Hans Grohs

Hans Grohs

Hans Friederich Grohs (vormals/auch: Groß) (* 1892; † 1981 in Heide (Holstein)) war ein deutscher Expressionist und stellvertretender Direktor an der Nordischen Kunsthochschule in Bremen.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Hans Grohs (eigentlich: Hans Groß; 1892–1981) war seit April 1930 Mitglied der NSDAP und gehörte seit Gründung der Nordischen Kunsthochschule (NKH) zum Lehrkörper. Er war Schüler von Fritz Mackensen in Weimar und wurde von dem Gründungsdirektor der NKH nach Bremen geholt. Über lange Jahre war Groß stellvertretender Direktor, für kurze Zeit übernahm er kommissarisch das Amt des Direktors (während des Übergangs von Horn zu Hengstenberg). In seinem Lebenslauf für die Bewerbung an die Nordische Kunsthochschule schrieb er 1934: „Nach der Entlassung (aus Lazarett)[1] gehe ich auf die Hochschule für bildende Künste in Weimar als Meisterschüler von Professor Mackensen. Die Revolution macht aus der ehrwürdigen Hochschule das Bauhaus. Angeekelt von der Unaufrichtigkeit und dem antideutschen Wesen seines Betriebes verlasse ich unter Protest das Bauhaus und fliehe in die Einsamkeit meiner Dithmarsischen Heimat. […] In der Bewegung Adolf Hitlers bin ich neben meiner künstlerischen Tätigkeit als Kreiskulturwart Dithmarschens tätig. In den schweren Zeiten des Kampfes – 1930, 1931 und 1932 – spreche in allen Städten Schleswig-Holsteins in größeren Versammlungen für die kulturelle Sendung der NSDAP.“[2] In Bremen hatte er zudem den Posten eines Kreishauptstellenleiters für Kultur im Propagandaamt der Kreisleitung der NSDAP inne. Nach 1945 wurde er hierfür einen Monat in dem Internierungslager Riespott interniert.[3]

Groß galt „als glühender Nationalsozialist“.[4] Nach 1945 versuchte er sein frühes Engagement für die Nationalsozialisten zunächst abzuschwächen, um sich dann in einem nächsten Schritt als „entarteter“ Künstler hinzustellen. In einem von ihm selber als „Antrag auf Rehabilitierung des Kunstmalers Prof. Hans Groß“ bezeichnetem Schreiben rechtfertigte er seine Haltung während der NS-Zeit: „Mein Vater war Schifferknecht – er ernährte als Tagelöhner seine Frau und vier Kinder. Ich besuchte die Dorfschule und wurde trotz meiner außergewöhnlichen Schulleistungen nicht auf der Heider Oberrealschule zugelassen, da meine Eltern das Schulgeld nicht aufbringen konnten. Ich erlernte das Malerhandwerk. Als Geselle arbeitete ich zunächst in Hildesheim und besuchte in Abendkursen die Kunstgewerbeschule. 1913 wanderte ich als rastlos Suchender nach Königsberg und studierte an der dortigen Akademie. Ich arbeitete mit zähestem Fleiß unter fast untragbaren Entbehrungen.“[5]Nach seiner Entlassung aus der Armee, studierte Groß in Weimar an der Kunstakademie. „1917 erhielt ich für einen Altar die höchste Auszeichnung der Hochschule – die goldene Medaille“, vermerkt er stolz.[5] 1920 folgte eine Ausstellung in der Kunsthalle Kiel. Sie wird von ihm als großer Erfolg bezeichnet. Es folgten Ausstellungen in Düsseldorf, Elberfeld, Hamburg und Berlin. Früh wandte sich Groß der NSDAP zu. Zur Erklärung schrieb er: „Ich glaubte in der aufkommenden Bewegung der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei einen Ausweg aus Not und Arbeitslosigkeit der breiten Masse zu sehen und eine Auflebung des gotischen Geistes in der Kunst unserer Zeit. Ich glaubte als Künstler und Idealist recht zu handeln als ich mich 1930 der NSDAP anschloss und die kulturelle Betreuung Dithmarschens übernahm.“ Es sind die in der Entnazifizierung üblichen Entschuldigungsfloskeln, die Groß hier bemüht. Beachtlich ist jedoch, welche Wandlung er vollzog. Waren es in seinem Lebenslauf noch der ‚Ekel‘ und das „antideutsche[…] Wesen“ der zeitgenössischen Kunst, so wird nach 1945 daraus die „Auflebung des gotischen Geistes in der Kunst unserer Zeit“. Dennoch passt beides zusammen: Die Vorstellung einer deutschen Gotik als Hochzeit mittelalterlicher deutscher Kunst an der es sich – rückbesinnend auf das Deutschtum – zu orientieren gilt, ist eine der Wurzeln der späteren nationalsozialistischen Kunstauffassung.

