Evangelische Inselkirche (Norderney)

Evangelische Inselkirche (Norderney)
Die Nordseite der Evangelischen Inselkirche

Die heutige Evangelische Inselkirche auf der Ostfriesischen Insel Norderney ist ein am 11. Juni 1879 eingeweihter Kirchenbau im Stil der Backsteingotik.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Inselkirche im Jahr 1750
Inselkirche im Jahr 1851 mit aufgesetztem Glockenturm
Seitenschiff der Inselkirche an der Kirchstraße mit dem Luther-Denkmal im Jahr 2009

An der Stelle der heutigen evangelischen Inselkirche wurde (je nach Quelle) bereits in den Jahren 1517 oder 1518 ein erster Kirchenbau aus Holz und Backsteinen errichtet. Dies geht aus einer Kirchenrechnung der Stadt Norden hervor, wonach dem Norder Kirchenvogt von einer Ziegelei aus Berum 5000 Ziegel zur Verfügung standen, von denen 500 zur Reparatur oder zum Ausbau des bereits vorhandenen Kirchenbaus verwendet werden sollten.[1] Dabei handelte es sich um eine Rechteck-Einraumkirche mit einem rund 50 Quadratmeter großen Innenraum. Der Kirchenbau bildete zusammen mit dem alten Kirchhof, der als Friedhof genutzt wurde, den Mittelpunkt des Ortes. Im Gebäude wurden die Gottesdienste geführt, es konnte aber auch als Unterschlupf bei Gefahren wie etwa Sturmfluten oder durch Angriffe von Seeräubern benutzt werden. Dieses Gebäude wurde im Jahr 1750/51 um einen weiteren Anbau erweitert und bot somit rund 200 Personen einen Platz. Bis in das Jahr 1843 hing eine Glocke in einem neben der Kirche aufgestellten hölzernen Gerüst. Später wurde sie im Turm auf dem Westteil der Kirche untergebracht. 1851 wurde vom Kronprinzenpaar des hannoverschen Königshauses die Marienglocke gestiftet.

Im Jahr 1878 wurde entschieden die aufgrund der hohen Zahl an Kurgästen zu klein gewordene alte Kirche abzureißen und sie durch ein größeres Gebäude an der gleichen Stelle zu ersetzen. Man entschied sich für einen Backsteinbau im neugotischen Stil mit polygonalem Chor.[2] Der Dachstuhl ist teilweise offen und lässt die Holzkonstruktion erkennen.[3] An drei Seiten des Innenraumes gibt es Emporen, daneben eine Kanzel, ein Taufbecken und eine Altarretabel.[2] Die Baukosten in Höhe von 88.000 Mark wurden durch eine Schenkung des Kaisers Wilhelms I. getragen. Baumeister war Ernst Schumacher aus Leer, nach dessen Plänen auch die Leuchttürme auf Borkum und Norderney erbaut wurden. Baubeginn der Inselkirche war der 22. März 1878. Eingeweiht wurde die neue Kirche am 11. Juni 1879, dem Tag der goldenen Hochzeit des deutschen Kaiserpaares Wilhelm I. und Augusta, als neue Evangelische Inselkirche an der Kirchstraße. Eine Gedenktafel, die an dieses Datum erinnert, ist an der Empore auf der nördlichen Seite angebracht. Zur Einweihung der Kirche stiftete die Norderneyer Gemeinde die Lutherglocke. Diese wurde im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Die 1926 gestiftete zweite Lutherglocke wurde im Zweiten Weltkrieg zusammen mit der Marienglocke eingeschmolzen. Nach dem Krieg wurde im Jahr 1951 eine Glocke aus der Gemeinde Eisenberg in Ostpreußen eingesetzt. Am 10. März 1953 sowie am ersten Advent 1975 folgten zwei weitere Glocken.

Seit 1883 steht an der Kirchstraße das Lutherdenkmal.

Neuzeit

Das Kirchenschiff bietet in seiner heutigen Form rund 600 Personen Platz; es ist 21,5 Meter lang und 13,5 Meter breit und hat eine Innenhöhe von 12 Metern. Im Innern der Kirche verläuft ein Emporengang, an dem auf der Ostseite die Orgel montiert ist. Die Höhe des Kirchturms beträgt 25 Meter, in ihm befinden sich seit 1975 drei Glocken.

