Justizvollzugsanstalt Diez

Justizvollzugsanstalt Diez

Die Justizvollzugsanstalt Diez (JVA) ist die größte Langstrafenanstalt des Landes Rheinland-Pfalz. Sie befindet sich am östlichen Stadtrand von Diez. Sie ist eine von acht JVA des Landes, jedoch die einzige, in der Freiheitsstrafen ab acht Jahren bis zu lebenslangen Freiheitsstrafen bei erwachsenen Männern vollstreckt werden. [1]

Justizvollzugsanstalt Diez Hauptpforte mit Blick auf Kirchturm

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ehemaliges Gefängnis im Schloss in Diez

Die Geschichte der Strafverbüßung in Diez reicht bis in das 18. Jahrhundert zurück. 130 Jahre lang diente das Grafenschloss Diez dem Herzogtum Nassau als Gefängnis. Zwischen 1778 und 1779 wurde es für diesen Zweck unter Bauinspektor Johann Friedrich Sckell umgebaut und bereits 1806 erweitert. 1811 wurde das nassauische Gefängnis in Weilburg aufgelöst und die Insassen nach Diez verlegt. Die Strafgefangenen waren zu handwerklichen Arbeiten verpflichtet, wobei die Bearbeitung von Lahnmarmor aus den benachbarten Steinbrüchen eine besondere Rolle spielte. Die Diezer Zuchthausfabrik erreichte in der Folge eine marktbeherrschende Stellung bei der Marmorverarbeitung und fertigte auch die Marmorgrenzsäulen im Herzogtum Nassau. [2]

Durch die Annexion des Herzogtums durch Preußen 1866 und die Erweiterung des Einzugsgebiets wurde das Gefängnis im Schloss Ende des 19. Jahrhunderts als zu klein erachtet. Zudem entsprachen die Anlagen nicht mehr den angestrebten baulichen, sicherheitstechnischen und sanitären Verhältnissen, sodass ein Neubau in der benachbarten Gemeinde Freiendiez beschlossen wurde.

Gebäudekomplex

Neubau des Zentralgefängnisses in Freiendiez, 1912

Im Juli 1907 wurde mit dem Bau des neuen Zuchthauses Freiendiez in der Feldflur der Gemeinde Freiendiez, an der alten Landstraße nach Limburg, unweit der Einmündung der Bahnstrecke Diez–Montabaur in die Lahntalbahn, begonnen. Es wurde 1912 nach sechsjähriger Bauzeit fertiggestellt. Die ersten Gefangenen bezogen das Zentralgefängnis bereits 1912, das Schloss wurde aber erst 1928 als Strafanstalt vollständig aufgegeben.

Die Zellenflügel sind, wie bei Gefängnisbauten häufig, in panoptischer Bauweise errichtet. Im Mittelpunkt des kreuzförmigen Baus wurde ein Überwachungsstand eingerichtet, von dem sämtliche Gänge und Zellentüren beobachtet werden konnten. Der Neubau war eines der ersten Gebäude, die - statt Gaslicht - mit einer elektrischen Beleuchtung ausgestattet wurden. Für die Bediensteten des Gefängnisses wurden entlang den Außenmauern 61 Wohnungen im damaligen Gründerzeitstil errichtet, da für das Personal Residenzpflicht bestand. Die gesamte Liegenschaft steht unter Denkmalschutz.[3]

Zeit des Nationalsozialismus

In die Strafanstalt Freiendiez (der selbständige Ort wurde 1938 in die Stadt Diez eingemeindet) wurden ab 1935 zahlreiche Gegner des Nationalsozialismus wegen Hochverrats eingeliefert und von hier in die Konzentrationslager überstellt. In unmittelbarer Nähe der Strafanstalt Diez wurde von 1939 bis Anfang 1940 das Stammlager Limburg XII A angelegt, das anschließend bis Kriegsende als Durchgangslager (Dulag) diente. Es war für circa 43.000 gleichzeitig untergebrachte Kriegsgefangene vorgesehen und vor allem mit Belgiern, Franzosen, Briten, Polen, Russen, US-Amerikanern und Italienern belegt. Bei Verstößen wurden Kriegsgefangene in die mit deutschen Strafgefangenen besetzte Strafanstalt Diez überstellt, wo auch Todesurteile vollstreckt wurden.[4] Noch im Herbst 1944 wurden 16 junge luxemburgische Männer hingerichtet. [5]

