Carl Linga

Carl Linga

Carl Linga (* 20. April 1877 in Altona; † 20. Oktober 1963 in Cuernavaca; auch Carlos Linga) war ein deutsch-mexikanischer Zuckergroßhändler und Büchersammler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Carl Linga wurde am 20. April 1877 als Sohn eines Zigarettenfabrik-Arbeiters in Altona geboren. Bis 1894 besuchte er die Volks- und Realschule in Ottensen, u. a. zusammen mit dem späteren Bürgermeister Max Brauer. Er macht eine Kaufmannslehre bei der Firma Wöhler, Bartning Sucesores (WB). In den Jahren 1894 bis 1904 siedelte Linga als Vertreter für WB nach Mazatlán (Mexiko). Seit 1897 verband ihn eine enge Freundschaft mit dem späteren Revolutionsgeneral und mexikanischen Präsidenten Álvaro Obregón. In seinem erfolgreichen und wechselvollen Geschäftsleben war Carl Linga vor allem im Zuckerhandel und als Reeder tätig. Er arbeitete als Vertreter von Firmen und Banken und war Inhaber verschiedener Handelsunternehmen.

Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs kamen Lingas Geschäfte zum Erliegen. Er nutzte diese Zeit für die intensive Beschäftigung mit mexikanischer Geschichte und Mesoamerikanistik. Gleichzeitig begann er, kolonialgeschichtliche Werke zu sammeln. Das bibliophile Interesse Lingas belegen auch seine zahlreichen systematischen antiquarischen Bücherkäufe auf seinen Europareisen nach 1918.

1927 heiratete Carl Linga Bertha Probst (* 13. März 1891 im Allgäu, † 26. Oktober 1982 in Hamburg). Ab 1931 verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Mexiko-Stadt. Dort verfolgte er seine ethnohistorischen und bibliophilen Interessen weiter und engagierte sich in zwei deutsch-mexikanischen Kulturgesellschaften. Ab 1950 Linga betätigte sich Linga zunehmend auch als wirtschaftlicher Mittler zwischen Mexiko und Deutschland. Dabei bahnte er die Überführung seiner mittlerweile sehr umfangreichen Bibliothek in seine Geburtsstadt Hamburg an. Hier wurde am 12. Oktober 1957 im Ibero-Amerika Haus die Linga-Bibliothek eröffnet. Ab 1957 reisten die Lingas jeden Sommer nach Hamburg, um den Bücherbestand auszubauen und Kontakte zu deutschen Lateinamerikanisten zu pflegen. Für seine überragenden Wissenschaftsförderung auf dem Gebiet der Mesoamerikanistik und des Austausches zwischen Deutschland und Mexiko erhielt Linga am 14. Februar 1958 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Carl Linga starb am 22. Oktober 1963 in Cuernavaca. Das Grab von Carl und Bertha Linga befindet sich auf dem Münchener Nordfriedhof.

Ein Zuckerbaron in Mexiko

Als Carl Linga 1927 im Alter von 50 Jahren Bertha Probst heiratete, blickte er bereits auf ein sehr erfolgreiches Geschäftsleben zurück. Sein Weg hatte den regen Altonaer schon mit 17 Jahren nach Mexiko geführt. Dort arbeitete er zunächst als Vertreter seines ehemaligen Lehrherrn Wöhler, Bartning Sucesores in Mazatlán, bevor er sich 1904 selbstständig machte. Er konnte sich vor allem im Zucker- und Reedereigeschäft etablieren und ein beträchtliches Vermögen zusammentragen, obwohl ihm während der beiden Weltkriege als Deutschem jegliche wirtschaftliche Aktivität in Mexiko untersagt war. Von 1904 bis 1939 prägte Linga maßgeblich den mexikanischen Zuckerhandel – zunächst im Norden und später auf nationaler Ebene als Geschäftsführer verschiedener Zuckerkartelle. Zeitweise stieg er selbst als Produzent in das Zuckergeschäft ein.

