LiquidFeedback

LiquidFeedback

LiquidFeedback ist eine freie Software zur politischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. Das wichtigste Merkmal ist die Umsetzung des Liquid-Democracy-Ansatzes, mit dem die Grenze zwischen repräsentativer und direkter Demokratie verwischt werden soll.

LiquidFeedback
Liquid Feedback Logo.png
Liquid Feedback Screenshot.png
Anregungsseite zu einer Initiative
Basisdaten
Entwickler Public Software Group e.V.
Aktuelle Version Backend v1.3.1, Frontend beta31
Betriebssystem unabhängig
Programmier­sprache Lua / PL/pgSQL
Kategorie Meinungsbildung und Entscheidungsfindung über das Internet
Lizenz MIT/X11-Lizenz
Deutschsprachig ja
http://liquidfeedback.org

Inhaltsverzeichnis

Grundidee

LiquidFeedback ist als Hilfe für Parteien, Vereine und Initiativen gedacht, die das Internet zur Meinungsbildung nutzen wollen, insbesondere wenn die Zahl der Beteiligten zu groß wird, um dies in einem üblichen Forum zu gewährleisten. Zudem soll den Mitgliedern die Möglichkeit gegeben werden, eigene Initiativen voranzutreiben, und der Einfluss von Entscheidungshierarchien abgemildert werden. Die Software hat den Anspruch, stets ein demokratisches Abbild der Meinung zu ermitteln, welches nicht durch Hierarchien, Wissensunterschiede oder andere Einschränkungen verzerrt ist. Zudem stellt LiquidFeedback die Möglichkeit bereit, Hürden und Zeitabläufe für Initiativen zu bestimmen.

Benutzung

Wesentliches Funktionsmerkmal von LiquidFeedback ist das Einbringen von Textvorschlägen, über die später abgestimmt werden soll. Hierbei muss der Benutzer zunächst einen geeigneten Themenbereich auswählen und entscheiden, ob der Textvorschlag (Initiative genannt) ein neues Thema bilden soll oder als Alternativvorschlag zu einer Initiative eines bereits existierenden Themas eingestellt wird. Im Falle der Eröffnung eines neuen Themas ist je nach Zielsetzung des Initiators ein zu verwendendes Regelwerk auszuwählen, welches Fristen und Quoren sowie die Bedeutung einer erfolgreichen Abstimmung vorgibt.

Regelwerke werden vom Betreiber der jeweiligen Softwareinstallation vorgegeben. Beispiele hierfür sind:

  • Satzungsänderung
  • Antrag an die Mitgliederversammlung
  • Meinungsbild für Vorstandsbeschlüsse
  • Schnellumfrage

Themen und die darin enthaltenen zueinander in Konkurrenz stehenden Initiativen durchlaufen gemeinsam folgende Phasen:

  • Neu
  • in Diskussion
  • Eingefroren
  • Abstimmung
  • Abgeschlossen bzw. Abgebrochen

Solange sich ein Thema in den Phasen "Neu", "in Diskussion" oder "Eingefroren" befindet, können Teilnehmer des Systems jeweils eine oder mehrere Initiativen eines Themas unterstützen. Befindet sich ein Thema im Zustand "Neu" so muss zunächst eine Initiative einen durch das Regelwerk bestimmten Anteil von Unterstützerstimmen auf sich vereinigen. Geschieht dies innerhalb einer durch das Regelwerk vorgegebenen Frist, gelangt das Thema "in Diskussion". Andernfalls wird das Thema abgebrochen.

Während ein Thema in der Phase "Neu" oder "in Diskussion" ist, ist es den Initiatoren der Initiative möglich, ihren Textvorschlag durch Änderungen zu verbessern. Unterstützer der Initiative können Anregungen zur Initiative vermerken oder ihre Unterstützung an die Umsetzung bestimmter Verbesserungsvorschläge koppeln. Nach einer vorgegebenen Frist geht das Thema von der Diskussionsphase in den Zustand "Eingefroren" über. Diese Phase dient der Verhinderung von Textänderungen kurz vor der Abstimmung, da mit dem Einfrieren Änderungen an Initiative unterbunden werden. Nach Verstreichen einer weiteren Frist geht das Thema in die Phase "Abstimmung".

Lediglich Initiativen die ein zweites Quorum an Unterstützerstimmen auf sich vereinigen konnten, stehen am Ende zur Abstimmung. Die Höhe des zweiten Unterstützerquorums ergibt sich ebenfalls aus dem verwendeten Regelwerk. Die Abstimmung geschieht nach der Schulze-Methode, wobei sich die vom Abstimmenden anzugebende Präferenzreihenfolge zusätzlich in Zustimmungen, Enthaltungen und Ablehnungen unterteilt und nur Initiativen mit mehr Zustimmung als Ablehnung mittels der Schulze-Methode ausgezählt werden.[1]

Grundsätzlich lässt sich bei all diesen Abläufen das eigene Stimmgewicht an andere Teilnehmer delegieren. Genutzt werden können erteilte Delegationen jedoch nur, wenn man selbst in einem Thema nicht aktiv ist. Erteilte Delegationen lassen sich jederzeit widerrufen.

Die Systemdaten von LiquidFeedback sind für die Nutzer zwecks der Überprüfbarkeit stets zugänglich, nur die Daten laufender Abstimmungen werden verborgen, um taktisches Wählen zu vermeiden. Siehe auch Arrow-Theorem und Gibbard-Satterthwaite-Theorem.