Heutige Funktion

In der JVA Diez ist Platz für 525 männliche Gefangene im geschlossenen und 117 männliche Gefangene im offenen Vollzug. Ebenso wird die Sicherungsverwahrung (von Männern) in Rheinland-Pfalz und für das Saarland[6] ausschließlich in der Justizvollzugsanstalt Diez vollzogen.[7]

In der JVA wurde das Modellprojekt "Bildung in der Sicherungsverwahrung" der Katholischen Erwachsenenbildung Rheinland-Pfalz und der Katholischen Gefängnisseelsorge durchgeführt.[7]

In Diez saßen nach dem Zweiten Weltkrieg eine Reihe von bekannten Strafgefangenen ein, darunter der NS-Kriegsverbrecher und spätere Leiter des Landeskriminalamts (LKA) Rheinland-Pfalz Georg Heuser und der Gewaltverbrecher Dieter Freese.[8] Aus der Szene der Rote Armee Fraktion saßen unter anderem Manfred Grashof, Klaus Jünschke und Mitte 1972 der später durch einen Fememord ums Leben gekommene Ulrich Schmücker ein.[9][10]

Vollstreckungszuständigkeit

  1. Lebenslange Freiheitsstrafen für ganz Rheinland-Pfalz
  2. Freiheitsstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung gesamt Rheinland-Pfalz
  3. Freiheitsstrafen über acht Jahren für ganz Rheinland-Pfalz
  4. Freiheitsstrafen von mehr als vier bis acht Jahren an Gefangenen mit Wohnort im Landgerichtsbezirk Mainz
  5. Freiheitsstrafen von mehr als drei bis acht Jahren an Gefangenen mit Wohnort im Landgerichtsbezirk Koblenz
  6. Freiheitsstrafen an Strafgefangenen nach Maßgabe des § 9 StVollzG
  7. Vollzug der Sicherungsverwahrung für ganz Rheinland-Pfalz und das Saarland
  8. Offener Vollzug für Strafgefangene mit Wohnsitz im Landgerichtsbezirk Koblenz mit über einem Jahr noch zu verbüßender Freiheitsstrafe
  9. Offener Vollzug für Sicherungsverwahrte aus ganz Rheinland-Pfalz und dem Saarland

Eigenbetriebe innerhalb der JVA

Die JVA Diez verfügt über mehrere Eigenbetriebe:

Literatur

  • Fabian, Hans-Jürgen: Hinter Gittern : ein Vollzugsbeamter packt aus, Bad Schussenried, Hess, 2008
  • Jünschke, Klaus: Spätlese : Texte zu RAF und Knast, Frankfurt am Main, Verlag Neue Kritik, 1988
  • Klein, Peter: Moeglichkeiten der Mitverantwortung der Insassen im bewachungsorientierten Strafvollzug : eine Untersuchung auf der Grundlage der Befragung von Beamten u. Insassen der Justizvollzugsanstalt Diez, Universität Mainz, Diss., 1981

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vollstreckungsplan der JVA Diez auf justiz.rlp.de
  2. Petra, Helga Reucker und Thomas Kirnbauer Schwenzer: Die Marmorgrenzsäulen des Herzogtums Nassau, Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, Wiesbaden, 1982, ASIN: B002Y8QMI0, S. 346 ff
  3. Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz
  4. Internetseite Zwangsarbeit in der Kirche.de
  5. Bericht des Diezer Gefängnispfarrers Kneip aus dem Jahr 1945
  6. http://www.justiz.rlp.de/Justizvollzug/JVA-Diez/Zustaendigkeit/
  7. a b http://www.keb-rheinland-pfalz.de/pdf/Antrag_BiS_8%20aktuell.doc
  8. http://www.winningen.de/index.php?option=com_content&task=view&id=965
  9. Der Spiegel: Der tödliche Treff vom 7. Oktober 1974.
  10. Gabriele Goette/Taz: Wo Schloss und Riegel für... Ein ehemaliger Gefängnisseelsorger erzählt vom 29. Dezember 2008.
50.3752078.0365

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