Rudolf Hengstenberg

Rudolf Hengstenberg

Rudolf Hengstenberg (* 16. August 1894 in Untermais, heute Stadt Meran, Südtirol; † 5. Januar 1974 in Bremen) war ein deutscher Maler und Graphiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hengstenberg lebte seit 1924 in Potsdam und seit 1943 in Bremen. Er hinterließ ein umfangreiches Kunstschaffen. In Bremen schuf er Kunstwerke im öffentlichen Raum und Arbeiten in öffentlichem Auftrag. Bis 1940 war er in Berlin und Potsdam auf vielen Ausstellungen, u.a. den Jahresausstellungen der Preußischen Akademie der Künste seit 1924 immer, vertreten. Sein freies malerisches Schaffen, in einem sehr persönlichen, expressiven Realismus, ist noch wenig bekannt. In den 1920er und 1930er Jahren näherte sich der Maler der Neuen Sachlichkeit, spätere Werke zeigen einen freien Spätexpressionismus. 1931 wurde er Mitglied der NSDAP.

Sein Vater, der Ingenieur Rudolf Hengstenberg, stammte aus einer westfälischen Theologenfamilie und besaß das Meraner Gaswerk. Die Mutter, Mathilde Hengstenberg, geborene Weißenborn, war die Tochter eines Gothaer Bauunternehmers. Nach dem Verkauf des Gaswerks 1899 zog die Familie nach Berlin, in eine großzügige Villa in Wannsee-Nähe. Nach einer Nichtversetzung an der Oberrealschule in Potsdam besuchte Hengstenberg die Oberrealschule in Zehlendorf.

Als Kriegsfreiwilliger trat er 1914 ins „Garde du Corps“ in Potsdam ein und hatte Einsätze in Frankreich, an der Ost- und Südfront und erlitt mehrfache schwere Verwundungen. Erlebnisse, Erfahrungen und Gedanken werden in Briefen und Tagebuch verarbeitet. 1919 begann er ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Berlin. 1920 wechselte er an die Hochschule Stuttgart zu Paul Bonatz und beginnt eine Studium an der dortigen Kunstakademie zunächst bei Christian Landenberger, nach zwei Semestern bei Heinrich Altherr. 1924 verließ Hengstenberg als Meisterschüler Heinrich Altherrs die Stuttgarter Akademie und siedelte als freier Künstler in Potsdam an. Zunächst bezog er eine Atelierwohnung in der Nähe des Heiligensees und übernahm 1932 eine Atelierwohnung des Malers Heinrich Graf Luckner in der Mangerstraße 15.

Er hatte regelmäßige Beteiligungen an den Frühjahrs- und Herbstausstellungen der Preußischen Akademie der Künste. Förderung hatte Er durch den Maler Ludwig Dettmann erhalten. Hengstenberg schloss sich 1926 einem kleinen Kreis um den Maler Egon von Kameke an, zu dem auch die Maler Heinrich Basedow und Schwormstedt sowie der Schriftsteller Rudolf Paulsen gehörten. 1931, unter dem Eindruck der Auseinandersetzungen der politischen Extreme am Ende der Weimarer Republik erfolgte sein Eintritt in die NSDAP. Das Großgemälde Bauhütte entstand 1935 im Auftrag des Reichsarbeitsministers für das Ministeriumsgebäude in Berlin und wurde 1937 in den deutschen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung gebracht und erhielt einen ersten Preis. Das eigentlich für Paris in Auftrag gegebene Bildthema 1. Mai-Feier im Berliner Lustgarten wurde von den Auftraggebern als zu expressionistisch gewertet. Als Folge blieben weitere öffentliche Aufträge aus. 1938 erhielt er Auszeichnung mit dem deutsch-amerikanischen Harry Kreismann-Preis.

Er hatte 1939 Einsätze an der West- und Ostfront. 1942 heiratete er die aus Wismar stammenden Fotografin Lilli Hahn. 1943 siedelte er nach Bremen über und übernahm, nicht zuletzt auf Betreiben des Bremer Bildhauers Ernst Gorsemann, die Leitung der Nordischen Kunsthochschule, der heutigen Hochschule für Künste Bremen.