Geschichte

LiquidFeedback wurde ab Oktober 2009[2] auf Bestreben von Mitgliedern der Piratenpartei Deutschland entwickelt, da diese mit den vorhandenen Möglichkeiten zur innerparteilichen Meinungsbildung nicht zufrieden waren. Die Entwicklung verläuft jedoch unabhängig von der Partei im Rahmen des Public Software Group e. V.[3] und die Nutzung steht auch anderen Parteien und Verbänden offen.

Am 15. April 2010 wurde die erste stabile Version 1.0.0 des Backends veröffentlicht.[4][5]

Da das Interesse an LiquidFeedback und anderen interaktiven Demokratieformen sehr groß ist, hat die Public Software Group sich am 27. Juni 2010 entschieden, diese Bereiche in einen eigenen Verein Interaktive Demokratie e.V auszulagern.[6]

LiquidFeedback wird derzeit von der Piratenpartei Deutschland, deren Landesverbänden, der Piratenpartei Brasilien und der Piratenpartei Österreich sowie der Piratenpartei Schweiz[7] im Testbetrieb und zur Vorbereitung der Parteitage eingesetzt.

Medieninteresse

LiquidFeedback hat ein gewisses Medieninteresse hervorgerufen.[8] Von Seiten der Piratenpartei wird die Hoffnung geäußert, dass man mit der Software die Probleme der Basisdemokratie (siehe Ehernes Gesetz der Oligarchie) besser lösen kann, als dies bei den anderen Parteien geschehen ist.[9] Es besteht die Vermutung, dass das System Kompetenz statt Öffentlichkeitstauglichkeit belohnt.[10] Zudem wird die Resistenz des Systems gegen Störer („Trolle“) gepriesen, da nur konstruktive Rückmeldung möglich sein soll.[11]

Technik

Das Frontend von LiquidFeedback ist in Lua geschrieben, das Backend in PL/pgSQL. Beide Teile werden von der Public Software Group e.V. entwickelt und stehen unter der MIT-Lizenz.[12]

Für LiquidFeedback steht eine API zur Verfügung, mit der externe Programme auf die Installation zugreifen können und so zusätzliche Dienste anbieten können.

Kritik an LiquidFeedback

Die Einführung von LiquidFeedback führte innerhalb der deutschen Piratenpartei zu Auseinandersetzungen. Vor dem Hintergrund, dass die Software das Konzept verfolgt, jede Aussage und jede Stimme auch nachträglich einer Person zuordnen zu können, wurde im Anwendungsfalle der Piratenpartei unzureichender Datenschutz bemängelt.[13] Da die Software ausschließlich namentliche Abstimmungen ermöglichen soll[14], sind Rückschlüsse auf die jeweilige politische Meinung prinzipbedingt immer möglich und auch beabsichtigt. (Siehe auch: Namentliche Abstimmungen im Bundestag)

Uneinigkeit besteht über die Frage, ob sich trotz der Möglichkeit, Delegationen jederzeit widerrufen zu können, Machtstrukturen festigen könnten. Damit delegiertes Stimmgewicht von Teilnehmern, die sich nicht mehr am System beteiligen, nicht zu einem derartigen Effekt beitragen kann, wurde mit einem Update der Software das automatische Deaktivieren inaktiver Teilnehmeraccounts ermöglicht.[15]

Es wurde weiterhin bemängelt, dass der Minderheitenschutz im System nicht gegeben ist. Minderheiten können jedoch ihre Standpunkte immer zum Ausdruck bringen. Für das Einstellen von Initiativen ist kein Quorum erforderlich.[16] Nach einer vom Betreiber einstellbaren Frist kann das Erreichen eines bestimmten Unterstützerquorums (z.B. 5%) gefordert werden. Nur bei der endgültigen Abstimmung ist eine Mehrheit von mindestens 50% (oder je nach Einstellung auch höher) erforderlich.

Weblinks

Referenzen

  1. http://liquidfeedback.org/2010/02/15/die-praferenzwahl-richtig-nutzen/
  2. http://liquidfeedback.org/mission-de/
  3. Public Software Group e. V.
  4. http://www.public-software-group.org/mercurial/liquid_feedback_core/log?rev=tag+v1.0.0
  5. http://www.public-software-group.org/liquid_feedback_core
  6. http://liquidfeedback.org/2010/06/27/entwickler-grunden-interaktive-demokratie-e-v/
  7. http://liquidfeedback.org/anwender/
  8. http://liquidfeedback.org/medienecho/
  9. http://web.piratenpartei.de/Pressemitteilung-100516-Revolution-der-innerparteilichen-Demokratie
  10. http://www.heise.de/newsticker/meldung/Im-Internet-mehr-Demokratie-wagen-1051345.html
  11. http://klabautercast.de/2010/03/29/folge-6-liquid-democracy/
  12. http://liquidfeedback.org/projekt/
  13. Spiegel.de: Piraten streiten über Demokratie-Wunderwaffe, 6. August 2010
  14. http://liquidfeedback.org/mission/
  15. http://liquidfeedback.org/2011/02/06/aussetzen-von-stimmgewicht-bei-inaktivitaet/
  16. http://liquidfeedback.org/projekt/

Wikimedia Foundation.

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