Folgt man Groß Ausführungen, so geriet er kurz nach seiner Berufung an die NKH nach Bremen („Ich folgte dem Ruf freudig und habe mein Lehramt bis zur Entlassung durch die Militärregierung ernst und verantwortungsbewusst aufgefasst“) in einen ideologischen Gegensatz zu den NS-Machthabern. So sei er 1935 in Bremen Kreiskulturwart gewesen, habe aber seinen Einfluss bei der Ausstellung „Bremen – Schlüssel zur Welt“ nicht geltend machen können, da „die Halle der Partei […] von einem Berliner Künstler ausgestaltet“ wurde und nicht von ihm. Groß weiter: „Meine Vorschläge wurden abgelehnt – es lag daran, dass mein Name beim Gauleiter Röver nicht in Erscheinung treten durfte, der sich auf einer Ausstellung der Professorenschaft in der Nordischen Kunsthochschule in brutaler Form gegen mich ausgesprochen hatte und meine Entlassung aus dem Lehramt anordnete, da meine Arbeiten Christendreck seien.“[5]Folge dieses Konfliktes sei es des Weiteren gewesen, dass er vom Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste unter Ausstellungsverbot gestellt wurde und man seine von der Kunsthalle Kiel angekauften Bilder entfernt habe mit der Begründung, dass „sie […] als entartet [galten].“ Ebenso habe die Gestapo eine Akte über ihn geführt, „die sich mit meinen Arbeiten und meiner Person befasste, viele Fotos meiner früheren religiösen Kompositionen waren hier gesammelt. Daher konnte ich an keiner den großen Ausstellungen im Haus der Deutschen Kunst – München – teilnehmen.“ Aber: „Nach einer persönlichen Aussprache mit dem Gauleiter war es möglich, in meinem Lehramt zu verbleiben.“[5] Diese Aussagen Groß’ nach 1945 in seinem Entnazifizierungsverfahren stehen in einem Gegensatz zu zeitgenössischen Zeitungsartikeln. Unter dem Titel „Ausdruckswerte der figürlichen Malerei. Bremer Künstler am Werk“ berichteten die Bremer Nachrichten am 5. Juli 1938 über Hans Groß. Der Artikel diente dem Zweck, den Künstler den Zeitungslesern vorzustellen und nahe zu bringen. Gemäß dieses Zeitungsberichtes habe Groß Weimar verlassen, weil die „zum ‚Bauhaus‘ umgewandelte Kunsthochschule seinem deutschen Fühlen nicht mehr entsprach“, stattdessen habe er seine holsteinische Heimat vorgezogen. Sein Hauptarbeitsgebiet sei die figürliche Wandmalerei, wie er „erst kürzlich in der Halle des Staates auf der Ausstellung ‚Bremen – Schlüssel zur Welt‘“ unter Beweis gestellt habe. „Großangelegte Fresken“ befänden sich in Kiel, im Landratsamt Flensburg und im Museum Meldorf. Überschwänglich betont der Berichterstatter, das Groß ein „vielgestaltiges Werk […] überblicken“ könne, „das seine zwingende Mitte in der unlöslichen Verbindung mit der Heimat“ habe. „Ernst und verantwortungsbewusst neigt sich Hans Groß der deutschen Sendung, die sich in seinen Werken auf eigendste Weise offenbart.“