Der letzte Direktor der Nordischen Kunsthochschule (NKH) und Nachfolger von Hans Grohs war Rudolf Hengstenberg.[1] Ende 1943 trat er sein Amt an. Senator Richard von Hoff war von dieser Personalie überzeugt, da er „z.Zt. allgemein als einer der tüchtigsten Maler gilt. […] Sein Name würde […] der Nordischen Kunsthochschule gute Dienste leisten.“[2] Hengstenberg war allem Anschein nach über das Bremer Ansinnen völlig überrascht. Außerdem hatte er zunächst keine klare Vorstellung davon, was er in Bremen eigentlich tun sollte. Im Juli 1943 schrieb er, dass er „noch keine Mitteilung darüber [habe], was man von mir als Leiter der Nord. Kunsthochschule im besonderen erwartet. […] Außer von einem ganz flüchtigen Einblick in die Schule, kenne ich ja so gut wie gar nichts von ihr.“[3] Seit 1931 in der NSDAP, war er seit 1940 als Kriegsmaler in einer Propagandakompanie tätig. Seine Kriegsgemälde wurden von den Zeitgenossen gelobt und gewürdigt: „Er ist in der Kunst wie im Gefecht, der Oberleutnant Hengstenberg. Hart, unerbittlich, einsatzbereit, geduldig und furchtlos vorwärtsstrebend. Anerkennung und Rückschläge empfing er als Künstler. Seine Kriegsauszeichnungen zeugen von entscheidender Tapferkeit und wiederholter Verwundung.“[4] Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Hengstenberg als angehender Direktor über seine zukünftigen Aufgaben schreibt: „Eine ganz besondere Sorgfalt würde ich darauf verwenden, das noch unausgesprochene geistige Gut, das unsere Jungens einmal aus den Schlachtfeldern mitbringen werden, zur Gestalt zu bringen, denn Sie, verehrter Herr Senator, werden gewiss meine Ansicht teilen, dass dies einmal das allerwertvollste und die größte Freude des deutschen Schicksalkampfes sein wird: die in allen Höllen dieses Krieges ausgeglühte und geläuterte Seele des deutschen Menschen! Sie wird einmal brennend nach ihrem Ausdruck suchen. Wehe dann den deutschen Hochschulen, die nicht bereit sind, empfangsbereite Schale für diese Seelen zu sein! 1918 waren sie es nicht und die Auswirkung für das geistige Deutschland von damals kennen wir.“ Im Weiteren definierte er seine Aufgabenstellung selbst. „Ich bin in erster Linie als Künstler für die Leitung ausersehen worden (auf Grund meiner bisherigen Arbeiten, wie mir geschrieben worden ist). Das heißt: Von mir wird erwartet, dass ich die Hochschule im Laufe der Zeit auf eine höchste Stufe künstlerischen Güte bringe – kurz gesagt, dass unsere Hochschule eine solche von weitreichendem Ruf wird. Eine Hochschule ohne Ruf und somit ohne beste Kräfte brauchte gar keine Hochschule zu sein. Die Akademien von Berlin, Düsseldorf, München zehren heute noch von ihrem Ruf, weil hervorragendste Künstler an ihnen wirkten. Ich bin also verantwortlich für den Lehrkörper. Dann bin ich in erster Linie verantwortlich für den Geist, der in die Schule einziehen wird.[5]

Bevor er diese Ideen umsetzen konnte, vergingen freilich noch Monate. Die Besetzung zog sich hin. Zwar hattePropagandaminister Josef Goebbels nach Begutachtung seiner Arbeiten im August 1943 zugestimmt, aber Hitlers Zustimmung blieb aus.[6] Sie kam erst im Oktober, so dass Hengstenberg schließlich am 1. Dezember 1943 zum Direktor ernannt wurde.[7] Es war für Hengstenberg ein ungeheurer Karrieresprung. Seine Ehefrau drückte dies in einem Brief Weihnachten 1943 aus, in dem sie die bisherigen Karrierestationen ihres Mannes Revue passieren ließ: „Und langsam kam der Erfolg. 1937 bekamst du den ‚Grand Prix‘ auf der Pariser Weltausstellung. […] Dann brach der furchtbare Krieg im September 1939 aus. Du musstest […] an die Front. […] Ein anderer Ton klang im Januar 1943 auf, der Ruf an die Nordische Kunsthochschule. Wir nahmen Abschied von Potsdam […]. Doch dann die feierliche Amtseinführung am 01.12.1943 als Leiter der Kunsthochschule Bremen. Mein Herz und meine heißen Wünsche begleiten Dich auf diesem Weg!“[8]

Richtig angekommen war Hengstenberg bis zum Kriegsende in Bremen nicht. Schon in seiner Berufungsphase musste er immer wieder seine Aufenthalte und Verhandlungen unterbrechen, weil er als Kriegsmaler überwiegend an der Front zu sein hatte und nur zur Überarbeitung seiner Entwürfe nach Bremen kommen konnte.[9] Sein Einfluss kann also nicht sehr groß gewesen sein. So dürfte es lediglich bei den Vorstellungen und bloßen Ideen geblieben sein, die er 1943 geäußert hatte.

Dennoch wurde er nach 1945 im September entlassen und nicht wiedereingestellt. Aus der Entnazifizierung ging er als „Mitläufer“ hervor.[10] Mehrfach bemühte er sich in den folgenden Jahren um einen Wiedereinstellung. Kühl beschied sein Nachfolger, Professor Willy Menz, der 1946 wiedereröffneten Kunstschule in einem Schreiben vom 12. Dezember 1951: „Herr Prof. Hengstenberg ist mir weder künstlerisch noch persönlich bekannt. Eine Wiedereinstellung käme nicht in Frage, da hierfür jegliche Voraussetzungen fehlen. Auch meinen Lehrkräften ist Herr Prof. Hengstenberg unbekannt.“[11] Was nicht ohne eine gewisse Pikanterie ist, da Menz vor 1945 Lehrkraft an der NKH gewesen sein soll.[12] 1953 arbeitete Hengstenberg am Mädchengymnasium Karlstraße als Kunstlehrer mit sechs Wochenstunden.[13]

Nach erneutem Kriegseinsatz und schweren Verwundungen kam er 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im September des gleichen Jahres kehrte er zu seiner Frau nach Bremen zurück.

