- Herrengesellschaft Mecklenburg
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Die Herrengesellschaft Mecklenburg war ein antiparlamentarischer deutscher politischer Klub, der von 1926 bis 1945 existierte. Er wird der Konservativen Revolution zugerechnet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Herrengesellschaft Mecklenburg wurde 1926 vom Mecklenburger Gutsbesitzer Wilhelm von Oertzen nach dem Vorbild britischer Gesellschaftsklubs gegründet. Politisch war die Gesellschaft aristokratisch-konservativ und – ihrem Selbstverständnis nach – streng elitär ausgerichtet. Auf überregionaler Ebene war sie in die um die Zeitschrift Der Ring gruppierte sogenannte „Ringbewegung“ eingebunden. Dementsprechend stand die Herrengesellschaft in ständiger Verbindung zu ähnlichen Klubs in anderen Landesteilen, wie dem Hamburger Nationalklub, der Magdeburgischen Herrengesellschaft und der Schlesischen Herrengesellschaft sowie insbesondere zu dem quasi als Dachorganisation fungierenden Deutschen Herrenklub in Berlin.
Für die Außenwirkung der Herrengesellschaft waren vor allem die in der Regel monatlich ausgerichteten Vortragsabende im Herrenhaus Roggow der Familie von Oertzen maßgebend.[1] Maximal nahmen rund 600 Personen an diesen Zusammenkünften teil. Auf diese Weise wurden von 1926 bis 1942 mehr als 11.600 Teilnehmer im Sinne der politischen Zielsetzung dieser elitären und dem Parlamentarismus feindlich gegenüber stehenden Vereinigung geschult. Zu den prominenten Persönlichkeiten, die die Herrengesellschaft als Referenten für ihre Vortragsabende gewinnen konnte, zählten unter anderem Klaus Mehnert und der ehemalige Reichskanzler Hans Luther.[2]
Die Herrengesellschaft Mecklenburg löste sich im Frühjahr 1945 vor dem Hintergrund der Wirren um das Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Tod ihres Vorsitzenden Wilhelm von Oertzen, der sich am 4. Mai 1945 das Leben nahm, auf.[3] [4]
Politische Ausrichtung und Ziele
Der Großgrundbesitzer des Rittergutes Roggow, Wilhelm von Oertzen, und zahlreiche weitere Angehörige des liquidierten Adelsstandes sahen sich durch die Weimarer Republik aller Privilegien der untergegangenen Monarchie beraubt. Oertzen hielt aber ausschließlich den gebildeten vormaligen Adel für befähigt, Deutschland zu führen und gründete mit der Herrengesellschaft Mecklenburg eine Vereinigung hochgestellter Intellektueller, mit dem Ziel, den Parlamentarismus und damit die Demokratie wieder zu beseitigen.[3]
Die erklärten Absichten der Herrengesellschaft Mecklenburg formulierte Wilhelm von Oertzen wie folgt (Zitat):
„Das Ziel der Herrengesellschaft ist das Dritte Reich nach dem Buch, welches der leider verstorbene Mitbegründer der Bewegung Moeller van den Bruck verfaßt hat und das wirklich jedem Deutschen bekannt sein müßte. Mit dem Gedanken der Überparteilichkeit ist fast untrennbar die Abneigung gegen den Parlamentarismus verbunden... Wir sind eine durchaus aristrokratische Bewegung insofern, als wir Führungspersönlichkeiten aus allen Kreisen heranziehen und durch unsere Veranstaltungen schulen und informieren und vor allem auch dann von Ihnen erwarten, daß sie das Gelernte auch anwenden auf sich und den Kreis, auf den sie Einfluß haben. Das ist Führertum! Wir sind also keine Volksbewegung, was der Gegensatz dazu wäre.[5] [3]“
Der „große Führer“ werde zwar nicht erzogen, sondern geboren, die Schulung von Denken und Fühlen der „kleinen Führer“ zu einer neuartigen Oberschicht sei aber unabdingbar, „damit eine Atmosphäre vorhanden ist, in der der Führer überhaupt leben, in der er sich durchsetzen kann.“[6] [7]
Der mecklenburgische Ministerpräsident Karl Eschenburg (ab 1936 Mitglied der NSDAP) und seine Minister solidarisierten sich mit den Zielen der Herrengesellschaft Mecklenburg und traten für die Interessen der Großgrundbesitzer ein; das führte im Ergebnis dazu, dass große Mecklenburger vormalige Adelsfamilien noch bis zum Kriegsende im Jahre 1945 jeweils bis zu 50.000 Hektar Land als Eigentum besaßen.[8] [9]
Mitglieder