Parallel dazu war er ab 1902 immer wieder als lokaler Vertreter und Berater für Firmen und Banken tätig. Seit 1907 setzte er sich zudem für die Gründung verschiedener Handelsdachverbände ein. Die Überschussproduktion an Zuckeralkohol hatte Linga schon 1906 auf seine erste Geschäftsidee gebracht: Er importierte alkoholbetriebene Lampen, die er über seine Firma „Agnil“ in Mexiko-Stadt verkaufte. Diesem Projekt folgten zahlreiche weitere. Unter anderem handelte er in Nordmexiko mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die zum Teil aus eigener Produktion stammten. Ein herausragendes, wenn auch durch die Nachwirkungen der Handelsblockade im Ersten Weltkrieg zum Scheitern verurteiltes Unternehmen war der Einstieg ins Reedereigeschäft. Zwischen 1913 und 1919 baute Linga eine Flotte von acht Schiffen auf und gründete drei Niederlassungen in den USA. Um 1920 erwarb er die Dampflok „Lolita“, um Zuckerüberschüsse zwischen dem Norden Mexikos und den USA zu transportieren.

Kulturvermittler zwischen den Mexiko und Deutschland

Carlos Lingas Interesse an der Vermittlung kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen Mexiko und Deutschland reichte bis in die zwanziger Jahre zurück, als er begann, sich im gesellschaftlichen Leben der Deutschen Kolonie zu engagieren. Seine kulturellen Aktivitäten waren stark von Alexander von Humboldt inspiriert, den er sehr bewunderte. 1934 gründete er die Deutsch-Mexikanische Humboldt-Gesellschaft. Diese erwarb nach langen Verhandlungen ein Haus in der ehemaligen Silberminenstadt Taxco, in dem sich Humboldt auf seiner Lateinamerikareise aufgehalten hatte. Das Humboldt-Haus wurde zu einem Begegnungszentrum für den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen Deutschen und Mexikanern.

Im selben Jahr belebte Linga auch die Sociedad Alemana Mexicanista wieder. Beide Gesellschaften gingen 1955 im neu gegründeten Instituto Cultural Mexicano-Alemán „Alexander von Humboldt” auf. Als wirtschaftlicher Mittler trat Linga erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf. 1950 war er als Mitinitiator an der Aufhebung der Handelsbeschränkungen für deutsche Firmen beteiligt. Dies führte im Jahr 1954 zur Gründung der heutigen Deutsch-Mexikanischen Handelskammer und zur Organisation der ersten deutschen Industrieausstellung. Er beriet Journalisten und Regierungsvertreter beider Länder. Die Umbenennung des Berliner Zehlendorfer Platzes in Mexiko-Platz ging maßgeblich auf Carlos Linga zurück. Für seine Verdienste um die Wiederherstellung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Mexiko und Deutschland wurde ihm 1958 das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Carlos Linga und die Mesoamerikanistik

Auf seinen Geschäftsreisen durch Nordmexiko war Carlos Linga beeindruckt von indianischen Orten, in denen die Erinnerung an die Jesuitenmission während der Kolonialzeit noch lebendig war. Er begann, sich für die Geschichte und Ethnologie Mexikos zu begeistern und nutzte die Zeit seiner erzwungenen wirtschaftlichen Untätigkeit während des Ersten Weltkriegs, um dieses Interesse weiter zu verfolgen. Ab 1918 wurde er Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Vereinigungen in Mexiko-Stadt. Dabei lernte er unter anderem die Mesoamerikanisten Hermann Beyer und Alfonso Caso kennen. Der akademische Austausch bestärkte ihn darin, auf seinen häufigen Europareisen und in Mexiko antiquarische Bücher über die Kolonialzeit und die Jesuitenmission zu sammeln.

Von 1934 bis 1939 war Carlos Linga Präsident der 1919 gegründeten Sociedad Alemana Mexicanista. Er trug dazu bei, dass sich die von der Gesellschaft herausgegebene Zeitschrift „México Antiguo“ zum international anerkannten Organ der noch jungen Mesoamerikanistik entwickelte. In eigenen Vorträgen und Veröffentlichungen beschäftigte er sich mit den Biografien des ersten deutschen Mesoamerikanisten Eduard Seler und seines Schülers Beyer. Er untersuchte ferner zeitgenössische Formen des mesoamerikanischen Ballspiels, das Entwässerungssystem im Hochtal von Mexiko, den Buchdruck in der frühen Kolonialzeit und Reiseberichte aus dem 19. Jahrhundert. In Mexiko lernte das Ehepaar Linga auch Franz Termer kennen, der von 1935 bis 1962 Direktor des Museums für Völkerkunde und Ethnologie-Professor in Hamburg war. Termer bewertete Lingas Büchersammlung als „die gegenwärtig vollständigste, wertvollste México-Bibliothek in deutschem Besitz“. Er unterstützte nachdrücklich Lingas heranreifende Pläne, die Sammlung nach Hamburg zu überführen. Als während des Zweiten Weltkriegs ein US-Amerikaner seine Kollektion erwerben wollte, lehnte Don Carlos trotz wirtschaftlich schwieriger Umstände ab. Die Zukunft seiner Spezialbücherei sah er in seinem Herkunftsland; er wollte den Deutschen einen Einblick in die „faszinierende Welt Mittel- und Südamerikas“ ermöglichen.

