Jagdrecht (Deutschland)

Jagdrecht (Deutschland)

Mit dem Begriff Jagdrecht werden zwei verschiedene Sachverhalte beschrieben. Einmal umfasst der Begriff als objektives Recht alle Normen, die sich mit der Jagd beschäftigen. Andererseits wird auch das subjektive Recht zum Jagen als Jagdrecht bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das keltische und germanische Jagdwesen

Das früheste Zeugnis eines Jagdrechts auf dem Gebiete des heutigen Deutschlands findet sich in Arrians Kynegetikos im 2. Jahrhundert nach Christus. Arrian beschreibt, wenn auch größtenteils aus technischer Sicht, die Jagd der Kelten. Die Jagd hatte nach seiner Schilderung bereits ihre wirtschaftliche Funktion der Nahrungsversorgung größtenteils verloren. Die Sesshaftigkeit und die Ausbildung von Eigentum an Grund und Boden brachte eine geringere Bedeutung der Jagd mit sich, die forthin eher als Sport, denn als Broterwerb angesehen wurde. Zugleich finden sich erste Anzeichen der Ausbildung von ethischen Standards bei der Jagd, d.h. der Waidgerechtigkeit in heutigem Sprachgebrauch. Arrian schildert, dass jedem Kelten das Recht zur Jagd zustand, nach Lindner bestanden jedoch Abstufungen dieses Recht, je nach sozialem Rang. Die keltische und die römische Rechtskultur wurden mit der Völkerwanderung durch die jeweiligen germanischen Regelungen ersetzt. Über die Jagd der germanischen Stämme ist nur wenig bekannt. Da sie im Gegensatz zu den Kelten jedoch kein Grundeigentum kannten und ihr Ackerbau nicht denselben zivilisatorischen Stand wie den der Kelten oder Römer erreicht hatte, kann vermutet werden, dass die Jagd eine wichtige Rolle für die Nahrungsversorgung spielte und grundsätzlich keine Verbote für die Jagd galten. Die einzigen vermuteten Tötungsverbote waren religiösen oder magischen Ursprungs.[1]

Ab 1848

Bis 1848 stand das Jagdrecht dem jeweiligen Landesherrn als Jagdregal zu. Die deutschen Staaten hoben (mit Ausnahme von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz) diese Rechte im Gefolge der Revolution von 1848/1849 auf. Jagd war nur noch auf eigenem Grund und Boden möglich. Durch die ungeregelte Möglichkeit der Jagdausübung ergab sich jedoch die Gefahr einer völligen Ausrottung des Wildes und der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenz kleinbäuerlicher Betriebe, die auch von den - durch Verringerung des Wildbestandes sinkenden - Jagderträgen abhängig waren. Die deutschen Staaten erließen daher in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts Gesetze, die das dem Grundeigentümer zustehende Jagdrecht und das Jagdausübungsrecht trennten und das Jagdausübungsrecht entweder den Gemeinden oder der Gemeinschaft der Grundeigentümer zuerkannten. Damit war nach kurzer Zeit der durch die Revolution von 1848/1849 geschaffene Zustand, dass jeder Eigentümer nach eigenem Belieben auf seinem Grund jagen durfte, durch die Trennung von Jagdrecht und Jagdausübungsrecht wieder beseitigt.

Diese landesrechtlichen Regelungen zum sogenannten Reviersystem vereinheitlichte das Reichsjagdgesetz vom 3. Juli 1934, das die amerikanische Besatzungsmacht für ihre Zone 1948 aufhob. An dessen Stelle trat schließlich das Bundesjagdgesetz, das am 1. April 1953 Geltung erlangte und das Reviersystem bis heute beibehält. [2] Das Jagdrecht ist die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen (§ 1 BJagdG).

Geltendes Jagdrecht

Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 des Grundgesetzes hat der Bund das Recht zur konkurrierende Gesetzgebung auf dem Gebiete der Jagd. In Ausübung dieser Gesetzgebungskompetenz hat der Bund das Bundesjagdgesetz (BJagdG) erlassen. Daneben existieren in allen Bundesländern Landesjagdgesetze. Auch das Europarecht hat indirekten Einfluss auf das bundesdeutsche Jagdrecht, z. B. durch die Vogelschutzrichtlinie oder die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie.