Zum Gründungszeitpunkt gehörten der Herrengesellschaft siebenundzwanzig Mitglieder an. Im weiteren Verlauf ihres Bestehens erhöhte sich diese Anzahl auf durchschnittlich etwa 200 bis 300 Herren. Am 1. Juli 1932 verzeichnete der Klub einen Bestand von 290 Personen; davon gehörten etwa 85 von ihnen dem vormaligen Adelsstand an. Hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung dominierten neben den Vertretern des vormaligen Adels insbesondere Repräsentanten des Großbürgertums sowie ehemalige Offiziere. Zu den teilweise uradeligen und traditionsreichen Familien zählten unter anderem die derer von Bassewitz (5 Mitglieder), Bernstorff (2), Blücher (1), Brandenstein (3), Oertzen (10) und Schulenburg (1). Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg war der Herrengesellschaft Mecklenburg bereits im Gründungsjahr 1926 beigetreten und stand an der Spitze der Mitgliederliste.[3] [4] [10]
Verhältnis zur NSDAP
Wiederholt versuchte Wilhelm von Oertzen Adolf Hitler als Referenten für die Herrengesellschaft Mecklenburg zu gewinnen; trotz dieser Bemühungen zeigte Hitler kein Interesse an dieser Vereinigung. Der mecklenburgische Gauleiter Friedrich Hildebrandt lehnte einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP seitens Wilhelm von Oertzens im Jahre 1931 ab.[11] Der Mecklenburger Gutsbesitzer Reimar von Plessen aus Kurzen- und Langen Trechow wurde als zweiter Vorsitzender der Gesellschaft allerdings 1930 in die NSDAP aufgenommen.[12][13] Hitler selbst polemisierte im Reichstagswahlkampf 1932 gegen die – von ihrer politischen Zielrichtung und personellen Zusammensetzung her – absolut vergleichbaren Mitglieder des Herrenklubs (dem Wilhelm von Oertzen ebenfalls als eingetragenes Mitglied angehörte) wie folgt: „Ihr redet gegen den Marxismus als Klassenerscheinung und seid selbst die übelste Klassenerscheinung!“[14]
Archivalien
- Bestand 10.61-2 Herrengesellschaft Mecklenburg / Deutscher Klub Mecklenburg (Mitgliederverzeichnisse, Protokolle von Jahresversammlungen, Schriftwechsel mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sowie Verbänden und Vereinen)
- Mitgliederliste nach dem Stande vom 1. Juli 1932 (R 18, Nr. 5330, Bl. 15ff.)
Geheimes Staatsarchiv Berlin-Dahlem
- Gedruckte Mitgliederliste der Herrengesellschaft Mecklenburg bei den Akten des Staatssekretärs im Reichsinnenministerium Pfundtner (HAB. Rep. 320/330)
Literatur
- Lothar Elsner: Die Herrengesellschaft. WeymannBauer Verlag, Rostock 1998, ISBN 3-929395-39-8.
- Jens Flemming: «Führersammlung», «politische Schulung» und «neue Aristokratie». Die Herrengesellschaft Mecklenburg in der Weimarer Republik. In: Karl Christian Führer (Hrsg.): Eliten im Wandel. Gesellschaftliche Führungsschichten im 19. und 20. Jahrhundert. Münster 2004, S. 123–154.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Roggow bei Bad Doberan auf Gutshaeuser.de
- ↑ Heinz Reif: Adel und Bürgertum in Deutschland II. Seite 206
- ↑ a b c d Marco Theelke: Wilhelm von Oertzen. In: Mecklenburger in der deutschen Geschichte des 19. und 20 Jahrhunderts. Herausgegeben von Prof. Dr. Ilona Buchsteiner. Ingo Koch Verlag. Rostock 2001. Seite 217-233.
- ↑ a b Vergl. Kulturportal Mecklenburg-Vorpommern - Buchtipp "Die Herren Gesellschaft"
- ↑ Zitiert nach Lothar Elsner: Die Herrengesellschaft, Seite 35
- ↑ Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Akademie Verlag, Berlin 2003, Seite 442
- ↑ Beide Geschichten erzählen. In: Der Spiegel. Nr. 29, 2004 (online).
- ↑ Vergl. Johannes Erichsen: 1000 Jahre Mecklenburg. Seite 84
- ↑ Vergl. Mecklenburger Poloclub Pinnow: Die Maltzahn, Geschichte
- ↑ Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Akademie Verlag, Berlin 2003, Seite 441
- ↑ Vergl. Lothar Elsner: Die Herrengesellschaft II Seite 67
- ↑ vergl. M. Naumann: Die Plessen. Stammfolge vom XIII. bis XX. Jahrhundert, Starke Verlag, Limburg a. d. Lahn, 1971, S. 25
- ↑ Lothar Elsner, Eva-Maria Elsner, Heinz Koch, Die Herrengesellschaft: Leben und Wandlungen des Wilhelm von Oertzen, Weymann Bauer Verlag 1998, S.83
- ↑ Vergl. Manfred Schoeps: Der Deutsche Herrenklub. Ein Beitrag zur Geschichte des Jungkonservativismus in der Weimarer Republik. Diss. phil. Erlangen-Nürnberg 1974
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