Heinrich Schneidmadl

Heinrich Schneidmadl

Heinrich Schneidmadl (* 20. Februar 1886 in Gutenstein; † 31. Oktober 1965 in Wien) war ein österreichischer Politiker (SDAP), Abgeordneter zum niederösterreichischen Landtag, Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung und Abgeordneter zum Nationalrat.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Heinrich Schneidmadl wurde am 20. Februar 1886 in Gutenstein im Bezirk Wiener Neustadt-Land als Sohn des Müllers Alois Schneidmadl und seiner Frau Maria geboren. Er besuchte von 1892 bis 1899 die Volksschule in Pöggstall. Obwohl seine Eltern wünschten, er solle Müller werden erlernte er bis 1904 den Beruf des Buchdruckers in Pöggstall und Amstetten. Danach trat er in die Pressvereinsdruckerei in St. Pölten ein. Bereits 1906 wurde er Beamter in der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse.[1]

Bereits 1905 wurde Schneidmadl in den sozialdemokratischen Wahlkreisausschuss von St. Pölten gewählt. 1906 bildete er sich auf der „Arbeiterschule“ in Wien weiter, er wohnte damals bereits in Wagram. In den folgenden Jahren etablierte er sich immer mehr in der lokalen Sozialdemokratie, so wurde er 1911 gemeinsam mit Hubert Schnofl zum Parteitag nach Innsbruck entsandt. Als 1914 erstmals die „Volkswacht“ erscheinen sollte, wurde die Leitung Schneidmadl zugesprochen. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte allerdings die Umsetzung der Pläne. 1915 musste Schneidmadl einrücken und wurde in die Bukowina geschickt, von wo er mit Diphtherie und Ruhr zurückkam.[1]

1919 wurde Schneidmadl unter Hubert Schnofl Stadtrat in St. Pölten und Vizebürgermeister in der damals eigenständigen Gemeinde Stattersdorf-Wagram.[1] Er war zudem Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung von 1919 bis 1920 und danach bis 1927 für drei Gesetzgebungsperioden Abgeordneter zum Nationalrat. Danach wurde er bis zum Verbot der Sozialdemokratischen Partei 1934 Landesrat und somit Mitglied der Niederösterreichischen Landesregierung. Er wurde verhaftet und ins Anhaltezentrum nach Wöllersdorf gebracht.[2]

Am 6. Oktober 1920 fand in St. Pölten eine NSDAP-Versammlung in den Stadtsälen statt. Zu dieser Veranstaltung kamen Interessierte aller Fraktionen um den damaligen „Propagandaobmann“ Adolf Hitler zu sehen. Nachdem Schneidmadl Hitler nach einer kurzen Rede unterbrach und das Wort ergriff, kam es zu einem Gerangel auf der Bühne, in die Hitler und Schneidmadl geraten waren. Schneidmadl umfasste Hitler schützend, da er nicht wollte, dass Hitler verletzt würde. Er schrieb später zu dem Vorfall:[3]

„Als ich schloss, sprangen einige besonders heißblütige Versammlungsteilnehmer auf das Podium, und es begann eine recht nette Taucherei, in deren Mittelpunkt bald auch Hitler geraten war. Ich fürchtete, dass ein Unbesonnener sich an ihm tätlich vergreifen und so unseren Gegnern einen willkommenen Beweis sozialdemokratischer Unduldsamkeit liefern könnte. (…) Als es mir gelungen war, die Ruhe wieder einigermaßen herzustellen, trat Hitler vor und forderte seine Anhänger auf, mit ihm den Saal zu verlassen. Diese Rede, die kürzeste seines Lebens, fand rauschenden Applaus. Gefolgt von etwa 100 Mann zog Hitler ab.“

Heinrich Schneidmadl: in seinen Memoiren[3]

Als Hitler nach dem „Anschluss“ am 14. März 1938 einen Nachmittag lang in St. Pölten Station machte, erkundigte er sich nach Schneidmadl. Obwohl dieser einer der führenden Sozialdemokraten Niederösterreichs war, wurde er nicht verhört, nicht verhaftet und nicht deportiert, sondern blieb völlig unbehelligt. Im Gegenzug sprach er sich – entgegen der Parteilinie – für den Anschluss aus. Die Dankbarkeit Hitlers ging jedoch noch weiter: So vermittelte ihm Reichsstatthalter Hugo Jury eine Stelle bei der Anker-Versicherung. Die Versicherung war als „kriegswirtschaftlich wichtiges Unternehmen“ eingestuft, weswegen Schneidmadl nicht zum Zweiten Weltkrieg einrücken musste.[4]

Nach Kriegsende wurde er Mitglied der Provisorische Staatsregierung als Unterstaatssekretär für Wiederaufbau. Weiters wurde er bis zur Wiederkehr Oscar Pollaks 1961 Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung.[5] Nach seinem Ausscheiden aus dem Nationalrat kehrte er in den niederösterreichischen Landtag zurück, wo er bis 1949 als Abgeordneter blieb.

