- Frank Böckelmann
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Frank Böckelmann (* 25. Juli 1941 in Dresden) war in den 1960ern in linker Aktivist in München, ist ein deutscher Autor, Medien- und Kulturwissenschaftler und lebt wieder in Dresden.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Aufgewachsen in Stuttgart, lebte Böckelmann seit 1960 in München. Hier gründete er anfangs Literaturzeitschriften (darunter „Ludus“ - mit Uwe Lausen - und „Texturen“), studierte Philosophie und Kommunikationswissenschaft, assistierte Arnold Metzger und beteiligte sich ab 1963 an der Subversiven Aktion, zusammen mit Dieter Kunzelmann, Herbert Nagel, Rodolphe Gasché, Rudi Dutschke und Bernd Rabehl. 1966 initiierte Böckelmann die „Studiengruppe für Sozialtheorie“ und war Wortführer der „antiautoritären Fraktion“ im Münchner SDS. Wegen Landfriedensbruchs, schweren Aufruhrs und Gefangenenbefreiung wurde er zu Gefängnisstrafen auf Bewährung verurteilt. Im Sommer 1968 zog er sich aus dem SDS und wenige Jahre später aus der Neuen Linken zurück. Er verfasste neben seiner Dissertation („Die Problematik existentieller Freiheit bei Karl Jaspers“, 1972) weitere Schriften über den Freiheitsbegriff in der Gegenwartsphilosophie. Ende der 1960er Jahre begann Böckelmann, über Alltagsphänomene, Geschlechterrollen und Probleme der Massenkommunikation zu schreiben. Von 1969 bis 1972 verfasste er Reportagen und Zeitdiagnosen für „Twen" und "Stern".
Ab 1976 war er in der freien Medienforschung tätig. Drei Jahrzehnte lang wirkte er als Projektleiter in der Arbeitsgruppe Kommunikationsforschung München und untersuchte für öffentliche Auftraggeber u.a. das italienische Privatfernsehen, familiäre Fernsehroutinen, die Verflechtungen zwischen Zeitungsverlagen und Privatsendern sowie die wirtschaftliche Entwicklung im privaten Rundfunk. Davon profitierte schließlich das 2004 gemeinsam mit Hersch Fischler verfasste Buch „Bertelsmann. Hinter der Fassade eines Medienimperiums“.
Gemeinsam mit Dietmar Kamper († 2001) und Walter Seitter gibt Böckelmann seit 1979 Reihe „Tumult– Schriften zur Verkehrswissenschaft“ heraus[1], eine Kulturzeitschrift, die „auf intellektuell anspruchsvollste Weise [...] Gegenstände, deren Aktualität oft erst auf den zweiten Blick einleuchtete“[2] in Themenheften behandelt.
Positionen
In Böckelmanns Argumentation begegnen Denkmotive aus dem Linkshegelianismus, von Heidegger, Carl Schmitt und insbesondere von Jean Baudrillard und Paul Virilio, die auch in „Tumult“ publizierten. Allgemeine Anerkennung hat er sich vor allem als Stilist erworben, der seine Theorien sorgsam anhand von Alltagsphänomenen entwickelt.
Böckelmanns Bücher und Aufsätze, die ein breites Themenspektrum behandeln, protokollieren nicht zuletzt die Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik. Aus dem Zentrum der studentischen Fundamentalopposition kommend, für die Adornos und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ die „eigentliche Grundlegungsschrift“ darstellte[3], nehmen sie zusehends eine Außenseiterposition ein. Von einer gesellschaftsdiagnostischen Zentralthese spricht der Buchtitel: „Die Emanzipation ins Leere“. Sie kreist um die Verselbständigung von Mitteln und Apparaten: Früher „wertete ich [...] die Auflösung konstituierender Bedingungen letztlich als entscheidende und irreversible Schwächung des Gewordenen und Bedingten (Beispiele: Familie als Überlebens- und Konsumeinheit, Strafvollzug per Isolierung, Wettrüsten der Supermächte, Leistungsprinzip, Arbeitsnormen, Individual-Kraftverkehr, ökonomische und soziale Individualkonkurrenz, Legitimation durch ‚Gebrauchswerte‘). [...] Eben jenen Strukturen, Gestalten und Abläufen, denen weder Zwangsläufigkeit noch Sinn zu beschaffen ist, bleibt nichts anderes übrig, als präzise nachmodelliert wiederzukehren.“
Böckelmanns Positionen lassen sich heute keiner politischen Richtung zuordnen. In diesem Sinn leistet Böckelmann als soziologischer Essayist seinen Teil zur Aufklärung: nicht als Aufklärer über das Objekt, sondern über die Illusion des Begreifens und Machens. Seine Schriften - zuletzt "Risiko also bin ich" sind selbstbewusst bis 'positiv' arrogant gehalten, bringen komplizierte, empirisch belegte Sachverhalte in einem Halbsatz bündig auf einen Nenner ("Dass Akupunktur erstaunlich oft wirkt, auch wenn der Arzt nur einfach irgendwo sticht")[4] und zeugen von hervorragendem Universalwissen.
