Lahnmarmor

Lahnmarmor
Lahnmarmor aus Gaudernbach
Geologische Karte der Lahnmulde, Kalkvorkommen in Türkis
Wormser Dom, Epitaph von Domdekan Franz Carl Friedrich von Hohenfeld, gefertigt aus schwarzem Lahnmarmor und signiert von Johann Strahl aus Balduinstein
Der aus Lahnmarmor erbaute ehemalige Marktbrunnen von Villmar, heute in Köln aufgestellt
Gretchen aus Wirbelau Marmor in Wirbelau
Marmorbrücke in Villmar

Lahnmarmor (früher Nassauer Marmor genannt) ist eine große Gruppe polierbarer Kalksteine, die im Mitteldevon entstanden. Zentren der Gewinnung waren Balduinstein, Diez (beide Rhein-Lahn-Kreis, Rheinland-Pfalz), Villmar und Schupbach (beide Landkreis Limburg-Weilburg, Hessen). Der Abbau dieses auch international nachgefragten Natursteins aus Riffkalk reicht nachweislich bis in das 16. Jahrhundert zurück.

Inhaltsverzeichnis

Petrographie und Verbreitung

Die Bezeichnung „Marmor“ ist petrographisch (gesteinskundlich) inkorrekt, da dieses Carbonatgestein nicht metamorph überprägt ist. „Marmor“ wird auch als Kulturbegriff für polierbare Kalksteine mit marmorierter Textur verwendet.

Die lebhaft strukturierten Lahnmarmore treten in den Farben schwarz und grau (gefärbt durch Kohlenstoff), rot und zahlreiche weitere Farben (überwiegend gefärbt durch Eisenminerale), selten sogar weiß auf. Teilweise sind dichte Einlagerungen von Hämatit prägnant sichtbar. Das 380 Millionen Jahre alte biogene Sedimentgestein ist ein Massenkalk aus den Resten Riff bildender Stromatoporen (hier Hauptriffbildner), eine ausgestorbene Tiergruppe, die systematisch zumeist zu den Schwämmen gestellt wird. Weitere häufige Fossilien im Gestein sind Gastropoden, Tabulate und rugose Korallen. Ferner finden sich Cyanobakterien, Dinoflagellaten, Halimeda, Echinoidea, Foraminiferen, Porifera, Goniatiten, Trilobiten, Ostrakoden, Bryozoen, Brachiopoden, Echinodermen, Crinoiden und weitere.

Im geologischen Sinn tritt der Lahnmarmor in der Lahnmulde im Rheinischen Schiefergebirge zwischen Westerwald und Taunus auf.

Geschichte des Abbaus

Die Gewinnung und Verwendung von Lahnmarmoren ist über einen Zeitraum von ca. 400 Jahren dokumentiert. Für diesen Zeitraum sind über 100 Gewinnungsstellen nachgewiesen, die sich untereinander in Farbe und Struktur signifikant unterscheiden. Einige Steinbrüche erbrachten mehrere Sorten, im Fall des Steinbruchs Bongard handelt es sich um etwa 15 verschiedene Arten. Aus diesem Grund sind heute bestimmte Lahnmarmorsorten an historischen Objekten sehr schwer zu identifizieren. Zu den frühesten Abbaugebieten der Lahnmarmore zählen die Gegend um Villmar (16. Jahrhundert) sowie die Umgebung von Schupbach (17. Jahrhundert). Eine vermehrte Zahl von Anwendungen von Material aus den Brüchen um Villmar sind ab dem 18. Jahrhundert überliefert. Dazu zählt u.a. die Benediktinerabtei St. Matthias in Trier.
Der Beginn des Abbaus um Schupbach ist nicht genau geklärt. In Chronikaufzeichnungen zwischen 1610 und 1612 wird „schwarzer Marmor“ von diesem Ort genannt. Seit dem Jahr 1678 lebte in Schupbach und Gaudernbach die Steinmetzfamilie Weidemann, mit der die Bekanntheit der dort gewonnenen Sorten zunahm.
Aus einem Steinbruch bei Katzenelnbogen lieferte dessen Betreiber 1715 acht Pfeiler für die Kapelle der Würzburger Kathedrale.

Zahlreiche Hinweise ergeben sich aus der Geschichte des Gefängnisses in Diez. Dort bearbeiteten im 18. und 19. Jahrhundert Gefangene im großen Umfang die in der Region gewonnenen Kalksteine. Dadurch wurde Diez für über 100 Jahre zu einem Zentrum der Lahnmarmorverarbeitung. Beispielsweise stammen aus dieser Produktion ein Brunnen (1835-1837) für den Marktplatz von Idstein oder der Sockel (1836) des Gutenberg-Denkmals in Mainz. Bemerkenswert sind zehn im Diezer Gefängnis gefertigte Grenzsäulen für das Herzogtum Nassau, die in zwei zeitlichen Etappen 1825 und 1827 aufgestellt wurden.[1] Nach der Vereinigung mit dem Gefängnis von Weilburg im Jahr 1811 beherrschte die Produktion in Diez den Markt der Lahnmarmore. Trotz der bekannten hohen Sterberate im Diezer Gefängnis trat dieses als Aussteller auf der Weltausstellung von 1851 in London mit umfangreicher Musterpräsentation auf. Als die preußische Verwaltung das Gefängnis 1880 privatisierte, übernahmen die Gebrüder Hergenhahn die inzwischen sehr bekannte Steinverarbeitung. Seit dieser Zeit weitete sich der Absatzmarkt auf das gesamte Deutsche Reich und zu überseeischen Abnehmern aus.