Schneidmadl war zudem von 1950 bis 1965 Vizepräsident der NEWAG und von 1955 bis 1963 Vizepräsident des niederösterreichischen Roten Kreuzes. Er verstarb am 31. Oktober 1965 in Wien.[6]

Ehrungen

  • Heinrich-Schneidmadl-Straße in St. Pölten (1969)[4]

Einzelnachweise

  1. a b c Matthias Stadler (Hrsg.): Wagram, vom Mühlendorf zu bevorzugten Wohnstadtteil St. Pöltens. Volkshochschule, Wagram 1997, S. 42–49: Kapitel Heinrich Schneidmadl.
  2. Siegfried Nasko: Empor aus dumpfen Träumen. Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie im St. Pöltner Raum. SPÖ-Bezirksorganisation, Wien 1986, S. 415–458: Kapitel Biographischer Teil (Unser Bezirk St. Pölten 7, ZDB-ID 2292151-5).
  3. a b Manfred Wieninger in der Wiener Zeitung, vom 25. Mai 2001
  4. a b Manfred Wieninger: St. Pöltner Straßennamen erzählen. Löwenzahn, Innsbruck 2002, ISBN 3-7066-2208-4.
  5. Impressum. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 5. August 1945, S. 4.
  6. Heinrich Schneidmadl. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 3. November 1965, S. 2.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Bundesregierung Renner — Die österreichische Provisorische Staatsregierung Renner amtierte von 27. April 1945 bis 20. Dezember 1945. Es handelte sich dabei um eine Konzentrationsregierung aus SPÖ, ÖVP und KPÖ. Entgegen den heutigen Bezeichnungen trugen der Vorsitzende… …   Deutsch Wikipedia

  • Provisorische Staatsregierung Renner 1945 — Die österreichische Provisorische Staatsregierung Renner amtierte von 27. April 1945 bis 20. Dezember 1945. Es handelte sich dabei um eine in den Tagen vorher von den drei Parteien vereinbarte Konzentrationsregierung aus SPÖ, ÖVP und KPÖ. Ihre… …   Deutsch Wikipedia

  • Provisorische Staatsregierung Österreich 1945 — Die österreichische Provisorische Staatsregierung Renner amtierte von 27. April 1945 bis 20. Dezember 1945. Es handelte sich dabei um eine Konzentrationsregierung aus SPÖ, ÖVP und KPÖ. Entgegen den heutigen Bezeichnungen trugen der Vorsitzende… …   Deutsch Wikipedia

  • Carl Karwinsky — Carl Freiherr von Karwinsky (* 17. September 1888 in Innsbruck; † 10. April 1958 in Schruns) war k. u. k. Offizier und österreichischer Politiker. Leben Karwinsky entstammte einer altösterreichischen Adelsfamilie. Sein Vater war Generalmajor… …   Deutsch Wikipedia

  • Landesregierung Buresch II — Die Landesregierung Buresch II bildete die Niederösterreichische Landesregierung während der II. Gesetzgebungsperiode des Niederösterreichischen Landtags vom 20. Mai 1927 bis zum Wechsel von Landeshauptmann Karl Buresch in das Amt des… …   Deutsch Wikipedia

  • Landesregierung Reither IV — Die Landesregierung Reither bildete die Niederösterreichische Landesregierung während der IV. Gesetzgebungsperiode vom 12. Dezember 1945 bis zum Rücktritt von Landeshauptmann Josef Reither am 2. Mai 1949. Der Landesregierung Reither folgte die… …   Deutsch Wikipedia

  • Landesregierung Steinböck I — Die Landesregierung Steinböck I bildete die Niederösterreichische Landesregierung während der IV. Gesetzgebungsperiode von der Wahl des bisherigen Landesrates Johann Steinböck (ÖVP) zum neuen Landeshauptmann von Niederösterreich am 5. Mai 1949… …   Deutsch Wikipedia

  • Landtagswahl in Niederösterreich 1927 — Die Sitzverteilung im Landtag nach der Wahl Die Landtagswahl in Niederösterreich des Jahres 1927 fand am 24. April statt.[1] Am gleichen Tag wählte Österreich einen neuen Nationalrat, St. Pölten und Wiener Neustadt …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Abgeordneten der Konstituierenden Nationalversammlung — Dies ist eine Liste der Abgeordneten zur Konstituierenden Nationalversammlung für Deutschösterreich, die am 16. Februar 1919 als erstes in freier und gleicher Wahl berufene Parlament Österreichs gewählt worden war. Name Fraktion Anmerkungen Abram …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Abgeordneten zum Österreichischen Nationalrat (I. Gesetzgebungsperiode) — Dies ist eine Liste der Abgeordneten zum Österreichischen Nationalrat (I. Gesetzgebungsperiode). Die I. Gesetzgebungsperiode begann am 10. November 1920 und endete am 20. November 1923. Nach der Nationalratswahl am 17. Oktober 1920 entfielen von… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”