Gero Hilliger

Gero Hilliger

Gero Hilliger (* 30. Dezember 1943 in Straßberg als Gernot Hilliger) ist ein deutscher Zeichner und Karikaturist, der von 1977 bis Ende 1989 als Agent unter dem Decknamen „IMB Brunnen“ für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR arbeitete.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Schulbesuch absolvierte Gernot Hilliger von 1960 bis 1962 eine Ausbildung zum Chemie-Laboranten. 1963 wurde er zum Wehrdienst in die Nationale Volksarmee eingezogen. Am 1. Juli 1964 desertierte er und wurde festgenommen. Im November 1964 wurde Hilliger durch ein Militärgericht wegen Fahnenflucht zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Kurz nach seiner Verurteilung floh er aus der Haft, um sich in die Bundesrepublik Deutschland abzusetzen, wurde jedoch nach wenigen Tagen erneut festgenommen. Diesmal wurde Hilliger in eine Untersuchungshaftanstalt des MfS eingewiesen. Von dort aus versuchte er einen Kassiber an die CIA nach West-Berlin zu schmuggeln. Der Versuch wurde entdeckt. Im Juni 1965 wurde Hilliger von einem DDR-Militärgericht wegen Spionage in Tateinheit mit versuchtem ungenehmigten Verlassen der DDR zu weiteren drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.

Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung im Oktober 1968 ließ sich Hilliger in Ost-Berlin nieder, wo er seit 1969 als freiberuflicher Graphiker tätig war. Nachdem Hilliger bereits am 6. April 1964 erstmals unter dem Decknamen „Wiesel“ als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Hauptabteilung I des MfS geworben und schriftlich verpflichtet worden war, trat 1969 erneut das MfS an ihn heran, um ihn als Inoffizieller Mitarbeiter zu gewinnen. Hilliger wurde am 29. Dezember 1969 von der Kreisdirektion Berlin-Köpenick des MfS, Abteilung XX, unter dem Decknamen „Graf“ verpflichtet, um „negative Künstlerkreise“ in Ost-Berlin für den Staatssicherheitsdienst „aufzuklären“. Diese Tätigkeit endete jedoch bereits nach einigen Monaten, da Hilliger in der DDR nicht die von ihm geforderte Rehabilitierung für die nach seiner Ansicht zu Unrecht erlittene Haftstrafe erhielt.

Im Mai 1973 stellte Hilliger einen Übersiedlungsantrag nach West-Berlin, den die DDR-Behörden im Frühjahr 1974 bewilligten. Seitdem lebt Hilliger in West-Berlin, wo er unter dem Künstlernamen Gero Hilliger als Schnellzeichner arbeitet. Im Frühjahr 1977 wurde Hilliger erneut vom Ministerium für Staatssicherheit, Kreisdienststelle Fürstenwalde, angeworben und war bis Ende 1989 gegen Bezahlung Agent des MfS in West-Berlin. Seine Quittungen unterschrieb er stets als „Dantes“. Er berichtete unter anderem über die Junge Union, die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte und Fluchthelferorganisationen. Seinen damaligen Freund, dem einstigen CDU-Nachwuchspolitiker und heutigen CDU-Generalsekretär in Brandenburg Dieter Dombrowski hatte Hilliger jahrelang an das MfS verraten und dabei neben sensiblen Interna der Berliner CDU auch über private und intime Details berichtet.[1]

Im März 1981 demontierte und entwendete er das im West-Berliner Bezirk Frohnau aufgestellte Gedenkkreuz für Marienetta Jirkowsky. Die damals 18-jährige Frau war am 22. November 1980 bei einem Fluchtversuch an der Berliner Mauer erschossen worden.[2] Hilliger brachte das Gedenkkreuz heimlich nach Ost-Berlin, wo er es seinem MfS-Führungsoffizier übergab.[3]