Geschichte der Orgeln

Rohlfs-Orgel

Eine erste Orgel befand sich noch im Vorgängerbau der heutigen Inselkirche. Dabei handelte es sich um eine 1842 fertig gestellte Orgel von Arnold Rohlfs aus Siegelsum bei Esens. Nach dem Abriss der alten Kirche wurde die Orgel noch in der Herrenhuter Kapelle am Marktschulplatz in Norden weiter genutzt, bis die Kapelle im Jahr 1970 abgerissen wurde. Wie in der alten Norderneyer Inselkirche ist die Orgel dort an der Brüstung einer Empore angebracht und mit einem seitlichen Spieltisch versehen.

Die erste Orgel aus dem Jahr 1841/42 weist folgende Disposition auf einem Manual mit angehängtem Pedal auf:

Manual
1. Principal 4′
2. Gedackt 8′
3. Flöte 4′
4. Octave 2′
5. Zimbel II 1′
6. Trompete 8′

Dinse-Orgel

Zur Einweihung der neuen Inselkirche im Jahr 1879 wurde auch eine neue Orgel der Berliner Firma Dinse eingeweiht. Zunächst wurde sie mit einem Tretblasebalg aus Leder angetrieben, später elektrisch. In den Jahren 1908 und 1909 vereinte die Firma Furtwängler & Hammer aus Hannover die beiden vorhandenen Manualwerke zu einem Hauptwerk, wodurch ein neues Oberwerk als Schwellwerk entstand.

I Hauptwerk
01. Principal 8′
02. Bourdun 16′
03. Viola die Gamba 8′
04. Rohrflöte 8′
05. Oktave 4′
06. Quinte 22/3
07. Oktave 2′
08. Mixtur I–III
09. Dolce 8′
10. Gedact 8′
11. Flauto dolce 4′
II Schwellwerk
1. Geigenprinzipal 8′
2. Harmonieflöte 8′
3. Salicional 8′
4. Aoline 8′
Pedal
1. Gedecktbaß 16′
2. Subbaß 16′
3. Violin 8′

Koppeln: Oberoktavkoppel II, Unteroktavkoppel II, I/P, II/P

Eule-Orgel

Ein im Jahr 1964 angefertigtes Gutachten besagte, dass diese erste Orgel aufgrund ihres Klangs und des allgemeinen Zustandes, bedingt durch Zerstörung durch den Holzwurm, nicht erhaltungswürdig sei. Die Firma Eule aus Bautzen baute eine neue Orgel, die am 6. Dezember 1970 eingeweiht wurde. Die 24 Register waren auf zwei Manuale und ein selbstständiges Pedal verteilt.

I Hauptwerk C–g3
1. Ged. Pommer 16′
2. Prinzipal 8′
3. Rohrflöte 8′
4. Oktave 4′
5. Spitzflöte 8′
6. Nasat 22/3
7. Flachflöte 8′
8. Mixtur IV–VI
9. Trompete 8′
II Brustwerk C–g3
1. Holzgedackt 8′
2. Flöte 4′
3. Prinzipal 2′
4. Sifflöte 11/3
5. Sesquialter II
6. Scharf IV
7. Krummhorn 8′
Tremolo
Pedal C–f1
1. Subbaß 16′
2. Prinzipal 8′
3. Gedackt 8′
4. Oktave 4′
5. Nachthorn 2′
6. Mixtur III
7. Posaune 16′
8. Clarine 8′
  • 2 Zimbelsterne (in F-Dur und G-Dur)
  • Koppeln: II/I, I/P, II/P

Kirschner-Orgel

Evangelische Inselkirche (Norderney)
Norderney Orgel.jpg
Allgemeines
Ort Evangelische Inselkirche (Norderney)
Orgelerbauer Harm Dieder Kirschner
Baujahr 2008
Epoche 21. Jahrhundert
Orgellandschaft Ostfriesland
Tontraktur Mechanisch
Registertraktur Mechanisch/elektrisch