1946 erhielt er eine Ablehnung einer durch Karl Hofer und Heinrich Ehmsen angetragenen Berufung an die Berliner Kunsthochschule. Hiernach siedelte er von Bremen-Oberneuland nach Bremen-St. Magnus über und baute dort später ein Haus mit Atelier (Am Kapellenberg). Nach der sog. Entnazifizierung 1948 wurde das Ausstellungs- und Unterrichtsverbot aufgehoben. Ab 1950 erhielt er mehrere öffentliche Aufträge für Wandmalereien in Schulen und Krankenhäusern in Bremen-Nord sowie für ein großes Wandgemälde im Funkhaus von Radio Bremen. zudem schrieb er Schriften über Fragen der Kultur, Kunst und Religion. Ab 1965 stellte er seine künstlerischen Tätigkeiten allmählich ein und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Gesellschaft

1996 gründete sich in Bremen die Rudolf-Hengstenberg-Gesellschaft e. V. zur Pflege des künstlerischen Nachlasses.

Literatur

  • Jörn Barfod: Der Maler Rudolf Hengstenberg: 1894 - 1974. (Anlässlich der Gedächtnisausstellung zum 100. Geburtstag des Malers Rudolf Hengstenberg im Potsdam-Museum, Potsdam, vom 6.12.1994 - 29.1.1995). Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 1994, ISBN 3-88042-709-7.
  • Klaus P. Lücke: Rudolf Hengstenberg: Maler im Nationalsozialismus. Verlag Microplan, Eschborn 1996, ISBN 3-00-000691-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Über ihn vgl. Barfod, Jörn, Der Maler Rudolf Hengstenberg. 1894–1975, Husum 1994, Lücke, Klaus P., Rudolf Hengstenberg. Maler im Nationalsozialismus, Eschborn 1996, Manske, Hans-Joachim, Neumann-Dietzsch, Birgit (Hg.), „entartet“ – beschlagnahmt. Bremer Künstler im Nationalsozialismus, Bremen 2009, S. 66–69, Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln, Künstlerdossier Hengstenberg, Rudolf. Quellen im Staatsarchiv Bremen 4,66 – I. – 4391; 4,111 Pers.- 2234 (Hengstenberg, Rudolf).
  2. Staatsarchiv Bremen 4,111 Pers.- 2234 (Hengstenberg, Rudolf), Bl. 6, Schreiben vom 15.4.1943.
  3. Ebd., Bl. 39ff., Schreiben Hengstenberg vom 19.7.1943.
  4. Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln, Künstlerdossier Hengstenberg, Rudolf, darin: Berliner Lokal-Anzeiger, Morgenausgabe, vom 1. April 1941.
  5. Staatsarchiv Bremen, 4,111 Pers.– 2234 (Hengstenberg, Rudolf), Bl. 39ff.
  6. Ebd., Bl. 51.
  7. Ebd., Bl. 70a und 76a.
  8. Abgedruckt in: Barfod, Jörn, Der Maler Rudolf Hengstenberg. 1894–1975, Husum 1994, S. 5. Dort dient der Brief als ein Vorwort zum Buch, das anlässlich der Gedächtnisausstellung zum 100. Geburtstag Hengstenbergs 1994 in Potsdam erschien.
  9. Staatsarchiv Bremen, 4,111 Pers.– 2234 (Hengstenberg, Rudolf), vgl. insbesondere Bl. 20 und Bl. 36.
  10. Staatsarchiv Bremen, 4,66 – I. – 4391, Sühnebescheid v. 21.4.48: 600 RM.
  11. Staatsarchiv Bremen, 4,111 Pers.– 2234 (Hengstenberg, Rudolf), Bl. 105.
  12. Manske, Hans-Joachim, Neumann-Dietzsch, Birgit (Hg.), „entartet“ – beschlagnahmt. Bremer Künstler im Nationalsozialismus, Bremen 2009, S. 255. Eine Bewerbung nach dessen Weggang blieb 1955 ebenfalls erfolglos
  13. An diesem Mädchengymnasium kam ebenfalls eine weitere schwer ns-belastete Wissenschaftlerin als Biologielehrerin unter: Karin Magnussen. Sie hatte Menschenversuche ersonnen, die von Josef Mengele im Vernichtungslager Auschwitz ausgeführt wurden. Vgl. Hesse, Hans, Augen aus Auschwitz. Ein Lehrstück über nationalsozialistischen Rassenwahn und medizinische Forschungen. Der Fall Dr. Karin Magnussen, Essen 2001.

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