Seine Arbeit wurde in der DDR sehr geschätzt und mehrfach mit der Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee ausgezeichnet. Für seine Agententätigkeit erhielt Hilliger seitens des MfS regelmäßig finanzielle Zuwendungen, allein im zweiten Halbjahr 1989 betrug die Entlohnung 5.500,00 DM.[2]

Im Jahr 1993 wurde Gero Hilliger als Schnellzeichner erstmalig in das Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen, nachdem er in nur 9,4 Sekunden das Porträt einer ihm unbekannten Person gezeichnet hatte.[4]

Im Sommer 1994 wurde erstmals bekannt, dass Hilliger für das MfS gearbeitet hat. Hilliger wurde daraufhin am 9. Dezember 1996 vom Hilfsstrafsenat 1a des Kammergerichtes Berlin wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung verurteilt. Der volle Umfang seiner geheimdienstlichen Aktivitäten im Auftrag des MfS, die er in West-Berlin als angeblicher Anti-DDR-Aktivist tarnte, wurde erst im Sommer 2010 bekannt.

Auszeichnungen

  • Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in Bronze, 8. Februar 1980
  • Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in Silber, 8. Februar 1982
  • Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in Bronze, 7. Oktober 1983
  • Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in Gold, 8. Februar 1985
  • Weltrekord im Porträt-Schnellzeichnen (1993)

Literatur

  • Lutz-Peter Naumann: Papier ist geduldig: Berlins Weltmeister der Cartoonisten Top-Agent der Stasi? In: Berliner Morgenpost. 21. August 1994.
  • Jörg Abromeit: Schnellzeichner Gero: Ein Williger der Stasi. In: SUPERillu. Nr. 32, 5. August 2010, S. 22-24.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Stefan Appelius: Doppeltes Spiel des schnelles Zeichners, einestages, 8. September 2010
  2. a b Sven Felix Kellerhoff: Wie die Stasi in Westdeutschland aktiv war, Die Welt, 7. August 2010, abgerufen am 11. Dezember 2010
  3. Vgl. Sachstandsbericht zu den Feindaktionen im Zusammenhang mit dem Grenzdurchbruch nach Westberlin durch [Namen geschwärzt], 3. April 1981, in: BStU, MfS, Sekr. Neiber Nr. 263, Bl.11-13
  4. Das neue Guinness-Buch der Rekorde, Ausgabe 1993, Seite 344

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hilliger — ist der Familienname folgender Personen: einer Familie von Glockengießern in Sachsen: Hilliger (Glockengießer) Gero Hilliger (* 1943 als Gernot Hilliger), deutscher Zeichner Johann Wilhelm Hilliger (1643−1705), deutscher evangelischer Theologe… …   Deutsch Wikipedia

  • Dieter Dombrowski — (* 23. Juni 1951 in Ost Berlin) ist ein deutscher Politiker (CDU). Er ist Landtagsabgeordneter in Brandenburg und Generalsekretär der CDU Brandenburg. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Beruf 2 Politik …   Deutsch Wikipedia

  • Marienetta Jirkowsky — (* 25. August 1962 in Bad Saarow; † 22. November 1980 in Hennigsdorf) war ein Todesopfer an der Berliner Mauer. Sie wurde bei einem Fluchtversuch an der Berliner Mauer zwischen Hohen Neuendorf und Berlin Frohnau durch Grenztruppen der DDR… …   Deutsch Wikipedia

  • Lutz-Peter Naumann — (* 10. Juli 1944 in Papitz; † 5. November 1996 in Berlin) war ein deutscher Journalist, der die DDR politisch bekämpfte. Leben Nach der Absolvierung der Polytechnischen Oberschule (1960) lernte Naumann den Beruf des Tierzüchters und arbeitete… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Hi — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte der Stadt Köln — Der folgende Artikel Geschichte der Stadt Köln beschäftigt sich mit der Vorgeschichte bis in die Nachkriegszeit von Köln. Inhaltsverzeichnis 1 Das vorrömische Köln 2 Das römische Köln 3 Das fränkische Köln …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”