Aufgrund von in den Jahren 1995 und 1996 aufgetretenen Trockenheitsschäden und durch Verschmutzung nach Bauarbeiten wurde die Orgel gereinigt. Dabei wurde 2003 festgestellt, dass sich der zur Befestigung der Holzpfeifen angebrachte Leim aufgrund zu trockener Umgebungsluft während der Heizperiode gelöst hatte und die Orgel somit verstimmt war. Zudem war das verwendete minderwertige Material der Verbindungsschläuche aus der DDR-Zeit brüchig und porös geworden. Am 23. Mai 2008 wurde die durch Spendengelder finanzierte neue Orgel der Kirche feierlich eingeweiht. Sie wurde von Harm Dieder Kirschner aus Weener erbaut, verfügt über 30 Register auf drei Manualen und Pedal und weist eine romantische Disposition auf.[4]

I Hauptwerk C–a3
01. Principal 8′[Anm. 1]
02. Bourdon 16′
03. Viola de Gamba 8′
04. Gedackt 8′
05. Rohrflöte 8′
06. Octav 4′
07. Gedackt 4′[Anm. 2]
08. Nasat 22/3
9a. Octav 2′[Anm. 3]
9b. Mixtur IV 2′
10. Trompete 8′
II Cornettwerk f–a3[Anm. 4]
11. Cornett V 8′[Anm. 2]
III Schwellwerk C–a3
01. Quintaltön 16′[Anm. 2]
02. Geigenprincipal 8′[Anm. 5]
03. Unda maris 8′
04. Liebl. Gedackt 8′
05. Salicional 8′
06. Octav 4′
07. Flauto traverso 8′
08. Harmonia IV
09. Waldflöte 2′[Anm. 6]
10. Harmonietrompete 8′[Anm. 7]
11. Clarinette 8′[Anm. 8]
Pedal C–f1
1. Violin 16′
2. Subbaß 16′
3. Principal 8′[Anm. 9]
4. Violoncello 8′
5. Bordun 8′
6. Octav 4′[Anm. 2]
7. Posaune 16′
8. Trompete 8′[Anm. 10]
  • Tremolo für Hauptwerk und Kornettwerk
  • 2 Zimbelsterne
  • Mechanische Spiel- und Registertraktur mit Schleifladen
  • Koppeln: Koppelmanual an I, II oder III, III/I, I/II, I/III, I/P, III/P
Anmerkungen
  1. Prospekt, ab c1 doppelt
  2. a b c d Eule
  3. aus Mixtur
  4. an Hauptwerk oder Koppelmanual anzukoppeln, aufgebänkt hinter dem Prospekt
  5. Eule, C–H neu
  6. C–h Eule, Rest neu
  7. Eule, 12 Becher neu, doppelte Länge
  8. durchschlagend
  9. Prospekt
  10. vormals Clarine 4′, 2009 umdisponiert

Siehe auch

Literatur

  • Manfred Bätje; Stadt Norderney (Hrsg.): Kurze Geschichte des Kirchenbaus auf Norderney 1564–1892. (PDF-Dokument; 12,3 MB).
  • Kirchenvorstand der ev.-luth. Kirchengemeinde Norderney (Hrsg.): Die Chronik der ev.-luth. Inselkirche zu Norderney. (PDF-Dokument; 8,4 MB).
  • Kirchenvorstand der ev.-luth. Kirchengemeinde Norderney (Hrsg.): Die Kirschner-Orgel. Festschrift zur Einweihung am 23. Mai 2008 in der ev.-luth. Inselkirche zu Norderney. Norderney 2008 (PDF-Dokument; 47,7 MB).

Weblinks

 Commons: Inselkirche (Norderney) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Walter Zahner: St. Ludgerus und Stella Maris Norderney. 1 Auflage. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2009, ISBN 978-3-89870-567-7, S. 3.
  2. a b Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bremen und Niedersachsen, Deutscher Kunstverlag, Berlin 1977, S. 692.
  3. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3, S. 370.
  4. Die neue Orgel. Förderverein Kirchenmusik Norderney e.V.. Abgerufen am 4. Oktober 2010.
53.7062617.142599

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