Zur Periode der umfangreichsten Anwendung von Lahnmarmoren gehört nach heutiger Kenntnis das 19. und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Moderne Maschineninvestitionen und umsichtige Aktivitäten, beispielsweise durch den Marmorunternehmer G. Joerissen, ermöglichten eine erfolgreiche Verarbeitung und überregionale Verbreitung zahlreicher Sorten. Zu nennen sind hier auch die Marmorwerke Balduinstein (Guido Krebs) und deren späterer Inhaber W. Thust.
Die Bedeutung der Vorkommen wurde so hoch eingeschätzt, dass auch während des Zweiten Weltkriegs eine Gewinnung stattfand. Aus dieser Zeit sind Lieferungen (1940) aus Balduinsteiner Grau für den Kassenbereich im Gebäude der Reichshauptbank von Heinrich Wolff in Berlin belegt.

Der Abbau und die Verarbeitung von Lahnmarmor endete im Jahr 1970. Für technische Zwecke besteht bis heute an einigen Stellen weiterhin ein aktiver Kalksteinabbau.

Römerzeitliche Anwendungen von Lahnmarmor in Xanten sind 1997 vermutet, aber nach näheren Untersuchungen (2006) bisher nicht nachgewiesen worden.[2]

Verwendung

Neben der Marmorbrücke in Villmar und der Ausstattung des Weilburger Schlosses ist Lahnmarmor beispielsweise für die Eingangshalle des Empire State Buildings, für den Palast des Maharadschas von Tagore, für die St. Petersburger Eremitage und für den Kreml in Moskau verwendet worden. Außerdem wurden der Berliner, Würzburger und Mainzer Dom sowie die Klosterkirche Amorbach damit ausgestattet. Er fand ferner Verwendung beim einzigen Apostelgrab nördlich der Alpen in der Trierer Benediktinerabtei St. Matthias. In Wiesbaden sind zudem zahlreiche Prachtbauten mit Lahnmarmor geschmückt. Steinbildhauer verwendeten häufig den Wirbelau Marmor für Skulpturen, der zur Gruppe der Lahnmarmore zählt.

Das Museum Wiesbaden zeigt zahlreiche Exponate aus Lahnmarmor.[3] Sein Foyer ist eines der vielen repräsentativen Beispiele für die Anwendung der Lahnmarmore. Obwohl die Vorkommen noch nicht erschöpft sind, wird der Werksteinabbau wegen ökonomischen und spezifischen Nachfragebedingungen gegenwärtig nicht betrieben.

Lahnmarmore

  • Wirbelau Marmor bei Wirbelau
  • Edelfels-Marmor bei Diez an der Lahn
  • Villmarer Kalkstein (Typ Bongard) bei Villmar
  • Villmarer Kalkstein (Typ Unika) bei Villmar
  • Steedener Kalkstein (Steedener Rot) bei Steeden
  • Schupbacher Kalkstein (Typ Schupbach Schwarz) bei Schupbach
  • Schupbacher Kalkstein (Famosa) bei Schupbach

Naturdenkmal: Steinbruch Unica

Beispiel von kulturgeologischer Aktivität: Der Steinbruch Unica im Abbaufortschritt um 1970 (später drei Wände poliert und seit 2001 mit Zeltdach geschützt)

Der Unica-Bruch in Villmar ist der einzige von über einhundert ehemals betriebenen Lahnsteinbrüchen, der zugänglich ist. In diesem aufgelassenen Steinbruch der Nassauischen Marmorwerke Dykerhoff & Neumann steht überwiegend roter Lahnmarmor (Unica A) an, der mit Seilsägen abgebaut wurde. Diese Methode ließ eine in zwei ausgesägte Terrassen gegliederte etwa sechs Meter hohe und 15 Meter lange Wand entstehen, die einen wohl weltweit einmaligen dreidimensionalen Einblick in den Aufbau eines Stromatoporenriffs aus dem Devon erlaubt.

Der Gemeindesteinbruch Unica ist 2001 zum Naturdenkmal erklärt worden und fand 2006 Eingang in die Liste der Nationalen Geotope[4]. In Villmar bietet der Lahn-Marmor-Weg einen Einblick in Abbau und Verarbeitung der verschiedenen Marmor-Sorten und das 2004 eröffnete Lahn-Marmor-Museum im Zentrum des Ortes, zeigt die Entstehung, den Abbau und Anwendungsbeispiele des Lahnmarmors. Es wird vom Lahn-Marmor-Museum e.V. betrieben und verfügt über eine große Sammlung von Mustern und ausgewählten kunstgewerblichen bzw. künstlerischen Objekten.[3]

Quellen

Weblinks

 Commons: Lahnmarmor – Sammlung von Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Susanne Petra Schwenzer / Helga Reucker / Thomas Kirnbauer: Die Marmorgrenzsäulen des Herzogtums Nassau. In: Nassauische Annalen Bd. 113, Wiesbaden 2002, S. 341-394
  2. Dietwulf Baatz: Lahnmarmor in der Colonia Ulpia Traiana? In: Xantener Berichte. Grabung - Forschung - Präsentation, Bd. 14 Hrsg. Martin Müller). Mainz (Verl. Philipp von Zabern) 2006, S. 303-306
  3. a b 9. Oktober 2006 - Marmor von der Lahn - Geschichtsverein lädt zum Vortrag ein
  4. Der Lahnmarmor in Villmar bei Weillburg Internetpräsenz der Akademie für Geowissenschaften und Geotechnologien e. V.

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