Das Bundesjagdgesetz ist zwar das Nachfolgegesetz des Reichsjagdgesetzes von 1934, die jagdfachlichen Inhalte jedoch gehen viel weiter zurück: Die Grundlagen stammen aus dem preußischen Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zur Amtszeit des Sozialdemokraten und Jägers Otto Braun als Minister (1918-1921). Weitere Vorbilder waren die reformierten Jagdgesetze von Polen, Rumänien und das stark auf Naturschutz ausgerichtete britische Kolonial-Jagdrecht. Konkret veranlasst und durchgesetzt hat das Reichsjagdgesetz dann der nationalsozialistische preußische Ministerpräsident und spätere Reichsjägermeister Hermann Göring. Eigentlicher Spiritus rector des Gesetzeswerkes, mit dem die Jagd in Deutschland erstmals einheitlich geregelt wurde, war jedoch der Jagdfunktionär Oberjägermeister Ulrich Scherping (1889–1958), der seit 1933 als Jagdreferent in der preußischen Staatsforstverwaltung wirkte.[3]

Im Vorwort des Reichsjagdgesetzes waren die „ideologiegeprägten, teils von Hermann Göring selbst beigesteuerten Passagen konzentriert“, so der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, der sich mit der Herkunft des Bundesjagdgesetzes eingehend beschäftigt hat. Deshalb ist das Vorwort im BJagdG komplett gestrichen worden. Weitere Einzelheiten zur Entstehung des Reichsjagdgesetzes und seiner Bedeutung für das heutige Bundesjagdgesetz finden sich in der entsprechenden Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages[4].

1952 wurde das Reichsjagdgesetz nach formellen und redaktionellen Änderungen in bundesdeutsches Recht überführt. Die Tatsache, dass das Bundesjagdgesetz das Nachfolgegesetz des Reichsjagdgesetzes ist, dient Jagdgegnern häufig als Angriffspunkt. Wie die Auswertung des Wissenschaftlichen Dienstes belegt, zu Unrecht.

Nach deutschem Recht steht das Jagdrecht dem Grundeigentum zu. Es ist gleichzeitig eine Pflicht; der Eigentümer kann die Jagd auf seinem Besitz nicht verbieten. Zu unterscheiden ist das Jagdrecht, welches grundsätzlich jeder Grundbesitzer innehat, vom Recht auf die tatsächliche Ausübung der Jagd, welches an zahlreiche Bedingungen geknüpft ist. Die Ausübung des Jagdrechts ist nur in Jagdbezirken erlaubt und auch dort, mit Ausnahme der Jagd zur Schädlingsbekämpfung, nur außerhalb von „befriedeten Bezirken“ (zum Beispiel Wohngrundstücken, Gärten etc.) Alle Grundflächen innerhalb eines Jagdbezirks gehören diesem an.

Die Jagdbezirke sind entweder Eigenjagdbezirke oder gemeinschaftliche Jagdbezirke. Einen Eigenjagdbezirk hat, wem eine zusammenhängende land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbare Grundfläche von mindestens 75 ha Größe gehört. In den gemeinschaftlichen Jagdbezirken sind dagegen mehrere Grundstücke zu einem genügend großen Jagdbezirk zusammengeschlossen. Die jeweiligen Grundeigentümer sind zur Mitgliedschaft in Jagdgenossenschaften (einer Körperschaft öffentlichen Rechts) gezwungen. Ein gemeinschaftlicher Jagdbezirk ist üblicherweise mindestens 150 ha groß (Unterschiede bestehen je nach Bundesland). Besteht ein solcher, so steht das Jagdausübungsrecht der Jagdgenossenschaft gemeinsam zu, die dann die Jagdausübung in Eigenregie betreibt oder, im Regelfall, an Dritte verpachtet. Es können auch Teilbezirke verpachtet werden, wenn jeder verbleibende Teil für sich genügend groß ist. Verpachtet werden also nicht etwa die Grundstücke des Jagdbezirks, sondern ausschließlich das Recht zur Jagdausübung auf denselben. Anders als beim Lizenzjagdrecht eröffnet das "an Grund und Boden geknüpfte" deutsche Jagdrecht jedem einzelnen Eigentümer land- oder forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke erhebliches Mitspracherecht bei der Ausgestaltung der Jagdausübung auf ihren Eigentumsflächen. Diese Interessen können sie als Mitglieder in der Jagdgenossenschaft bei Abstimmungen durchsetzen. Neben der Entscheidung, wer die Flächen bejagen darf oder wie viel Wild erlegt werden muss wird auch über den Text des Jagdpachtvertrages abgestimmt, in dem u. A. festgelegt wird, in welchem Umfang den Grundeigentümern Wildschäden ersetzt werden müssen. Diese sehr grundeigentümerfreundlichen Besonderheiten des deutschen Jagdrechtes sind vielen Grundeigentümern nicht bekannt und werden daher auch nur von wenigen in Anspruch genommen.

