek und Erich Schenk, in: MGG Band 11, Erstauflage 1963, S. 1664.
  8. Renate Erhart: Melanie Karoline Adler (1888–1942) (abgerufen am 21. Oktober 2010)
  9. Eintrag für Melanie Adler in The Central Database of Shoah Victims' Names
  10. Mozartgemeinde Wien Geschichte
  11. siehe dazu Pape: Erich Schenk, passim
  12. Carl Dahlhaus und Hans Heinrich Eggebrecht: Brockhaus Riemann Musiklexikon Band 4, 3. Auflage, Schott Musik International, Taschenbuchausgabe 2001, ISBN 3-254-08399-7, S. 104.
  13. Wien 1962, Webservice der Stadt Wien

Literatur

  • Theophil Antonicek (Hrsg.): De ratione in musica. Festschrift Erich Schenk zum 5. Mai 1972. Bibliographie mit Literaturverzeichnis, Bärenreiter, Kassel 1975, ISBN 3-7618-0420-2.
  • Eva Weissweiler: Ausgemerzt! Das Lexikon der Juden in der Musik und seine mörderischen Folgen. Dittrich, Köln 1999, ISBN 3-920862-25-2, S. 28f., 71f.
  • Tom Adler: Lost to the World. Selbstverlag, o.O. 2000, ISBN 1-401-08388-9. (Zur Geschichte des Mahler-Autographs „Ich bin der Welt abhanden gekommen“)
  • Matthias Pape: Erich Schenk – ein österreichischer Musikwissenschaftler in Salzburg, Rostock und Wien. Musikgeschichtsschreibung zwischen großdeutscher und kleinösterreichischer Staatsidee, in: Die Musikforschung, 53.Jg, 2000, S.413-431
  • M. Staudinger: Ein ‚vatermörderisches‘ Projekt? Zur Geschichte der Wiener Musikwissenschaft von 1920-1960, in: Festschrift M. Angerer, hrsg. von D. Schweiger, M. Staudinger, N. Urbanek, Frankfurt 2004, S.393-406
  • Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. Kiel 2004, CD-ROM-Lexikon, S. 6070–6072.
  • Oesterreichisches Musiklexikon. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2005, ISBN 3-7001-3046-5 (Band 4) S. 2060f. (Ohne Hinweis auf seine Umtriebe in der NS-Zeit).

Weblinks


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