Die Flensburger Nachrichten berichteten am 20. Juli 1938 über „neue Werke des Künstlers“. So sei „gelegentlich der großen Ausstellung ‚Bremen – Schlüssel zur Welt‘ […] dem Künstler der Auftrag“ zuteil geworden, „in einem riesigen Wandbild von acht Meter Länge und vier Meter Breite die Wikinger auf ihren Schiffen zur Darstellung zu bringen.“ Und es wurden weitere Werke genannt, die die Vielseitigkeit und die sehr gute Auftragslage des Künstlers überdeutlich belegen: Für die Gauschulungsburg Weser-Ems am Bookholzberg habe er ein sehr großes Glasfenster geschaffen, das im Feierraum untergebracht ist; für eine nicht näher bezeichnete, weitere Schulungsburg in Ostfriesland entstände ein weiteres Fresko-Großformat „Gen Ostland wollen wir fahren“ – beides Arbeiten für nationalsozialistische Einrichtungen.

Beide Artikel belegen in sehr deutlicher Weise, wie sehr Hans Groß seine Kunst in den Dienst nationalsozialistischer Einrichtungen stellte. Beide Artikel ‚loben‘ den Künstler für seine in keinem ideologischen Gegensatz zum Nationalsozialismus stehende Kunst. Beide Artikel erwähnen Groß' vermeintliche Konflikte nicht. Dennoch scheint es so zu sein, dass Werke von ihm abgehängt wurden.[6] In seinen Entnazifizierungsakten ist ein Gutachten von Professor Arthur Haseloff zu lesen, das ihm bestätigt, dass Werke von Groß in Kiel entfernt wurden, weil Adolf Ziegler, Präsident der Reichskammer der bildenden Künste und Organisator der Ausstellung „Entartete Kunst“, sie beanstandete. „Hans Groß wurde somit ein Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, da Arbeiten von ihm nicht mehr ausgestellt werden konnten.“ In der wissenschaftlichen Literatur ist zumindest unumstritten, dass Werke in Kiel am 14. Juli 1937 entfernt wurden, allerdings nicht von Ziegler, sondern von dem Maler Walter Hansen initiiert oder veranlasst. Gross-Grafiken die sich ebenfalls in Kiel befanden, seien allerdings unangetastet geblieben. Hinzu kommen Werke aus dem Wuppertaler Von-Der-Heydt-Museum und dem Schlossmuseum in Weimar.[7] Groß selber führt noch an, dass in dem Kunstgewerbemuseum in Flensburg einige Werke entfernt worden seien: „Zu Ihrer Frage nach den Bildern im Flensburger Kreishaus kann ich Ihnen nur Betrübliches mitteilen. Man hat die Bilder vor etwa 10 Jahren [1938, d. A.] aus dem Saal entfernt.“[8] Sie lagerten nun auf dem Dachboden des Kreishauses. Außerdem sollte sich dort noch eine Plastik befinden.[9]

Diese NS-Vergangenheit Groß’ ist weitgehend vergessen. In den USA sieht man in Groß sogar einen „entarteten“ Künstler. Groß wurde 1978 durch den Direktor des Birmingham Museum of Art (USA), John David Farmer, mit den Worten exkulpiert: „With Hitler’s ascendance, Grohs [so die amerikanische Schreibweise seines Namens, d. A.] suffered as did all other progressive artist in Germany. His works were confiscated and destroyed and he was forbidden to paint as before.”[10] Und die Dithmarscher Landeszeitung schrieb 1984 in einem Artikel: „Nach Angaben seiner Tochter ist er auch Mitglied der NSDAP gewesen, jedoch seien alle Behauptungen, er habe sich für die Ziele der Partei engagiert, verleumderisch.“[11]

Quellen

Staatsarchiv Bremen Bestand 4,114

Literatur

  • Hans Hesse: „Die Nordische Hochschule für bildende Kunst soll, schöpfend aus dem Urgrunde deutsch-nordischen Volkstums, mitarbeiten am Aufbau arteigener Kultur im Sinne Adolf Hitlers.“ – Skizzen zur Geschichte der Nordischen Kunsthochschule (NKH). In: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte. Nr. 23/24, 2009, S. 85–104.
  • Jutta Müller: Hans Groß. 1892-1981. Aspekte eines umstrittenen Künstlers. 27. September – 6. Dezember 1992, Dithmarscher Landesmuseum Meldorf. Meldorf 1992.

