Isaschar Falkensohn Behr

Isaschar Falkensohn Behr

Isaschar (Zacharias) Falkensohn Behr, russ.: Айсар Фалькенсон Бер (* 1746 in Salantin, Samogitien, Litauen; † 1817 in Kamjanez-Podilskyj, Ukraine; ab 1781 auch Gabriel Grigorjewitsch)[1] war ein deutsch-jüdischer Militärarzt und Lyriker. Er gilt als der erste deutschsprachige jüdische Dichter[2] und sprach außer Hebräisch und Deutsch auch Französisch, Russisch und Latein.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Behr, ein „typischer ostjüdischer Aufsteiger der Aufklärungszeit,[3] ist entweder in Zamość (Polen) oder in Salantin (Salaty) in Litauen geboren.[4] Jedenfalls kam er aus armseligen Verhältnissen, wuchs in Salantin auf, machte eine Lehre als Kaufmann und versuchte sich zunächst - bereits verheiratet - wie die meisten seiner jüdischen Landsleute im Handel.[5] Zu dieser Zeit lebte er wohl schon in Hasenpoth (Kurland).[6] Nach einem ersten Studienaufenthalt ab 1768 in Königsberg (Preußen) kam er 1770 zur Fortsetzung seines Medizinstudiums nach Berlin,[7] wo er vom Philosophen und jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn gefördert wurde und in dessen Freundeskreis verkehrte.[8] Dann studierte er Arzneiwissenschaft in Leipzig und wurde am 4. Dezember 1772 in Halle (Saale) mit der Dissertation Animadversiones quaedam ad illustrandam phenitidis causam in Halle (Saale) promoviert (Urkunde vom 15. Dezember 1772). Anschließend arbeitete er von 1773 bis 1775 als Arzt in Hasenpoth, ab 1775 für einige Zeit in Mogiljow (Weißrussland) und später in Sankt Petersburg,[9] wo er 1781 ein weiteres medizinisches Examen ablegte, um dort praktizieren zu dürfen. Ebenfalls 1781 brach er mit dem Judentum und trat unter dem Namen Gabriel Grigorjewitsch zum russisch-orthodoxen Glauben über, was ihm zugleich die ärztliche Gesamtzulassung in Russland einbrachte. Anschließend praktizierte er in Kamjanez-Podilskyj als Quarantänearzt. Im Jahr 1795 wurde Behr zum Hofrat ernannt. Erst 1817 - und nicht schon 1781[10] - ist er in Kamjanez-Podilskyj gestorben.[11][12]

Seine Werke schrieb er in deutscher Sprache, die er in Königsberg erlernt hatte. Später lernte er noch Französisch.[13] Seine Gedichte von einem polnischen Juden veröffentlichte er 1772 zunächst anonym in Mitau und Leipzig.[14] Sie wurden vom jungen Johann Wolfgang von Goethe am 1. September 1772 im Frankfurter Gelehrtenanzeiger rezensiert, d. h. verrissen: „verhasste Mittelmässigkeit“. Behr widmete dieses Werk Friedrich Ewald von Fircks, dem kurländischen Landrat des Landkreises Pilten, der ihn mit anderen Freimaurern gefördert hatte.[15]

Friedrich von Matthisson nahm in seinem 1805 in Zürich veröffentlichten 9. Band seiner lyrischen Anthologien mehrere Gedichte Behrs auf. Behr hatte „tändelnde Liebesgedichte im galanten Stil des Rokoko und graziöse Rokokolyrik nach Vorbild Wielands verfasst.[16]

Literatur (Auswahl)

  • Daniel Jacoby: Behr, Isaschar Falkensohn. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 46, Duncker & Humblot, Leipzig 1902, S. 337 f.
  • Salomon Wininger: Große Jüdische National-Biographie, Band II, Seite 218f.
  • Karl Heinrich Jördens: Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten, 1810, Seite 726 Digitalisat
  • G. Meisels: Isaschar Falkensohn Bär. In: Jüdisch-Liberale Zeitung, Heft 7, 1928, Seite 6-7
  • Gerhard Alexander: Isachar Falkensohn Behr (1746-1817), in: Karlfried Gründer, Nathan Rothenstreich (Hg.): Aufklärung und Haskala in jüdischer und nichtjüdischer Sicht, Seite 57-67, Heidelberg 1990

Weblinks

Einzelnachweise

  1. EEVA, die digitale Sammlung älterer Literaten Estlands
  2. Andreas Wittbrodt: Mehrsprachige jüdische Exilliteratur, Seite 65, Berichte aus der Literaturwissenschaft, Verlag Shaker, 2001, ISBN 3826593367
  3. Aschkenas, Band 6, Seite 217, Verlag Böhlau, 1996
  4. Sein erstes Werk „Gedichte eines polnischen Juden“ weist mit seinem Titel auf das polnische Zamość als Geburtsort hin.
  5. Heinz Ischreyt: Die beiden Nicolai. Briefwechsel zwischen Ludwig Heinrich Nicolay in St. Petersburg und Friedrich Nicolai in Berlin (1776-1811), 1989, Seite 109 (Auszug)
  6. Bei seiner Immatrikulation an der Universität Leipzig gab er Hasenpoth als Herkunftsort an.
  7. Andreas Wittbrodt: Mehrsprachige jüdische Exilliteratur, Seite 65, Berichte aus der Literaturwissenschaft, Verlag Shaker, 2001, ISBN 3826593367
  8. Erduin Julius Koch: Grundriss einer Geschichte der Sprache und Literatur der Deutschen, Band 2, Seite 115, Berlin 1798 (Digitalisat)
  9. Johann Friedrich von Recke, Theodor Beise, Karl Eduard Napiersky: Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland, Band 1, Seite 92, Mitau 1827 (Digitalisat)
  10. Viele Quellen nehmen 1781 als Todesjahr an, was mit Taufe und Wechsel des Namens begründet sein kann, so dass sich Behrs Spur in Russland verlor.
  11. Willi Jasper: Deutsch jüdischer Parnass, Literaturgeschichte eines Mythos, Seite 66, Propyläen Verlag, Berlin/München 2004, ISBN 3549072104 (Auszug)
  12. Ausführliche Biografie
  13. Andreas Wittbrodt: Mehrsprachige jüdische Exilliteratur, Seite 67, Berichte aus der Literaturwissenschaft, Verlag Shaker, 2001, ISBN 3826593367
  14. Mit dem provokanten Titel „Gedichte von einem polnischen Juden“ spielte Isachar Falkensohn Behr mit gängigen Vorurteilen vornehmer Leser und - vor allem - Leserinnen, galten doch die Ostjuden in den deutschen Metropolen als fromme, aber ungebildete, schwarzvermummte Gestalten mit finsterem Blick und bärtigen Gesichtern. [1]
  15. Gedichte von einem polnischen Juden, Verlag Wallstein (Digitalisat)
  16. Gero von Wilpert: Deutschbaltische Literaturgeschichte, Seite 127, Verlag C. H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53525-9 (Digitalisat)

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