Im Bundesjagdgesetz und den Landesjagdgesetzen sowie weiteren Gesetzen (Waffengesetz) und Verordnungen sind darüber hinaus vielfältige die Jagdausübung betreffende Regeln enthalten. Diese umfassen unter anderem Vorschriften zu Jagd- und Schonzeiten, jagdbaren Tieren und erlaubten Jagdmethoden. So darf beispielsweise bis auf einige Ausnahmen wie z. B. für die Jagd auf Schwarzwild nicht nachts gejagt werden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass zahlreiche Wildarten seit vielen Jahren ganzjährig geschont sind, d. h. keine Jagdzeiten haben. Sie werden dennoch nicht dem Jagdrecht entzogen, um sie weiter der Hegepflicht der Jäger zu unterstellen.

Wilderei bezeichnet das Nachstellen, Fangen, Erlegen oder sich Aneignen von Wild unter Verletzung fremden Jagdrechts oder Jagdausübungsrechtes. Ebenso ist Wilderer, wer sich eine Sache, die dem Jagdrecht unterliegt, zueignet, beschädigt oder zerstört.

Die Jagd ausüben dürfen nur Personen, welche zuvor einen Jagdschein erworben haben. Dieser setzt die Jägerprüfung voraus, die sich aus den Fachbereichen Wildtierkunde (Haarwild und Federwild), Wildbrethygiene, Wald- und Landbau, Naturschutz, Jagdhundekunde, Waffenkunde, Ökologie, Jagd- und Waffenrecht sowie dem Schießen zusammensetzt (Unterschiede bestehen je nach Bundesland). Die Prüfung unterteilt sich in einen mündlichen, einen schriftlichen und einen praktischen Teil nebst Schießprüfung.

Literatur

Geschichte

  • Christian Ludwig Stieglitz (1803–1854): Geschichtliche Darstellung der Eigenthumsverhältnisse an Wald und Jagd in Deutschland von den ältesten Zeiten bis zur Ausbildung der Landeshoheit. Leipzig: Brockhaus 1832
Digitalisat des Exemplars der New York Public Library
Nachdruck Leipzig: Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik 1974
  • Kurt Lindner: Geschichte des deutschen Weidwerks. I Die Jagd der Vorzeit, 1937.
  • Ulrich Scherping: Waidwerk zwischen den Zeiten, Paul Parey, Berlin/Hamburg 1950 (aufschlussreiche Autobiographie zur Entstehung des Reichsjagdgesetzes)
  • Michael L. Wolfe Jr.: The History of German Game Administration. In: Forest Conservation History. Oktober 1970, S. 6–16.

Geltendes Recht

  • Detlev Czybulka: Reformnotwendigkeiten des Jagdrechts aus Sicht einer Harmonisierung mit den europäischen und internationalen Recht der Biodiversität und dem Artenschutz.In: Natur und Recht 28(1), S. 7 - 15 (2006), ISSN 0172-1631
  • Johannes Dietlein/Eva Dietlein: Jagdrecht von A - Z. Rechtswörterbuch von A-Z, BLV-Buchverlag, München 2003, ISBN 3405164214
  • Albert Lorz / Ernst Metzger / Heinz Stöckel, Jagdrecht, Fischereirecht. Bundesjagdgesetz mit Verordnungen und Länderrecht, Binnenfischereirecht, Fischereischeinrecht, Seefischereirecht. Kommentar, 4. Auflage, München 2011, Verlag C.H. Beck, ISBN 978-3-406-59609-4
  • Marcus Schuck: Bundesjagdgesetz. 1. Auflage. Vahlen, 2010, ISBN 978-3800636440.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Michael L. Wolfe Jr.: The History of German Game Administration. In: Forest Conservation History. Oktober 1970, S. 6–16.
  2. (vgl. zum Ganzen ausführlich Scholz, Jagdgenossenschaft und Jagdrecht in Deutschland und den Europäischen Nachbarländern, Aachen 1996, S. 23 ff. sowie Mitzschke/Schäfer, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, 4. Aufl. 1982, Einleitung, Rn. 2 ff.; von Pückler, Agrarrecht 2001, S. 72 f.)
  3. Vgl. Ulrich Scherping: Waidwerk zwischen den Zeiten, Paul Parey, Berlin/Hamburg 1950.
  4. Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages: Entstehungsgeschichte des Bundesjagdgesetzes. Reg.-Nr. WF V G 192/03, Überarbeitete Fassung, 1. Oktober 2004 (0,2 MB).


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