Die Linga-Bibliothek

Mitte der fünfziger Jahre verhandelte Linga mit verschiedenen Städten und entschied sich dann für seine Heimatstadt als Standort der Bibliothek. So konnten einige Wochen später nach Abwicklung zahlreicher Formalitäten die 75 lange erwarteten Kisten im Hamburger Hafen in Empfang genommen und zunächst in der Staatsbibliothek deponiert werden. Im September 1956 übergab Carlos Linga seine Büchersammlung der Stadt Hamburg, die dafür Räumlichkeiten im Ibero-Amerika Haus am Alsterglacis zur Verfügung stellte. Hier fand am 12. Oktober 1957 die feierliche Eröffnung der Linga-Bibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg statt. Hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur nahmen am Festakt und am „Herrenabend“ im Hotel Atlantic teil. Aus Bonn reisten Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard und der mexikanische Botschafter Alfonso Guerra an. Auch die Hamburger Bürgermeister Kurt Sieveking und Paul Nevermann waren zugegen. Der „Grundstock einer echten ibero-amerikanischen Bibliothek“ – so Carlos Linga in seiner Rede – war gelegt.

Am 12.Oktober 1957 wurde in der ehemaligen Villa Berenberg-Gossler auch das Ibero-Amerika Haus eingeweiht, das neben der neu gegründeten Bibliothek den wirtschaftlich ausgerichteten Ibero-Amerika Verein und die Deutsche Ibero-Amerika Stiftung beherbergte. Das Ibero-Amerikanische Forschungsinstitut an der Universität Hamburg und das 1962 gegründete Institut für Iberoamerika-Kunde ergänzten das Profil um die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung. Somit stellte das Haus nicht nur ein interdisziplinäres Zentrum dar, sondern bot ein gemeinsames Dach zur Pflege geschäftlicher, kultureller und akademischer Austauschbeziehungen zwischen Hamburg und Lateinamerika. Zu seinen prominentesten Besuchern zählten Bundespräsident Heinrich Lübke und der mexikanische Präsident Miguel Alemán. Diese Vielschichtigkeit der Verbindungen zu Lateinamerika spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des Vorstandes der Linga-Stiftung in der Freien und Hansestadt Hamburg wider. Die Stiftung war 1967 von Bertha Probst de Linga gegründet worden. Ihre Erträge sollten dazu dienen, den Grundstock der Büchersammlung zu erweitern und zu erforschen. Der Vorstandsvorsitzende der Linga-Stiftung ist in der Regel der jeweilige Direktor der Staatsbibliothek Hamburg, aktuell Gabriele Beger. Seit Gründung der Stiftung hatten Hellmut Braun, Horst Gronemeyer und Peter Rau dieses Amt inne. Neben den Vertretern der Bibliothek waren in den vergangenen Jahrzehnten sowohl Kaufleute und Vertreter aus dem Ibero-Amerika Haus als auch Wissenschaftler aus der Universität und dem Museum für Völkerkunde Hamburg Mitglieder des Vorstandes. Gegenwärtig verschiebt sich das Profil des Gremiums zugunsten des im Jahr 1999 an der Universität gegründeten Lateinamerika-Zentrums. Es bündelt die verschiedenen Disziplinen, die sich in Hamburg in Forschung und Lehre mit dieser Region beschäftigen.

Weiterführende Literatur

  • Uta Ahmed: Linga-Bibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg. In: Paul Raabe (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Band 1, Hildesheim u. a. 1996, S. 252–255.
  • Wiebke von Deylen: Linga, Carlos R. In: Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biographie. Personenlexikon. Band 3, Göttingen 2006, S. 228–229.
  • Francisco Morales Padrón: El Instituto de Estudios Iberoamericanos y la Biblioteca Linga de Hamburgo. In: Historiografía y Bibliografía Americanistas (Sevilla). Band XVIII, No. 1, 1974, S. 79–88.

Weblinks


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