Einzelnachweise

  1. Die Angaben hierzu sind widersprüchlich. In einem Artikel der Bremer Nachrichten v. 5. Juli 1938 (vgl. Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln, Künstlerdossier Groß, Hans) wird jedoch berichtet, er sei nach einer Verwundung 1915 aus dem Heeresdienst entlassen worden und von dort aus direkt an die Kunsthochschule nach Weimar gegangen. Nach einer erneuten Einberufung nach Belgien, sei er später nach Weimar wieder zurückgekehrt. Nach einer anderen, wahrscheinlicheren Version, trat 1914 als Freiwilliger beim 84. Infanterie-Regiment ein. Auf Grund eines Unfalls während der Ausbildung und „nicht zuletzt wegen seiner allgemein schwächlichen Konstitution“ wurde er als „dienstuntauglich“ entlassen (vgl. Müller, Jutta, a. a. O., S. 10).
  2. Staatsarchiv Bremen, 4,111 Pers.-– 1890 (Groß, Hans Friedrich), Bl. 29.
  3. Zum Internierungslager Riespott vgl. Hesse, Hans, Konstruktionen der Unschuld. Die Entnazifizierung am Beispiel von Bremen und Bremerhaven 1945–1953, Bremen 2005, S. 194ff. Aus der Entnazifizierung ging Groß als „Mitläufer“ hervor (Staatsarchiv Bremen 4, 66 – I. – 3760 Internierung vom 23. Februar 1948 bis 3. März 1948. Sühnebescheid vom 19. April 1948).
  4. Dies konstatierte Elisabeth Vorderwülbecke in ihrem Aufsatz „Der ‚Altar der Arbeit‘ von Hans Groß, in: Müller, Jutta, Hans Groß. 1892–1981. Aspekte eines umstrittenen Künstlers. 27. September – 6. Dezember 1992 Dithmarscher Landesmuseum Meldorf, Meldorf 1992, S. 59–76, S. 72. Als Quelle wird ein Telefonat der Verfasserin mit der Studentin angegeben, mit dem Zusatz: „Diese Auskunft wird durch die Personalakte von Groß […] und durch die die Hochschule betreffenden Akten […] bestätigt.“ Anmerkung 69, S. 76.
  5. a b c d Staatsarchiv Bremen 4, 66 – I. – 3760, Schreiben „Antrag auf Rehabilitierung des Kunstmalers Prof. Hans Groß“.
  6. Eine telefonische Anfrage bei der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin, die Andreas Hüneke dankenswerterweise unbürokratisch beantwortete, ergab, dass insgesamt ca. 20 Grafiken und vier Gemälde beschlagnahmt sein sollen, wobei nicht gesichert ist, dass es sich tatsächlich um den Maler „Hans Groß“ oder namensgleiche Kollegen handelte. Eine gesicherte abschließende Recherche konnte bis zum Redaktionsschluss nicht beendet werden.
  7. Vorderwülbecke, Elisabeth, a. a. O., S. 59, S. 15.
  8. Staatsarchiv Bremen 4, 66 – I. – 3760.
  9. Das bedeutet, dass nicht alle beanstandeten Werke konfisziert, sondern manche lediglich nicht mehr ausgestellt wurden.
  10. Ausstellung “Hans Grohs: Dithmarschen Expressionist” 8. August – 26. August 1978 in der Galeria Pergola, Instituto Allende, San Miguel de Allende, Mexiko, in: Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, Nachlass Hans Grohs/Groß.
  11. Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln, Künstlerdossier Groß, Hans, darin: Dithmarscher Landzeitung vom 6. August 1984.

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