Werke (Auswahl)
- Die Schriften zu J.G. Fichtes Atheismus-Streit (Hrsg.), München 1969.
- Befreiung des Alltags. Modelle eines Zusammenlebens ohne Leistungsdruck, Frustration und Angst, München 1970.
- Die schlechte Aufhebung der autoritären Persönlichkeit, Frankfurt am Main 1971. Neuauflage Freiburg 1987.
- Maskulin – Feminin. Die Sexualität ist das Unnatürlichste von der Welt (mit Anita Albus, Bazon Brock, Peter Gorsen, Hazel Rosenstrauch und Rita Mühlbauer), München 1972. 2. Auflage 1975.
- Über Marx und Adorno. Schwierigkeiten der spätmarxistischen Theorie, Frankfurt am Main 1972. Erweiterte Neuauflage, Freiburg 1998.
- Knast-Report (mit Reinhard Wetter), Frankfurt am Main 1972.
- Die Problematik existentieller Freiheit bei Karl Jaspers (Diss.), München 1972.
- Theorie der Massenkommunikation. Das System hergestellter Öffentlichkeit, Wirkungsforschung und gesellschaftliche Kommunikationsverhältnisse, Frankfurt am Main 1975.
- Subversive Aktion. Der Sinn der Organisation ist ihr Scheitern (mit Herbert Nagel), Frankfurt am Main 1976. Erweiterte Neuauflage 2002.
- heidenheim. ein heimat-gedicht. Mit einem Frontispiz von Joseph Beuys, Berlin 1979.
- Staatliche Öffentlichkeitsarbeit im Wandel der politischen Kommunikation (mit Günter Nahr), Berlin 1979.
- Italien – Selbstregulierung eines „freien“ Rundfunkmarktes, Berlin 1984.
- Das Katastrophen-Album (mit Dietrich Leube), Nördlingen 1985.
- Journalismus als Beruf, Konstanz 1993.
- Wirtschaftliche Verflechtungen und Konkurrenz der Medien in Bayern, München 1993, 2001 und 2006.
- Journalismus in den neuen Ländern. Ein Berufsstand zwischen Aufbruch und Abwicklung (mit Claudia Mast und Beate Schneider), Konstanz 1994.
- Ins Kino. München 1994.
- Wem gehört der private Rundfunk? (mit Kurt Hesse), Konstanz 1996.
- Begriffe versenken. Belastungsproben und Liquidationen in drei Jahrzehnten. Bodenheim 1997. Zweite, veränderte Auflage unter dem Titel: Die Emanzipation ins Leere. Beiträge zur Gesinnungsgeschichte 1960-2000, Berlin 2000.
- Die Gelben, die Schwarzen, die Weißen. Frankfurt am Main 1998. 2. Auflage 1999 (ausgezeichnet mit dem Sonderpreis „Das politische Buch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung[5]).
- Deutsche Einfalt. Betrachtungen über ein unbekanntes Land, München 1999.
- Wem gehören die Zeitungen? Konstanz 2001.
- Bertelsmann. Hinter der Fassade des Medienimperiums. (mit Hersch Fischler), Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-8218-5551-7.
- Hörfunk in Deutschland, Berlin 2006.
- Die Welt als Ort. Erkundungen im entgrenzten Dasein, Wien/Berlin 2007.
- Risiko, also bin ich. Von Lust und Last des selbstbestimmten Lebens. Verlag Galiani, Berlin 2011 ISBN 978-3-86971-034-1
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Alpheus Verlag: Tumult – Ausgaben. Abgerufen am 24. Dezember 2009.
- ↑ Lorenz Jäger: Mag ich ein Unding sein. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. Dezember 2008.
- ↑ Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung – Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail. Bd. III. Rogner & Bernhard, Hamburg 1998. ISBN 3807703489
- ↑ in: Risiko, also bin ich - Naturheilkunde, S. 148)
- ↑ Kurt-Schumacher-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung: Preis „Das Politische Buch“ – Sonderpreis 1999.
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